V - Die letzte Meile

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Ein starkes Ruckeln, welches vermutlich durch eine scharfe Kurve ausgelöst wurde, durch welche der Zug gefahren sein mag, weckte mich aus meinem tiefen schlaf. 

Ich befand mich in einer Art Zimmer. Allerdings wieder in Katzengröße. Ich war nicht mehr bei Aron oder Mia. Ich war wieder hier. In der Katzenhölle. Ich rappelte mich auf und verließ das Zimmer durch die Tür, welche zu meinem erstaunen nicht abgeschlossen war. Als ich das Zimmer verließ, stand ich unerwarteterweise in einem Wohnzimmer einer jungen Katzen-Dame. Sie hatte gepflegtes, helles, graues Fell, welches durch ihre weißen Pfötchen und der weißen Brust untermalt wurde. Hingegen stand ich mit verdreckten Pfoten direkt auf ihrem Teppich. 

» Hey, du bist ja wach. «

sagte sie ganz erstaunt. Verblüfft starrte ich sie an, was vermutlich aus ihrer Sicht sehr komisch aussah. 

» Kannst du reden? «

fragte sie mich während sie von ihrem Sofa sprang und auf mich zuging.

» Ehm. J- Ja klar kann ich sprechen. «

gab ich stotternd zur Antwort. 

» Du bist direkt vor meiner Haustür eingeschlafen, da dachte ich mir, gebe ich dir lieber ein Bett als den harten Boden. «

» A-aber wie hast du mich ins Bett bekommen? «

» Hehe, das war ganz einfach. Hier in diesem Zug ist alles magisch. «

» M- Magisch? «

fragte ich verwirrt. 

» Ja, ganz recht. Ich schätze mal du bist neu hier. Schön dich kennenzulernen. Mein Name ist Mala. «

» Krone. «

» Krone? Ist das dein Name? Krone... «

» Ja, genau das ist mein Name. «

» Gefällt mir. Sag mal, warum bist du hier? «

» Ich will zum Herzen«

antwortete ich ihr mit einem hauch Peinlichkeit.

» Zum Herzen also... Schade. «

» Schade? «

» Naja, da kann ich leider nicht mitkommen. «

» Oh, achso? «

Mala öffnete die Tür und ging hinaus. Dabei deutete sie an, dass ich ihr folgen solle. Ich verließ das Haus. Noch immer waren wir auf der 8. Etage des Katzenzuges. Nur schien es inzwischen Nacht geworden zu sein. 

» Weißt du, viele Reisende betreten diesen Zug auf ihrer letzten Meile. Und... Naja, da du noch sehr jung bist, dachte ich dass du vielleicht nicht auf Reise bist. «

» Was willst du mir damit sagen, Mala? «

» Ich war lange Zeit alleine. Die Dunkelheit in diesem Zug frisst einen auf. Es gibt kaum Licht. Alle die hier sind haben sich irgendwann mal zum freien Leben entschieden. Naja. Frei heißt nicht gleich fröhlich, weißt du? Ich vermisse die Gesellschaft. «

» Ich verstehe... «

Mala ging einige Schritte in Fahrtrichtung, bevor sie erneut zum sprechen ansetzte. 

» Wir sind bald da, Krone. «

» Da? «

» Am Herzen. «

Irgendwie wurde ich traurig. Ich wollte mehr über Mala erfahren. Sie hatte etwas einzigartiges. Diese Aura. Sie war eine starke Frau, aber ohne Lebenslust. Innerlich wollte ich ihr etwas geben, aber ich wusste, dass ich nichts hatte und selbst wenn, ich konnte nicht. Ich war nur ihr Wegbegleiter, nicht aber in ihrer Welt. Der Zug wurde langsamer. 

» Sag mal Krone. «

fing sie an.

» Wie war dein Leben? «

Ich musste einen Moment lang nachdenken.

» Naja, es war. Gut glaube ich? «

» Hattest du eine Familie? Menschen? «

» Ich denke schon. Aron und Mia... «

» Vermisst du sie? «

fragte Mala ungeschohnt.

» Ja. «

zögerte ich. 

» Ja ich vermisse sie. Verdammt ich will nicht gehen. «

Ich konnte mich nicht zurückhalten. Die Tränen schossen aus mir wie aus einem Wasserfall. Ich wusste was mich am Ziel erwartete. Ich wusste auf welcher Reise ich war. Ich wusste was ich verloren hatte. Ich wusste, dass ich nie mehr zurück konnte. Ich hatte Angst. Mala kam auf mich zu und kuschelte sich an mich. Sie versuchte mir Trost zu geben. 

» Ich verstehe dich Krone. Ich verstehe dich. «

Wir blickten auf die im dunklen leuchtende Stadt, während die Bremsen des Zuges einsetzten. 

» Hey Krone, ich werde dich vergessen. «

» Was? «

antwortete ich geschockt.

» Die Reisenden. Man vergisst sie hier. Sie waren nie da. Sie werden nie da sein. Das ist eine andere Welt. Also bitte tu mir einen gefallen. Und vergiss du mich nicht. «

Der Zug blieb stehen und beinahe auch mein Herz. Ich war wie gelähmt. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. 

» Leb wohl Krone. «

» MALA! «

schrie ich ihr zu. Aber vergebens. Sie konnte mich bereits nicht mehr hören. 

» MALA! ICH VERGESSE DICH NICHT! ICH VERSPRECHE ES! «

Die Reise zum HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt