Zwei

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Zwei

Als die Magier mit grimmigen Mienen ihre Stühle über den Holzboden rückten, herrschte auf unserer Seite des Tisches absolutes Schweigen. Sie verließen den Thronsaal ohne uns noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Ich blickte in die verschlossenen Mienen der Meister und fast hätte ich gefragt, was wir nun tun würden. Dass wir am Mord des Königs beteiligt sein sollten, war eine heftige Unterstellung. Auch wenn unsere Unschuld durch das Verfahren bewiesen werden würde, hätte man uns ohne Beweise gar nicht Bezichtigen dürfen. Eine derartige Beschuldigung von Seiten der Magiere, zeugte nur ein weiteres mal von dem Misstrauen, den sie gegen uns hegten. Wenn das Volk davon Wind bekam, konnte das Vertrauen zwischen Mensch und Assassinen für immer zerbrechen.

Meister Agramon hatte nach den Großmeistern den höchsten Rang inne und so waren alle Blicke auf ihn gerichtet. Er fuhr sich mit der Hand duch sein dunkles Haar, bevor er die Stimme erhob. Seine dunkelbraunen Augen hefteten sich dabei auf mich und schwiffen dann über die Reihen meiner Gefährten und seine Stimme klang selbstsicher und ohne Zweifel. »Wir warten die Verhandlung ab. Wir können Nitokris jetzt bestmöglich unterstützen, indem wir die Nachricht über die Festnahme der Großmeister unterdrücken. Wenn das Vertrauen zwischen uns und den Menschen einmal bricht, wird es schwer wiederherzustellen sein.« Nachdem er seine Anweisungen gesprochen hatte, erhob er sich. Niemand stellte seine Befehle in Frage und alle folgten seinem Bespiel und standen ebenfalls von dem Tisch auf.

Die Neuigkeiten über die Festnahme unserer Großmeister und der Verdacht auf Königsmord hatte sich allerdings schon überallhin ausgebreitet. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dies wohl auch den Magieren zu verdanken war, aber ich schwieg darüber. Die Gerüchte waren jedenfalls nicht mehr einzudämmen und so war alles, was wir im Augenblick verrichten konnten, das stille abwarten bis Morgen.

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In aller Frühe stürzte Meister Agramon in mein Zimmer, seine Miene eiskalt und emotionslos. Er zerrte mich förmlich aus dem Bett und wartete nicht bis ich mir andere Sachen anziehen konnte. Ich war froh, dass ich in meiner schwarzen Robe geschlafen hatte und in meine Schuhe in Windeseile hatte schlüpfen können als er mich hastig aus dem Tempel zog. Er schliff mich regelrecht die Straßen entlang. »Was wird das?« Fragte ich ihn und versuchte mich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Tatsächlich ließ er mich los, doch als ich den Blick wieder auf die Straße richtete, erstarrte ich mitten in der Bewegung. Meine Knie wurden weich, als ich den Grund verstand, warum wir die Stadt auf der Stelle verlassen mussten. Zumindest wenn wir noch eine Weile Leben wollten. Hoch über den Dächern hingen an Pfählen aufgespießt die Köpfe unserer Großmeister. Das Blut war schon dunkel und getrocknet und einige Geier waren von den Kadavern angezogen worden.

Mir wurde übel von dem Blutgeruch der in der Luft lag. Und dann gelang es mir endlich, mich von dem Anblick der gefallenen Großmeister und Nitokris abzuwenden und weiterzurennen, bis ich meinen Meister eingeholt hatte. »Es gab keine Verhandlung oder?« Fragte ich Atemlos und versuchte nicht an das schreckliche Bild zu denken, dass sich in meinen Kopf eingebrannt hatte. »Nein. Der Rat hat sie und alle Assassinen zum Tode verurteilt.« Seine Kiefermuskeln spannten sich an. Er beschleunigte sein Tempo und als ich mich umsah bemerkte ich auch den Grund. Soldaten der königlichen Armee patrollierten die Straßen entlang und einige von ihnen wurden schon auf uns aufmerksam. Assassinen besaßen zwar nicht die magischen Fähigkeiten der Magier, wie das heraufbeschwören von Feuer und Heilmagie, aber wir waren schneller als Menschen und konnten mit Leichtigkeit in den Schatten verschwinden. Aber gegen so viele, wurde es sogar für uns schwer, zumal unsere einzige Fluchtmöglichkeit das Tor aus der Stadt bildete. Meister Agramon griff meine Hand und seine Finger schlossen sich um meine, als er mich mit sich in eine Seitengasse zog. Das Tor war verschlossen. Er gab mir einige wenige Augenblicke um durchzuatmen und ihm meine wichtigste Frage zu stellen. »Wie viele haben es rausgeschafft?« Seine Augen blieben hartherzig und verschlossen. »Nicht viele.« Antwortete er leise. Ich erstarrte und versuchte die Bilder der Köpfe unserer Großmeister zu verdrängen. Versuchte nicht daran zu denken, auf wie viele dieses Schicksal bald zukommen könnte. Ob es auch uns drohte.

Er wartete meine Reaktion nicht ab, wandte sich um nahm Anlauf und kletterte das Haus mit zwei raschen Handgriffen hinauf. Ich folgte ihm flink und ging hinter ihm auf dem Dach in die Hocke. Die Straßen waren mittlerweile voll von Menschen, wenn wir hierbleiben würden, würde man uns früher oder später entdecken. Meister Agramon rannte bereits weiter und sprang furchtlos über die Lücken zwischen den Dächern. Ich folgte im genauso Trittsicher. Sein Weg führte anschließend auf ein hoches Dach dicht an der Mauer und ich verstand seinen Plan. Meister Agramon hatte keineswegs vor abzuwarten, denn er wusste so gut wie ich, dass das unser Ende bedeuten würde. Er wollte springen.

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»Ich...ich kann das nicht.« Stammelte ich und beinahe klang es wie ein flehen. Der Abgrund der sich vor mir auftat war zu tief um einen Sturz zu überleben. Um die Stadtmauer zu erreichen, müsste ich fast 10 meter weit springen. Für einen Menschen unmöglich, für eine Assassinin realisierbar, aber dafür nicht mindern schwer. So weit war ich zuvor noch nie gesprungen. Es glich einer Selbstmordaktion. »Du kannst das Luthien. Ich bin dein Meister, ich weiß was ich dich gelehrt habe.« Er warf mir ein grinsen über die Schulter zu, bevor er Anlauf nahm, sich abdrückte und wie ein Tiger über den Abgrund flog nur um auf der anderen Seite wieder sicher zu landen. Er hatte keinerlei Zweifel verlauten lassen. Eigentlich hätte ich mich nie darauf eingelassen, aber es war der einzige Ausweg. Ich atmete tief durch und trat ein paar Schritte zurück um Anlauf zu nehmen. Und dann rannte ich los und sprang ab. Die Straße flog tief unter meinen Füßen vorbei und für einen Moment gab ich mich der Schwerelosigkeit hin und flog über den Abgrund. Assassinin zu sein hatte Risiken und in diesem Augenblick war ich mir dieser vollkommen bewusst. Doch man musste sie eingehen um am Leben zu bleiben. Ich erreichte die Mauer, meine Füße landeten auf dieser und ein lächeln lag auf meinem Gesicht gefolgt von Entsetzen. Meine Füße rutschten unter mir weg, die Welt kippte, ich verlor den Halt und fiel...

Order of Assassins - Fallen KingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt