3

22 7 1
                                    

Lina

    „Ok, nur mal für mich zum Verständnis. Julie ist Jeanne d'Arc, zumindest neuerdings und aus Gründen, die sie selbst nicht verstehen, hat sie sie nicht nur vollständig ersetzt, sondern war überhaupt gar nicht dafür vorgesehen. Die eigentliche Kandidatin ist verschwunden und jetzt wissen Sie nicht, wie man das gegen den freien Willen der Menschen wieder in Ordnung bringen soll?"

Gott seufzte:

    „Eine präzise Zusammenfassung. Sie ist korrekt."

Lina, die mittlerweile ruhelos durch das Wartezimmer des Todes lief, warf dem Allmächtigen einen missmutigen Blick zu:

    „Und was genau ist jetzt meine Rolle in diesem Spiel?"

    „Da wir an der Tatsache von Julies Rolle nichts mehr ändern können, ist eine Reise in diese Zeit unerlässlich. Du musst deine Tochter finden, sie zur Vernunft bringen und dafür sorgen, dass sie ihre Rolle erfüllt."

Freudloses Lachen brach aus Lina hervor:

    „Ich soll meine Tochter zur Vernunft bringen? Haben Sie sie schon einmal beobachtet? Das Schaffe ich ja noch nicht einmal in meinem eigentlichen Leben."

    „Es muss funktionieren."

    „Und wenn nicht?"

Gott, der sich wieder in der Gestalt Morgan Freemans befand, erhob sich und strich sein weißes Jackett glatt. Seine Stirn lag in sorgenvollen Falten:

    „Ich fürchte, das ist keine Option. Es ist dabei nur ein Teil der Aufgabe. Während du dich um Julie kümmerst, liegt es an mir, herauszufinden, warum dieser schreckliche Fehler geschah. Die verschwundene Seele, das Ersetzen des vorhandenen Körpers. Das sind Ereignisse, die in dieser Form noch nie stattgefunden haben."

Nun ließ Lina einen Seufzer hören. Ihre innere Anspannung wuchs:

    „Ja, gut. Meine Auswahlmöglichkeiten sind ja reichlich eingeschränkt. Und wie funktioniert das Ganze?"

Anstelle einer Antwort schnippte Gott erneut mit den Fingern. Wieder verwandelte sich die Umgebung und Lina wurde schwindelig:

    „Diese Art zu reisen gefällt mir gar nicht."

Der Allmächtige ging nicht auf den Kommentar ein. Sie standen in einem schmucklosen Zimmer mit wenigen Möbeln, welches offenbar auf Funktionalität ausgelegt und leidlich bequem wirkte. Beherrscht wurde der kleine Raum von einem Bett und einem grob gezimmerten Schrank. Linas Begleiter ergriff das Wort:

    „Hier sind wir in Vaucouleurs. Es ist der zwölfte Februar vierzehnhundertneunundzwanzig. Jeanne d'Arc kehrte soeben von einer Reise nach Nancy zurück, wo sie beim Herzog Karl II von Lothringen eine Audienz hatte. Robert de Baudricourt, der Verwalter der Stadt, glaubt ihr nicht, dass sie sich auf einer göttlichen Mission befindet und verweigerte ihr bisher ein Treffen, sowie eine Eskorte zum französischen Thronfolger, dem Dauphin Karl VII, nach Chinon. Doch zwischenzeitlich hat er Nachrichten erhalten, die seine Meinung änderten. Er wird die junge Frau empfangen. Es ist äußerst wichtig, dass Jeanne ihm heute die Niederlage der Franzosen bei Rouvray voraussagt. Diese Prophezeiung überzeugt de Baudricourt davon, Julie zum Dauphin zu schicken. Der wird sie einer eingehenden Prüfung unterziehen. Ich befürchte, in Verbindung mit ihrem Charakter wird das noch ernste Schwierigkeiten mit sich bringen."

Das waren ja einige Informationen. Lina runzelte die Stirn:

    „Meine Güte, wie soll ich mir das denn alles merken?"

Gott tippte ihr mit einem Finger an eine Schläfe und sofort erfüllten sie sengende Kopfschmerzen. Sie dauerten nur Sekunden, verschwanden wieder und hinterließen bei Lina ein Druckgefühl im Kopf:

1429 - Was, wenn Gott einen Fehler macht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt