Drei

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Plötzlich waren da zwei starke Hände, die mich hielten und mein Sturz endete abrupt. Ich öffnete meine Augen wieder, der Boden lag tief unter meinen Füßen und mir wurde schwindelig. Und trotzdem hatte ich keine Zweifel, dass Meister Agramon mich hielt und nicht fallen lassen würde. Leicht wie eine Puppe, zog er mich hoch und stellte mich auf der Mauer ab. Als ich zu ihm aufblickte, zwinkerte er mir nur zu. Er wandte sich ab und überquerte die Brücke mit großen Schritten. Von dort aus sprang er auf einen Baum und kletterte geschickt an diesem herunter. Als ich mit immer noch wackeligen Beinen ebenfalls einen Satz auf den Baum tat, pieksten mir lauter kleine Äste ins Gesicht. Ich krallte meine Fingernägel in die Rinde, bis sie einrissen und federte den Schwung ab. Dann hielt ich mich schließlich geschickt an dem Stamm fest und ließ mich Ast für Ast hinab. Leichtfüßig landete ich neben Meister Agramon auf der Wiese.

Wir hatten Lythia, die Hauptstadt verlassen. Mein Herz zog sich zusammen, als ich die weitläufigen Wiesen mit vereinzelten Bäumen sah. Vor uns Flachland bis zum Horizont und hinter uns das Gebirge, dass sich auf der anderen Seite Lythias erstreckte. Ich hatte die Stadt erst wenige Male verlassen und wenn, dann nur um einen Auftrag zu erfüllen. Ich hatte nie die Zeit gehabt, die Schönheit des Landes zu bewundern, indem wir lebten. Aber auch dieses mal, blieben dafür nur kurze Augenblicke. In diesen Momenten aber, war ich befreit von jeden Sorgen, die sich in den letzten Tagen angestaut hatten. Ich folgte Meister Agramon durch das Kniehohe Gras. Er hatte ein schnelles Tempo angeschlagen und ich musste mich beeilen ihm hinterherzukommen. Wir liefen lange, fast eine Stunde in diesem Tempo ohne Pause. Ich war völlig außer Atem, als er endlich langsamer wurde.

Ich sah eine kleine Hütte am Rande des großen Flusses, der unser Land durchkreuzte. Wenn das der Unterschlupf der verbliebenen Assassinen war, konnten es wirklich nicht viele sein. Zum ersten mal, wurde der Tod so vieler meiner Gefährten wirklich real. Ein kleiner Teil von mir hatte die aufgespießten Köpfe unserer Großmeister bis jetzt verleugnet. Gehofft, dass wenn ich nicht mehr daran denke, es auch nicht Real sein könnte. Dass diese Sorgen einfach verpuffen würden, wenn ich sie nur so weit wie möglich von mir fortschob. Meister Agramon schien mir meine Zwiespalt anzusehen und trat demonstrativ einen Schritt zurück. »Geh du vor.« Forderte er sanft auf. Er wollte, dass ich die Geschwindigkeit angab, um mir die Zeit zu geben mich auf das, was mich in der Hütte erwartete, vorzubereiten. Dabei war das eigentlich lächerlich, denn gerade ich, als Assassinin, sollte damit doch am besten fertigwerden. Doch leider hieß das töten von Verbrechern nicht gleichzeitig auch das verlieren jeglicher Emotionen. Langsam tat ich einen Schritt auf die Hütte zu. Und dann noch einen.

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Als ich die Hütte betreten hatte, hatten sich einige Gesichter zu mir und Meister Agramon umgewandt. Es war eine erschreckend verringerte Zahl, vielleicht einmal gerade die Hälfte von unserer damaligen Größe gewesen. Ich hatte nicht viele von ihnen gekannt, manche vom sehen, aber ich hatte auch nicht viele Bekannte unter den Assassinen gehabt. »Du hast sie gefunden.« Riefen manche aus und Meister Agramon nickte. War er extra zurück in die Stadt gegangen, um mich zu retten? Ich sah ihn mit großen Augen an, doch er hatte sich bereits zu den anderen Assassinen gesellt und begann mit diesen unsere Pläne auszudiskutieren. Eine schwarzhaarige Gestalt trat neben mich und funkelte mich aus giftgrünen Augen an. Pandora Whitelaw, eine langjährige Rivalin von mir. Wir waren keine Feinde, als Assassine konnte man es sich nicht leisten, jeden Rivalen als Feind zu betrachten. Aber Freunde waren wir auch nicht. »Schön dass du es geschafft hast.« Hauchte sie mir zu, grinste und ging dann weiter. Vermutlich meinte sie es sogar so, wie sie es gesagt hatte. Schließlich konnte einem schnell langweilig werden, wenn es keine Herausforderungen gab.

Ich schob mein Kinn nach vorne und wartete alleine darauf, dass die übrigen Meister ihren Plan offenlegten. Doch dieser beinhaltete nicht die zurückeroberung der Stadt, wovon ich ausgegangen war. »Vorerst können wir nicht in die Stadt zurück. Unsere Brüder und Schwestern sind gefallen.« Er schwieg und ließ uns die Zeit betroffen auf den Boden zu schauen. »Wir sind zu wenige um uns gegen die königliche Armee und die Magiere wehren zu können. Sobald wir die Staßen betreten, werden unsere Köpfe fallen, wie die unserer Gefährten.«

Er hatte Recht mit dem was er sagte. Wir konnten nicht nach Lythia zurück und genauso wenig wären wir in anderen Orten willkommen. Vermutlich war die Nachricht uns gerne Tod zu sehen schon überall angekommen. »Wir haben uns Gedanken über ein vorübergehendes zu Hause gemacht. Um abzuwarten, zu Kräften zu kommen und Pläne zu schmieden. Aber, man verhandet aus allen Orten und Städten des Landes nach uns.« Er pausierte seine Rede. Früher oder später würden sie uns auch in dieser Hütte finden. »Es gibt nur einen einzigen Ort, andem wir sicher sind und von der Bildfläche verschwinden werden. Aber an diesem Ort droht uns dennoch von allen Seiten der Tod.« Mir stockte der Atem. Noch bevor er es aussprechen konnte, kannte ich seinen Plan. Wusste, wohin er uns führen wollte und konnte es nicht glauben. Das war Selbstmord. Vielleicht noch gefährlicher wie eine Ortschaft aufzusuchen.

»Wir werden uns in den Schattenwald zurückziehen.« Stille herrschte.



Order of Assassins - Fallen KingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt