Ein aufschlussreicher Arztbesuch

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~am nächsten Morgen

pov Jule

Ich startete den Morgen mit dem üblichen Gefühl im Magen. Mit dem Gefühl mich sofort übergeben zu müssen. Der Fakt, dass mein Verlobter nicht hier war, um mir beizustehen machte die Lage nicht wirklich besser. Ich wusste, dass ich dran schuld war, dass er gegangen war und dass ich ihm dankbar sein sollte, dass er meine Anweisung befolgt hatte, aber jetzt war ich mir nicht mehr so sicher, ob das die beste Idee war, da ich ihn gerade in dieser Situation sehr gut an meiner Seite gebrauchen könnte. Ich musste mich bestimmt noch eine halbe Stunde übergeben, ehe sich mein Magen allmählich beruhigt hatte. Doch die Stille hielt nicht lange, da sie sogleich durch mein unkontrollierbares Schluchzen unterbrochen wurde. Ich konnte nicht damit aufhören, obwohl ich mich gestern doch schon in den Schlaf geheult hatte. Wie konnte ich überhaupt noch Tränen übrighaben? Ich bin, nachdem Kai gegangen war, nicht mehr aufgestanden. Denn sogar dazu hatte ich zu wenig Kraft. Ich war also nach gefühlten Stunden endlich weinend eingeschlafen und bin dann trotzdem immer wieder aufgewacht, da ich es einfach nicht mehr gewöhnt war, alleine zu schlafen. So peinlich es vielleicht klingen mag, konnte ich mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal ohne Kai in meinem Bett eingeschlafen war. Ich liebte es einfach in seinen Armen einzuschlafen und meinen Kopf auf seine Brust zu betten. Sein Herzschlag konnte mich dann immer beruhigen und brachte mich zum Einschlafen, egal welche Gedanken zuvor noch durch meinen Kopf geschwirrt waren. Schon wieder flossen mir Tränen die Wangen hinunter, die ich nicht kontrollieren konnte. Es tat so verdammt weh zu wissen, dass ich die Liebe meines Lebens, vielleicht für immer verloren hatte.

In diesem Moment realisierte ich, dass ich alleine war. Ich hatte niemanden mehr. Kai war mein ein und alles. Er war die einzige Person, die mich in einer solchen Situation beruhigen hätte können. Ich brauchte ihn in meinem Leben. Ich fühlte mich gebrochen und bedeutungslos ohne ihn. Er war meine bessere Hälfte. Er war all das, was ich nicht war. Wir ergänzten uns einfach perfekt. Ich brauchte ihn doch vor allem jetzt, wo ich ja sogar sterben konnte, oder was weiß ich, was zurzeit mit mir los war. Vielleicht war ich ein bisschen zu dramatisch, aber es fiel mir schon selbst auf, dass meine morgendlichen Besuche im Badezimmer nicht mehr normal waren und auch meine ständigen Stimmungsschwankungen waren mir aufgefallen. Ebenso wie mein ständiges Geheule, das mich übrigens fast noch mehr störte als die Übelkeit, da die mich meist nur in der Früh begleitete. Ich musste mich zwar deshalb jetzt schon öfter mal vom Training abmelden, weil es einfach nicht ging und ich mich zu schwach fühlte, aber das war mir noch lieber, als wenn ich mitten im Training zu weinen beginne, weil ich eine gute Vorlage nicht genützt habe. Ich hatte ernsthaft zu heulen begonnen, weil ich bei einem Trainingsspiel, einem verdammten Trainingsspiel, ein Tor nicht gemacht habe. Fragt mich nicht wie ich das meinem Trainer erklärt habe. Ich weiß es nicht. Auch Kai und meine anderen Mitspieler waren mehr als verwirrt gewesen. Wäre das nur das einzige Mal gewesen, hätte ich es womöglich noch auf einen anderen Grund schieben können, aber ich hatte bereits einen Tag zuvor in der Kabine geheult, weil ich unabsichtlich Kais zweites Paar Fußballschuhe eingepackt hatte und meines zuhause vergessen hatte. Während meines Heulkrampfs hatte ich die Tatsache, dass ich ja eh noch immer Ersatzschuhe in meinem Spind hatte, total verdrängt. Aber für einen kurzen Moment hatte ich sogar wirklich mit dem Gedanken gespielt, Kai einfach zurück nach Hause fahren zu lassen, um sie mir zu holen. Er hätte es, ohne mit der Wimper zu zucken getan, da war ich mir sicher, denn er umsorgte mich in letzter Zeit ständig. Aber diese Blöße wollt ich mir dann doch nicht geben, da mich damals schon alle in der Kabine angestarrt hatten, als hätte ich nicht mehr alle Latten am Zaun. Zu meiner Verteidigung, die Schuhe in meinem Spind sind wirklich nicht sonderlich bequem, okay. Trotzdem sah ich es nicht ein zum Mannschaftsarzt zu gehen. So tragisch war es ja nun auch noch nicht, oder?

Nachdem ich mich also etwas beruhigt hatte, entschied ich mich dazu Mats anzurufen, um ihm von Kai und meinem Streit zu berichten. Ich brauchte jetzt gerade einfach jemanden, bei dem ich mir sicher war, dass er für mich da war. Normalerweise hätte ich jetzt wahrscheinlich Marco angerufen, da er mein bester Freund war, aber wahrscheinlich war Kai bei ihnen, da Mario seit sie beide hier spielen zu seinem besten Freund geworden ist. Also konnte ich Marco nicht anrufen. Ich hoffe wirklich, dass Mats jetzt gerade nicht zu beschäftigt war, denn er musste einfach kommen. Ich fühlte mich so allein, wie nie zuvor.

Bist du dir sicher? (Bravertz)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt