Chapter 2

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Es gab nur uns, auf der kalten, nassen Straße. Der Regen hatte sich über uns gelegt, als wir am Zielort ankamen. Tiara blieb noch einen Augenblick lang sitzen. Ich schaute zu ihr rüber, sie hatte geweint. Die Situation war beschissen. Wir hatten uns wieder gestritten und trotzdem musste ich jetzt für sie da sein. Doch, wie weit ich das konnte wusste ich nicht, aber ich würde es versuchen.

Wir stiegen also aus und gingen in die Richtung, aus der uns eine junge Frau entgegen kam. Als wir näher kamen, sah man sofort, die beiden waren verwandt.
Tiara streckte die Hand aus und ihre Cousine ergriff sie.

„Du siehst deinem Vater sehr ähnlich.", sagte sie und lächelte freundlich. Wir gingen in das kleine Kaffee, welches hier gleich um die Ecke lag.
Ich bestellte uns etwas und wir setzten uns in eine kleine gemütliche Ecke.
Die beiden unterhielten sich eine Weile, während ich mit meinen beiden Töchtern schrieb.
Sie wollten unbedingt am Wochenende herkommen und ich sollte sie abholen. Ich war erleichtert. Wir hatten uns eine Weile nicht gesehen. Der Zeitpunkt war nur leider ungünstig. Trotzdem, es würde mich wirklich sehr freuen.

Carmen erzählte uns, dass Tiaras Vater starb, als sie noch sehr klein war. Ein Autounfall, wie es schien. Tiara wusste nichts davon, dementsprechend nahm es sie ziemlich mit. Ich legte meine Hand auf ihr Bein und versuchte sie zu trösten. Eine Geste, welche sie natürlich sofort unterbrach. Wozu ich nun mitkommen sollte, konnte ich beim besten Willen nicht sagen.

Sie unterhielten sich weiter, während ich in unserer Wachgruppe nach dem Rechten sah.
Zwei unserer Mitarbeiter kotzten sich so richtig aus, was mich schmunzeln ließ. Der neue Sanitäter war wohl ziemlich unfähig.
Ich schrieb einen passenden Text dazu und bestellte mir noch schnell einen Kaffee. Eine Junge Frau stolperte hinein, sturzbetrunken, winkte die Frau von der Theke zu sich und lallte wie verrückt, ehe sie nach hinten kroch. Amüsant war es auf jeden Fall.
Tiara stieß mich an.
„Was ist los?"
„Kannst du deine Arbeit bitte Mal Zuhause lassen?"
Ich legte mein Handy auf den Tisch und versucht dem Gespräch zu folgen. Aber ehrlich gesagt, ich war nicht bei der Sache. Ich wusste nicht Mal, wieso ich überhaupt mit ihr hier war. Ich hatte so gut wie keine Ahnung von ihrem Leben, welches sie so akribisch versuchte vor mir zu verstecken. Wir kannten uns ewig, und doch hatte es den Anschein, als hätten wir uns erst vor einer Woche kennen gelernt.
Tiara war außer sich, als sie erfuhr, dass sie noch weitere Verwandte hatte. Bislang hatte sie immer nur die Vermutung, dass nur noch ihre Mutter existierte, so wie sie es ihr halt gesagt hatte. Nun, es war doch so und Tiara kotzte es sichtlich an. Trotzdem, sie unterhielt sich weiterhin angestrengt mit ihr.
Die Junge Frau vom Tresen ging hektisch zum Telefon und stammelte etwas vor sich hin. Ich schaute zu ihr und sie rief nach einem Jungen Mann, der aber anscheinend gerade nicht da war.
Tiara stieß mich an und stand auf.
„Wir gehen.", sagte sie und ging voraus. Ich stand ebenfalls auf und hörte, wie die Dame den Notruf am Hörer hatte. Ich blieb stehen und bat sie, den Hörer kurz beiseite zu legen, um mir zu sagen was los ist.
„Ich bin Notfallsanitäter, kann ich helfen?"
Sie nickte wild und deutete mir an ihr zu folgen.
„Tiara, wir treffen uns gleich draußen am Auto.", sagte ich und ging hinterher.
Hinter der Küche, gingen wir durch den Hof ins nächste Gebäude. Im Treppenhaus angelangt, sah ich die junge Frau von eben. Sie lag auf dem Boden.
Ich kniete mich neben sie und erfühlte ihren Puls. Die Atmung war auch soweit okay, aber sie war weggetreten.
„Miss, können sie mich hören?"
Sie versuchte die Augen zu öffnen und griff nach meinem Arm.
Ich half ihr auf und setzte sie auf die Treppe.
Ich sah zu der Bardame rüber und bat sie, mir ein Glas Cola und ein Glas Wasser zu holen.
„Sie haben sehr viel getrunken. Ich werde Ihnen gleich etwas normales zu trinken geben."
„Passt..schon.."
„Würde es passen, dann wären sie wohl allein in ihre Wohnung gekommen. Aber aufgrund der Umstände, werde ich sie wohl gleich nach oben begleiten."
„Nicht nötig.."
Sie packte das Geländer und versuchte aufzustehen, aber sie war zu betrunken. Sie fiel nach vorn und mir direkt in die Arme.
„Sorry.. "
Ich setzte sie wieder hin und reichte ihr das Glas Cola, welches die nette Dame soeben gebracht hatte.
„Trinken Sie, es wird Ihnen etwas besser gehen."
Sie nahm es an und trank es in einem Zug leer.
Ich reichte ihr noch das Wasser und wartete einen Augenblick.
„Brauchen sie noch Hilfe?"
„Nein danke, ich werde sie gleich in ihre Wohnung begleiten.", sagte ich dankbar. Sie nickte, gab mir noch die Info, dass das Betrunkene Mädchen im letzten Stock wohnte und der Ersatzschlüssel unter der Fußmatte kleben würde.

Tiara kam durch die Tür und starrte uns an.
„Ich will nach Hause."
„Gleich, ich werde ihr noch nach oben helfen."
Sie schaute mich von oben herab an, als wollte sie mir an die Gurgel springen wollen.
„Du hast Frei. Kannst du nicht einmal das tun, was du tun sollst?", fauchte sie los und kam einen Schritt näher.
Hinter mir legte sich eine Hand auf meine Schulter. Tiara schaute richtig aggressiv zu mir rüber.
„Sie kommt gleich.", hörte ich eine tiefere Stimme sagen. Sie hatte sich aufgerafft und stand direkt hinter mir.
„Weißt du was? Mach doch was du willst. Ich nehme mir ein Taxi und du bezahlst das. Und wenn du später nach Hause kommst, dann kannst du dich danach gleich wieder verpissen.", schrie sie und ging hinaus. Kurz blieb ich still. Das war mir sehr unangenehm, aber sie reagierte gelassen.
„Manche Menschen sind einfach unerträglich.", sagte sie langsam und hielt sich an mir fest.
Ich drehte mich zu ihr um und griff ihr unter den Arm. Zusammen machten wir uns auf den Weg nach oben.

„Willst du mit rein kommen?", fragte sie ruhig und hielt die Tür auf. Ich zögerte einen Moment, entschied mich dann aber dafür.
Ich half ihr in die große Küche, die am Ende des Flurs lag und setzte sie auf einen Hocker.
Sie sah ziemlich mitgenommen aus.
„Hast du Gläser?"
Sie zeigte auf den Schrank über der Spüle. Ich nahm eins, Schank ihr Wasser ein und stellte es ihr hin.
„Geht's langsam?", fragte ich und half ihr aus ihrer Jacke.
Sie sah mich eindringlich an. Ich verstand zuerst nicht weshalb, aber als ich nach unten sah, wurde mir bewusst, dass der Alkohol nicht ihr einziges Problem war.
„Du bist verletzt.. ", stellte ich fest und nahm ihre blutige Hand von ihrem Bauch.
„Es ist nichts.. ", murmelte sie und stand langsam auf. Ich folgte ihr ins Badezimmer.
Sie zog ihr Shirt aus und setzte sich auf den Rand der Eckbadewanne.
„Lass mich das anschauen."
Sie nickte und nahm ihre Hand weg. Ich beugte mich runter und schaute es mir an.
Es blutete immer noch.
„Hast du einen erste Hilfe Kasten?"
„Im Flur in der Kommode."
Ich ging und holte ihn. Es war eigentlich ein Erste Hilfe Besteck aus einem Krankenhaus. Also eigentlich perfekt, aber auch gruselig.
„Arbeitest du in einem Krankenhaus?"
Sie schüttelte den Kopf.
Ich nahm mir Handschuhe raus und schaute es mir nun genauer an.
„Es war ein Messer.",sagte sie und schaute mir zu.
„Du solltest mit mir ins Krankenhaus fahren."
Sie schüttelte den Kopf und wurde unruhig.
„Nein, ich möchte lieber nicht. Kannst du es versorgen?"
Mir war nicht wohl dabei, aber schien nicht besonders tief zu sein, also würde ich es ihr versorgen.
Ich schaute in den Kasten und fand was zum säubern und zum nähen.
„Es wird etwas brennen. Wenn ich es sauber gemacht habe, dann werde ich es nähen. Ist das okay?"
„Ja.."
Sie schaute mir die ganze Zeit dabei zu, während ich ihre Wunde versorgte und anfing diese zu nähen.
Sie bewegte sich kein Stück.
Als ich fertig war, säuberte ich den Bereich erneut und klebte ihr ein Steriles Pflaster drauf.
„Danke.", sagte sie und stand auf.
Ich räumte den Kram noch weg und folgte ihr dann in ihr Schlafzimmer.
Sie saß auf dem Bett und war sichtlich müde.
Ich zog ihr die Schuhe aus und wartete, bis sie sich hingelegt hatte.
„Ich werde jetzt gehen. Aber falls irgendwas ist, dann kannst du mich anrufen. Ich werde dir meine Nummer auf dem Küchentisch liegen lassen, okay?"
„Du kannst bleiben, wenn du nicht nach Hause zu deiner Freundin willst."
„Das ist sehr nett, aber ich sollte gehen."
Sie nickte wieder und blieb dann still. Ich stelle ihre Schuhe noch schnell bei Seite, schrieb ihr meine Nummer auf und legte sie auf den Tisch, bevor ich dann ging.

Auf dem Weg nach Hause ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf.
Die kleine Blondine, deren grüne Augen mich förmlich durchbohrten, waren mir irgendwie vertraut. Es klingt seltsam, aber ich fühlte mich zu ihr hingezogen, auf eine Art, wie ich es nicht kannte.
Ich hoffte also, dass es ihr gut gehen würde und sie die Nacht überstehen würde.

Zuhause angekommen nahm Tiara mich direkt in Empfang.
Sie knallte die Tür zu und hielt mir einen Brief hin.
„Das sind die Unterlagen für die Hochzeit. Wenn du das noch willst. Du hast ja anscheinend mal wieder eine andere Hure gefunden."
Ich rollte nur mit den Augen und ging ins Wohnzimmer. Diese Gespräche mit ihr waren ermüdend.
„Sie hat Hilfe gebraucht."
„BULLSHIT! ICH BRAUCHE DEINE HILFE.", Schrie sie und schubste mich gegen die Tür.
Sie war außer sich vor Wut.
„Du solltest Vorsichtig sein.", erwiderte ich und wollte an ihr vorbei gehen, aber sie hielt mich fest.
„Du bist nichts besseres, nur weil du anderen hilfst. Ich will nicht, dass du diese Person nochmal siehst."
Ich fing an zu lachen. So hatte sie noch nie reagiert und es machte mich ehrlich sprachlos.
Ich ließ sie stehen und ging in den Flur um zu gehen. Hier wollte ich heute Nacht auf keinen Fall bleiben.
„Wohin willst du?"
„Mir egal, aber weg von dir.", sagte ich und ging hinaus in den Regen. Sie fluchte noch weiter, aber ich hörte nicht mehr zu. Es war einfach zu viel und ich musste dringend etwas Abstand gewinnen.
Wie immer ließ ich mich im Auto nieder und fuhr einfach los.
Ich würde zu einer Freundin fahren und hoffen, dass ich wenigstens mal eine Nacht Ruhe bekäme..

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