Das Herz schlug ihm bis zum Hals. So leise wie möglich drückte er die Tür in einer unauffälligen Nische zu, aus der er dieses höchst eigenartige Gespräch belauscht hatte. Ein wenig zitternd stütze Bernard sich an eine raue Steinmauer und atmete mehrmals tief ein. Die muffige Luft des alten Gemäuers füllte seine Lungen. Der junge Priester versuchte, die Situation einzuordnen. Die Priesterweihe lag noch nicht lange zurück und diese Geschehnisse überforderten sein Wissen.
Er war nicht nur Zeuge der Entführung einer Hexe, sondern eines Kampfes, eines Mordes und des Anblickes einer übernatürlichen Lichtgestalt, welches das Mordopfer hat wiederauferstehen lassen. Nachdenklich rieb sich der Mann mit den Handballen über die Augen und überlegte, ob diese Vorgänge möglicherweise nur Einbildung waren. Nein, dafür waren sie auf ihre eigene Art zu real. Es gab Gerüchte ob der Erscheinung von göttlichen Wesen, aber dass er selbst einmal ein solches sehen würde, hätte Bernard sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. In Anbetracht der Aussagen, die dort soeben gefallen warne, rückte diese Lichtgestalt trotzdem in den Hintergrund. Seine Hänge fuhren mehrmals durch das dunkle Haar. Diese Gestalt sprach über großes Unglück, welches sich scheinbar anbahnte und das die Frau, die dort auf dem Platz soeben vermeintlich verblutet war, alles in Gefahr brachte. Auch wenn Bernard sich nicht sicher war, ob er diese Dinge verstand, sah er es als seine Pflicht, sofort dem Bischof diese Informationen zu überbringen. Das Oberhaupt der hiesigen Kirche wusste hoffentlich Rat.
Kaum zwei Schritte hatte er geschafft, da schien plötzlich die Zeit stillzustehen. Die nüchterne Atmosphäre des Raumes wich einer gewissen Anspannung und innerhalb eines Wimpernschlages erfüllte gleißendes Licht die Kammer. Die Anwesenheit purer Macht ließ Bernard erstarren und ehrfürchtig abwarten, was als Nächstes passierte. War die Stimme, die jetzt in seinen Ohren dröhnte, dieselbe, die soeben auf dem Platz erklungen war? Er zweifelte. Sie wirkte deutlich dunkler, bedrohlicher:
„Priester, warte!"
Dieser Befehl war im Grunde unnötig, da Bernard sich völlig außerstande sah, auch nur einen Fuß vor den Anderen zu setzen. Seine Stimme war kaum mehr als sein Flüstern:
„Wer seid ihr?"
„Das ist unwichtig. Entscheidend ist jetzt dein Handeln. Der Plan, den Bischof zu informieren, ist nicht genug. Der Stadthalter benötigt dieses Wissen. Du musst verhindern, dass er mit dieser Hexe spricht. Wenn dir das gelingt, wirst du den Fortbestand der Welt sichern."
„Aber ..."
Ein intensiver Lichtblitz wurde von einem kräftigen Donnerschlag unterstrichen, der vermutlich nur in diesem Raum zu hören war:
„Genug. Wage es nicht, mir zu widersprechen. Du hast eine Aufgabe, führe sie aus. Verhindere das Gespräch mit dem Stadthalter de Baudricourt und der Plan des Allmächtigen wird seinen Weg fortsetzen!"
„Und wie überzeuge ich den Stadthalter, mir zu glauben? Ich bin nur ein Priester."
„Diskreditiere die junge Frau. Die Hexe. Wenn es dir nicht gelingt, ist es an dir, dieses Gespräch zu verhindern."
„Aber wie?"
„Töte sie und ihre Begleiter. Solltest du bei dieser Aufgabe versagen, erwarte den Zorn deines Herrn."
Das Licht verschwand und ließ einen geschockten Bernard zurück, der mit den gebotenen Alternativen überhaupt nicht glücklich war. Doch der Befehl des Engels, denn um einen solchen musste es sich handeln, war eindeutig und notfalls würde er diese rothaarige junge Frau ermorden. Das war der Wille Gottes.
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1429 - Was, wenn Gott einen Fehler macht?
أدب تاريخيLina ist ziemlich überrascht davon, sich nach einem schweren Autounfall unverletzt in einem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer wiederzufinden. Die Überraschung weicht aber schnell Bestürzung, als sie Gott höchstpersönlich gegenübersteht, der ih...