3. Kapitel

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Triggerwarnungen: Traumata.

Drei Wochen vor Nathalies Rettungsaktion.

Otilia

Cadi tut mir unfassbar leid. Sie scheint die Strapazen der letzten Wochen noch immer nicht verdaut zu haben. Hinzu kommt noch, dass jede mögliche Begegnung mit Jackson ihr Angst macht. Erst letztens hat sie mir geschrieben, dass sie lieber nicht auf ihn treffen möchte, weil sie nicht weiß, wie sie reagieren würde - wie Askan reagieren würde.

„Hey, danke für die tolle Party", Cadis Stimme ist klar und deutlich zu entnehmen, dass noch immer ein gigantischer Stein auf ihrem Herzen lastet.

Sie fühl sich hier nicht wohl ...

„Gerne. Ist alles ... okay?", hake ich leise nach, damit niemand etwas von unserer Unterhaltung mitbekommt.

„Nein ... Nichts ist okay", entgegnet sie, während ihr eine dicke, schwere Träne aus dem Augenwinkel kullert.

Ich greife nach ihrer Hand und sehe mich so unauffällig wie möglich um.

„Komm." Ich greife nach ihrer Hand und ziehe sie mit mir in eines der Gästebadezimmer. Dort angekommen schalte ich das Licht ein und schließe die Tür hinter uns.

„Cadi...", wispere ich. Daraufhin fällt sie mir schluchzend in die Arme, und mir wird mit einem Mal klar, dass wir uns gar nicht so gut kennen, wie ich zuvor angenommen habe.

Diese Seite von ihr, ist mir völlig neu. Sonst wirkt sie immer so stark und unaufhaltsam, als würde sie Nichts und Niemand aufhalten können. Doch in diesem Moment, ist sie so zerbrechlich, wie eine beschädigte Porzellanpuppe.

Ich umfasse ihr nasses Gesicht und wische ihr mit beiden Daumen die Tränen von den Wangen. Dann schenke ich ihr mein wärmstes Lächeln und versuche sie zu beruhigen.

„Wir werden Nathalie da rausholen ... Du hast mein Wort."

„Ich weiß, ... aber versteh mich doch bitte ... Ich kann ... das alles hier einfach nicht." Sanft löst sie meine Hände von ihrem Gesicht. „Ich kann nicht feiern und einfach so tun, als wäre nichts passiert. Sie steckt in dieser verdammten Anstalt fest und wird noch immer misshandelt, verstehst du das?"

Ich nicke zustimmend, denn sie hat recht. Während wir hier ausgelassen feiern und auf heile Welt machen, sitzt Nathalie in der Klapse. Und auch Clints wechselhafte Laune ist mir in den letzten Tagen nicht entgangen.

„Wir schaffen das. Zusammen. Es bring aber herzlich wenig, wenn du dir hier und jetzt den Kopf darüber zerbrichst."

„W-was meinst du, Tilly?"

„Na ja, ich meine damit, dass du sowohl körperlich als auch mental auf der Höhe sein musst, damit wir Nathalie da raushelfen können. Erst, wenn du wieder die alte Cadi bist", ich male Gänsefüßchen in die Luft, „können wir diese Aktion durchführen. Verstehst du das?"

„Du hast recht."

„Nimm dir die Zeit und lass deine Wunden heilen. Sonst ist niemandem damit geholfen, da spreche ich aus eigener Erfahrung."

Und wie ich das tue, denn die Narben in meinem Herzen werden vermutlich niemals verheilen. Ich beneide Cadi manchmal, weil sie in der Lage ist, etwas fernab von Mitleid und Schmerz zu fühlen.

Ganz im Gegensatz zu mir ... Denn Schmerz ist zu meiner Realität geworden.

„Wir sorgen dafür, dass du wieder auf die Beine kommst, denn dafür sind wir da! Immerhin sind wie Freundinnen."

„Beste ... Freundinnen ..." Das klingt so makaber aus ihrem Mund, dass wir beide lachen müssen. „Gott, wer hätte gedacht, dass ich das jemals sagen würde."

„Ich hatte noch nie eine beste Freundin." Was nicht sonderlich schwer gewesen ist, da ich nie Menschen in meinem Leben gehabt habe, die ich hätte als ‚Freunde' titulieren können. Und jene, von denen ich angenommen habe, sie wären so etwas Ähnliches wie meine Freunde, sind nach einer Weile auf wundersame Weise verschwunden.

Verrückt, oder? Zu Beginn habe ich alles an diesem Ort gehasst. Welch Ironie, dass ich mich noch nie irgendwo wohler gefühlt habe, als hier in Hellswood.

Cadi nimmt meine Hand und betrachtet sie für einige Minuten, ohne dabei etwas zu sagen. Dann atmet sie tief durch und blickt zur Decke hinauf, woraufhin weitere Tränen über ihre Wangen gleiten. Allmählich färben sich Cadis Augäpfel in ein müdes Rot.

„Tilly ... Versprich mir bitte eins ..." Sie holt tief Luft, ehe sie fortfährt. „Wenn ich es nicht schaffen sollte, sorg bitte dafür, dass Nathalie befreit wird."

Ich umschließe ihre Hand mit meiner.

„Ich verspreche es dir nicht nur, sondern ich schwöre es dir. Bei dem Leben meiner Mutter." Und noch während ich die einzelnen Worte über meine Lippen kommen lasse, merke ich, dass dieser Satz mir mehr wehtut, als die Tatsache, dass ich sie in Ungewissheit zurückgelassen habe. „Wasch dein Gesicht. Ich habe hier einen Kosmetikbeutel platziert, falls es irgendwelche Beauty-Notfälle gibt. Bedien dich ruhig und nimm dir die Zeit, die du brauchst." Ich zwinkere ihr zu. „Und dann komm erhobenen Hauptes wieder raus auf die Party. Ich weiß, du schaffst das. Ich kenne keine stärkere Person als dich. Also enttäusch mich nicht, ja?"

Sie schluckt schwer und nickt dabei. Dann geht sie in Richtung Waschbecken und stützt sich ab. Sie sieht mir durch den Spiegel in die Augen und ich weiß in diesem Moment genau, was sie mir mitteilen möchte. Also verlasse ich, ohne ein weiteres Wort zu sagen, das Badezimmer und schließe die Tür hinter mir.

Draußen treffe ich dann auf Askan, der mich mit besorgter Miene mustert.

„Ist Cadi da drinnen?", möchte er wissen. Ich nicke nur knapp. „Okay, ich sehe mal nach ihr und ..."

„Halt, warte", unterbreche ich ihn und greife dabei nach seinem Oberarm. „Gib ihr einen Moment, ja? Sie ist okay ... Ich habe eben mit ihr gesprochen. Ist alles nur ein Bisschen viel für sie."

Er beißt sich auf die Unterlippe und presst dabei die Luft aus seinen Lungen.

„Okay. Dann werde ich einfach hier auf sie warten."

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Dimmed Lights - Everyone has an IssueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt