Eins

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Eins


Die Nachricht erreichte mich und breitete sich unter dem Volk aus wie ein Lauffeuer. Der König ist tot. Es war, als würde der Welt der Atem stocken, für den Bruchteil einer Sekunde, herrschte absolutes Schweigen. Die Ruhe vor dem Sturm. Und dann brach das Chaos aus. Menschen liefen durcheinander, Rufe durchbrachen das Munkeln der Menschenmenge und Sorgen wurden lauthals geäußert. Der König, Seraphin Aleidis hatte keinen Erben. Der Thron stand leer.

Sobald die Kälte meinen Körper wieder freigab und ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, begann ich mich durch die Menge zum Tempel zu schieben. Anders wie sonst, namen die Menschen keine Notiz von mir und drängten sich auch nicht zusammen um mir Platz zu machen. Dennoch bereitete es mir kaum Schwierigkeiten meinen Weg zu finden. Ich hastete die Straßen entlang, den Blick fest auf den riesigen Tempel des Königs geheftet. Ich musste mich vergewissern, dass die Gerüchte stimmten, dass er diese Welt tatsächlich vorzeitig verlassen hatte. Er war ein Guter König gewesen, ich hatte ihn kaum gekannt, aber wenn ich ihm begegnet war, hatte er es stets gepflegt, ein Lächeln auf den Lippen zu tragen. Unter seiner Herrschaft, hatte es immer nur Zufriedenheit gegeben, sie hatten friedlich mit den Menschen und den Magieren zusammengelebt.

 Nachdem ich die endlosen Stufen zum Tempel hinaufgesprintet war und meinem Lehrmeister still für das harte Training dankte, riss ich rücksichtslos die Flügeltüren zum Tempel auf. Die Flure flackerten düster im Kerzenlicht, doch das war es nicht, was mir eine weitere Bestätigung der Richtigkeit der Gerüchte gab. Mir schlug Totenstille entgegen, als ich die leeren Gänge entlanghetzte, die normalerweise gefüllt mit Menschen aus Adeliger Herkunft waren. Und als ich die Türen zum Thronsaal öffnete, ließ mein Herz einen Schlag aus.

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Meine Kameraden, die Assassinen saßen schweigend an der Hälfte ihres Tisches versammelt, allesamt mit ernsten Mienen und vor Trauer starren Augen. An der anderen Hälfte hatten die Magiere sich niedergelassen. Niemand außer meinem Meister blickte auf, als ich wie angewurzelt an der Tür stehen blieb und mit der Hand das edle Holz umklammerte, bis ich meine Fingerspitzen nicht mehr spüren konnte.

Für einen Augenblick blieb mir die Luft weg und ich hatte das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. Etwas zu Hoffnungsvoll wanderte mein Blick zu dem leeren Thron und blieb dann an einer Gestalt hängen, die auf einem Bett am Rande des Zimmers lag und beinahe so aussah, als würde sie schlafen. Doch dafür, war der König zu leise, die Gesichtszüge mittlerweile zu fahl und es fehlte die Brust, die sich beim Atmen hob und senkte. Meine Knie wurden weich und knickten beinahe unter mir ein. Ich hatte ihn nie wirklich gesprochen auch wenn er ein guter Freund meiner Mutter gewesen war, aber ohne ihn drohte dem Reich der Verfall. Nachdem mein Lehrmeister, Meister Agramon mir mit einem Nicken sein Einverständnis gab tat ich einen Schritt zu der Gestalt des Königs hin. Meine Hand zitterte etwas, als ich diese auf mein Herz legte und meinen Kopf neigte, als ein letztes Zeich meines Respekts und meiner Loyalität zu ihm. Im Nachheinein wusste ich nicht mehr wie ich es überhaupt geschafft hatte, von dort an meinen Platz zur rechten Seite Meister Agramons zu kommen, der Rest des Schweigens und der stillen Worte des Respekts an König Aleidis verschwammen vor meinen Augen.

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Über Nacht tat ich kein Auge zu. Fragen und Sorgen hielten mich von meinem sowieso schon rarem Schlaf ab. Was würde nun passieren? Wer würde den Thron besteigen? Und zu Guter letzt, Warum war König Aleidis verstorben? Bis jetzt hatte er sich bester Gesundheit erfreut. Doch was noch alles Geschehen würde, konnte ich mir beim Besten Willen nicht vorstellen. Am frühen Morgen glitt ich schließlich doch in einen leichten Schlaf über, nur um ein paar Stunden später vom ersten Tageslich geweckt zu werden, das sogar durch die dicken Vorhänge in mein Gemach drang. Ich massierte mir die Schläfen um die Kopfschmerzen von der kurzen Nacht loszuwerden, stand auf und ließ frische Luft in den Raum dringen. Das Wetter war genauso düster, wie die Stimmung der wenigen Menschen, die zu so früher Uhrzeit schon auf waren, heute aber waren es mehr als in normalen Zeiten. Ich hatte den ersten Schrecken verdaut, dennoch ließ ich die Finger von dem Frühstück, nur um sicherzugehen, dass ich es später nicht bereuen würde. Ich nahm eine kalte Dusche um die letzten Reste der Müdigkeit zu verdrängen, doch es waren vergebliche Mühen. Nachdem ich mein Mahagonienfarbenes Haar zu einem schnellen Zopf zusammengebunden hatte und die schwarze Robe der Assassinen überstreifte verließ ich mein Zimmer eilig nur um direkt in Meister Agramon zu laufen. Ich prallte gegen eine unachgiebige Wand aus stählernen Muskeln und konnte mich gerade noch auffangen.

