oddinary; number one

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Zitternd atmete Felix ein und aus, seine Hand umklammerte sein metallenes Schloss fest, ihm war schwindelig und schlecht.

Wie konnte das möglich sein? Dieser Mann konnte nicht der sein, für den Felix ihn hielt. Wenn es wirklich Yang Jeongin sein sollte, dann war Felix einem Menschen begegnet, der seit mehr als ein paar Monaten wie vom Erdboden verschluckt war.

Leicht hysterisch begann er, den Kopf zu schütteln, wie um seine Gedanken durch Schleuderkraft zum Stillstand zu bringen. Er konnte nicht- das war nicht wahr, er bildete sich das alles nur ein. Er würde aufwachen und er würde wieder in der Kälte Seouls liegen, auf einer der beheitzten Bänke an einer Bushaltestelle, vielleicht auch auf einer Wiese im Park. Überall war es besser als hier.

Seine Beine fühlten sich an wie warme Butter, als er sich aufrappelte und wie alkoholisiert aus dem Raum wankte. Er bemerkte nicht, dass der andere Mann im Raum nicht länger da war. Es wäre ihm vermutlich auch gleich gewesen - alles was er wollte war, seinen Raum zu finden und sich schlafen zu legen.

Und doch konnte er es nach dieser Begegnung nicht länger verhindern, dass sich die Fragen in seinem Kopf formten, welche nur darauf gelauert hatten, dass sein Widerstand und sein Gutglaube schwach wurden.

War es utopisch, dass er sich immer noch Hoffnungen machte, hier rauszukommen? Wer war der Mann mit der Kappe, und warum schritt die Zeit in diesem Gebäude anders voran als an allen anderen Orten? Und warum, warum war auf dem Kuchen ein Bild von ihm, Felix, gewesen?

Verlor er nun den Verstand? Hatte er doch zu lange in der Kälte gesessen? Hatte er sich Yang Jeongin sicher nicht eingebildet?

'Nein', flüsterte ihm eine leise Stimme in seinem Kopf zu, 'Nein, du hast dich nicht geirrt, Lee Yongbok.'

Fest drückte er seine Fingernägel in die Haut unter seinem Handgelenk, um das Zittern zu unterdrücken, dass seinen Körper erschütterte.

'Lee Yongbok', zischte die Stimme wieder, und Felix fragte sich träge, wann er zum letzten Mal seinen Geburtsnamen vernommen hatte. Es fühlte sich unendlich lange her an, unendlich weit weg.

Und vielleicht bildete er sich all dies nur ein, doch die Stimme begann immer mehr nach der seiner Mutter zu klingen.

Seine Probleme waren auf einmal vergessen. Seine Gedanken drehten sich wie Watte um längst vergangene Tage, Tage, an denen er glücklich war.

Tage, an denen er dachte, er könne für immer ein glückliches Kind bleiben, und so lange spielen, wie es ihm gefiel.

'Lee Yongbok', machte es, und es klang nicht länger wie ein leises, sanftes Flüstern - hatte es das je getan?- sondern lauter, wütender. Genau so, wie seine Mutter schon immer mit ihm gesprochen hatte.

"Nein", flüsterte Felix leise in die Stille hinein, "Nein!"

Zitternd und keuchend schüttelte er den Kopf, wollte noch etwas länger an den schönen Gedanken festhalten, welche langsam aber sicher von seinen echten Erinnerungen überschattet wurden.

"Nein, lass mich", murmelte er fiebrig und wusste selbst nicht so ganz, wen er meinte. Seine Mutter, welche ihn nun auch noch durch seine Erinnerungen peinigte, oder doch einen anderen. Es schien nicht wichtig.

Als Felix es schaffte, die Augen zu öffnen, blickte er auf schwarzen Boden, welcher vor seinen Augen tanzte und flimmerte, während sie sich an das schwache Licht gewöhnten, welches den Gang vor ihm nur spärlich beleuchtete.

𝗼𝗱𝗱𝗶𝗻𝗮𝗿𝘆; eyes full of fear | skzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt