25.05.
13:47 h
Human - Boy EpicHi Zac,
Erinnerst du dich noch an mich? Ich war das Mädchen, das auf dem Gang immer schüchtern Hi geflüstert hat, oder neben deinem Spind gewartet hat, bis du vorbei kamst, um ein vernünftiges Gespräch mit dir anzufangen, doch ich habe mich nie getraut. Ich stand wortlos neben dir, habe dich bewundert und dir zugesehen, wie du dir die Materialen für die nächste Stunde zusammen gesammelt hast. Manchmal lagen auch kleine Briefchen oder Herzen aus Pappe mit im Spind, was kein Wunder war, schließlich warst du der beliebteste und bestaussehendste Junge im Jahrgang.
Demnach hätte ich nie eine Chance gehabt.
Alles an dir hat mich fasziniert. (Äußerlich; ich war damals noch sehr oberflächlich was das anging.)
Deine strahlend blauen Augen.
Dein muskulöser, durchtrainierter Körper.
Deine braungebrannte Haut.
Deine hellbraunen Sunnyboy-Haare.
Deine wunderbare, raue Stimme.
Du sahst also unglaublich klischeehaft aus, doch du warst DER Surferboy-Traumtyp jedes Mädchens. Alle haben dich vergöttert, doch nicht viele haben dich wirklich gekannt. Ich auch nicht, doch ich hätte gern etwas mehr über dich erfahren, wenn ich nur einmal den Mund aufgemacht hätte, dann wäre heute vielleicht alles anders. Alles wäre anders gekommen und wir zwei hätten bis an unser Lebensende als glückliches Paar zusammengelebt. Doch ich hab meine Klappe ja nie aufbekommen. Mal von dem Geflüstere abgesehen.
Ich bereue so Vieles.
Eigentlich bereue ich fast alles.
Ich bereue mein Leben. Ich hätte es jemandem schenken können, der es verdient hätte zu leben. Irgendeinem armen ausgehungerten Kind in Afrika vielleicht. Doch mein Plan war es schon immer gewesen, mein Leben irgendwann zu beenden.
Ich hätte gerne viel erlebt. Ich wäre viel gereist, hätte einen guten Job gefunden, einen Mann für's Leben und vielleicht sogar Kinder gehabt. Doch dies war nicht mein Schicksal. Ich hätte es bestimmt ändern können, doch vielleicht ist es besser so. Wessen Leben habe ich denn bitte bereichert? Ich war eine Last für meine Eltern, hatte keine anderen Freunde oder Verwandte, die mich schätzten. Mein Leben war schon traurig. Ich war traurig über mein Leben. Vielleicht wäre ja was draus geworden. Mir hat es wahrscheinlich einfach zu sehr an Selbstbewusstsein gemangelt.
Ich wünschte wirklich, ich hätte was aus meinem Leben gemacht. Ich wollte anderen Menschen helfen. Ich wollte endlich mal etwas Gutes tun. Nicht immer nur unnütz sein. Doch aus diesem Traum wurde nichts. Er ist geplatzt, wie eine Seifenblase.
Vielleicht war mein Leben auch eine Seifenblase. Sie ist geplatzt und nichts auf der Welt kann sie zurückholen.
Nichts.-July.
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Left Letters
Teen FictionJuly. Ihre Briefe. 17 Jahre ohne Liebe. Ihre Vergangenheit. Ihre Weltansichten. Ihre kaputte Familie. Ihre Geheimnisse. Die Wahrheit. --- by _xmxly_ 2015