An einem gewöhnlichen Tag, hätte ich mich bei meinem Meister beschwert und er hätte mich zur Strafe vermutlich die doppelte Strecke laufen lassen, aber heute verkniff ich mir jeglichen Komentar und blickte lediglich zu ihm auf, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Auch unter seinen Augen ließen sich dunkle Ringe erkennen, vermutlich hatte er in dieser Nacht ähnlich gut geschlafen wie ich. Und auch sein sonst gut sitzendes dunkelbraunes Haar stand heute in alle Richtungen ab, als hätte er sich diese bereits tausendmal verzweifelt gerauft, so wie er es immer tat. »Luthien, wir müssen zur Versammlung.« Sagte er nur. Auf seiner Stirn lagen tiefe Sorgenfalten, was mir sofortig klarmachte, dass auf dieser etwas sehr ernstes besprochen werden würde. Er wartete gar nicht mehr auf eine Antwort meinerseits, sondern lief schon mit großen Schritten in Richtung Thronsaal und ich folgte ihm ganz selbstverständlich. Ähnlich wie am Vortag war der Saal wieder gefüllt mit Menschen, doch von der bedrückenden Stille war nicht mehr viel übrig. Die Magiere tuschelten aufgebracht und unterbrachen ihr Murmeln nur, als wir an ihnen vorbei zum Tisch der Assassinen liefen. Ihre Augen fragten genau das selbe wie meine, warum waren die Magiere so aufgebracht? Als wir unsere Plätze eingenommen hatten, erhob sich einer von ihnen. Ihr Anführer, Duncan Morton, dessen Haar weiß wie das Mondlicht war und die Augen dunkel wie die Nacht.

 Als ich noch ein kleines Kind gewesen war, hatte ich solche Angst vor ihm gehabt, dass ich immer einen großen Bogen um ihn getan hatte. Stille herrschte und die Augen aller in dem Saal waren aufmerksam auf ihn gerichtet. Er besaß die Gabe, die Aufmerksamkeit der Menschen ohne Probleme auf sich zu ziehen. Als er zu unseren Großmeistern und zu unserer Führerin Nitokris blickte, hätte ich schwören können, dass in seinen Augen kurz ein überhebliches Lächeln aufblitzte.

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»Meine Besten Heiler haben die Todesursache des Königs erforscht. Er hatte keine Anzeichen einer Krankheit und hätte gewiss noch Jahrzehntelang unser Volk sicher und in Zufriedenheit geführt. Doch jemand beschloss, ihn umzubringen. Er wurde ermordet.« Es folgte eine Kunstpause, in der er sich mit der Hand über die Stirn fuhr und betroffen wirkte, doch erreichte es nicht wirklich seine triumphierenden Augen. »Gift hat ihm ein Ende bereitet. Und jetzt liegt nahe, dass die Mörder hier im Raum sitzen.« Er drehte seinen Kopf unserem Rat zu und seine Miene blieb Ernst. Noch bevor er es Aussprechen konnte, machte sich eine dunkle Vorahnung in mir breit, warum er so zufrieden wirkte. Magiere und Assassinen waren sich schon immer lieber aus dem Weg gegangen. »Gift ist die Waffe der Assassinen.« Sprach er mit ruhiger Stimme und erntete dafür zustimmendes nicken der verbliebenen Magiere und ein empörtes Gemurmel unter meinen Gefährten.

Ich blieb einfach nur stumm sitzen, in meinen Gliedern breitete sich eine Taubheit aus, die ich zuvor nur selten gespürt hatte. Natürlich fiel der Verdacht auf uns, die gefürchteten Assassinen die Nachts loszogen um Verbrecher hinzurichten und Kreaturen aus den tiefen des Schattenwaldes bezwangen. Dabei ließ man allerdings außer Acht dass wir unserem König Aleidis stets treu gedient hatten und ihn vergötterten, wie jeder andere auch. »Ich verlange eine Untersuchung. Ich fordere, dass die Großmeister vor den Rat treten müssen.«

Schockiertes Schweigen herrschte auf unserer Seite und Blicke wurden gewechselt bevor unsere Führerin Nitokris sich erhob und ihren goldenen Blick auf Morton richtete. »Natürlich können wir dies untersuchen und wir werden uns vor einer fairen Verhandlung nicht drücken um unsere Unschuld zu beweisen. Doch sollte derweil weiter nach möglichen Mördern verhandet werden.« Ich konnte meinen Ohren kaum glauben. Ohne Gegenwehr ließ Nitokris sich gemeinsam mit den anderen Großmeistern der Assassinen als Ruhe in Person in Fesseln von stark bewaffneten Wachen abführen. Als könnten diese sie aufhalten.

Order of Assassins - Fallen KingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt