Die Jugendlichen

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Ruhig, entspannt und in voller Zufriedenheit mit sich und der Welt nippte Jakob an der heißen Kakaotasse, die er fest in seinen Händen hielt. Bereits im Schlafanzug und eingehüllt in eine dünne aber dennoch wärmende Wolldecke verfolgte er, an seine große Schwester gekuschelt, das Finale des packenden Disney-Animationsfilmes ,Cars 2'. Erst im letzten Jahr war die erste Fortsetzung des Pixar-Streifens über die bunten, sprechenden Autos über die Kinoleinwände des Landes geflackert und war in Form der DVD-Fassung trotzdem bereits vor ein paar Wochen in der Auslage der örtlichen Bibliothek gelandet. Beim letzten gemeinsamen Bibliotheksbesuch hatten alle drei Geschwister wie immer das Anrecht besessen, sich neben den Büchern auch zwei Filme auszuleihen und während David seine Auswahlrechte aus Desinteresse an Robin abgetreten hatte, hatte Jakob seine Wahl gründlich durchdacht. ,Cars 2' und ,Toy Story 3' hatte er auf seinen Stapel gelegt, trotz der Tatsache dass auch endlich die letzte Staffel von ,Malcom Mittendrin' wieder zurück im Bibliotheksregal gelandet war. Aber Im Gegensatz zu Toystory oder Cars bestand da Grund zur Annahme, dass Robin die Staffel selbst ausleihen würde. Und als einziges Mitglied der fünfköpfigen Familie, das sich noch wirklich an Kinderfilmen erfreute, wusste Jakob, dass er jede Chance die er hatte auch nutzen musste. Und so hatte er auch trotz der Tatsache, dass er mit Robins Filmwunsch an diesem Abend auch mehr als gut hätte leben können, auf eine faire Partie Schnick-Schnack-Schnuck bestanden als es um die Auswahl des Freitagabendfilms gegangen war – und hatte gewonnen.

Aber wenn Robin ehrlich war, dann gab es auch schlimmere Dinge, die man an einem Freitag tun konnte, als mit Jakob einen Pixarfilm anzuschauen. Ihr kleiner Bruder war so süß, wie er gebannt dem Abenteuer der lebendigen Animationsautos folgte und dabei die Augen nicht vom Fernseher lassen konnte so als gäbe es in diesem Moment nichts anderes, das nur im Entferntesten von Wichtigkeit war. Abgesehen natürlich von einem warmen Kakao und Knuddeleinheiten von der großen Schwester.

So blickten beide Geschwister mehr oder minder interessiert auf den kleinen Flachbildschirm auf der anderen Seite des Wohnzimmers während auf dem halbhohen, aus grobem Eichenholz gezimmerten Couchtisch die Reste der zwei Toast-Hawaiis, die Robin sich und ihrem kleinen Bruder als Abendessen gezaubert hatte, abkühlten. Die Fünfzehnjährige hatte die Deckenleuchte ausgeknipst und nur die Leseleuchte der Stehlampe, die in der Ecke hinter der Couch stand, angeschaltet, sodass im Raum eine gemütliche, beinahe kinoartige Atmosphäre entstanden war. Hinter den weiß gehäkelten Gardinen, auf der anderen Seite der Fensterscheiben, war es längst dunkel geworden und die Standuhr mit ihrem großen, mechanisch hin- und herschwingenden Pendel zeigte bereits halb Zehn an. Es war ruhig im verwinkelten Haus der fünfköpfigen Familie. David war nach der Schule bei Laura aufgeschlagen, hatte vor der anstehenden Scheunenparty gar nicht erst zu Hause vorbeigeschaut und die Eltern der drei Geschwister standen mit den anderen Erwachsenen aus dem Dorf grade vermutlich in ihren Allwetterjacken irgendwo auf einem kalten, windigen Feld und demonstrierten gegen die Windparkpläne.

Es war ein friedlicher Abend im Heim der Familie. Jakobs neuer, dank Linus Trickserei ergatterter Lego-Ninjago-Roboter, den seine Mutter tatsächlich erst beim Einräumen der Einkäufe bemerkt hatte, thronte zusammengebaut vor den beiden leeren Tellern und war noch umringt von einzelnen Legokleinteilen, die nach dem Aufbau übrig geblieben waren. Jakob war bewusst, dass er wirklich Schwein gehabt hatte, in der Konstellation des heutigen Tages so ein Legoset geschenkt bekommen zu haben und entsprechend glücklich war er den gesamten Abend über auch. Selbst als der coole, den Abspann begleitende Rocksong einsetzte und die Gewissheit da war, dass der Tag, der seit dem Schulschluss so toll gewesen war, bald zu Ende sein würde, verlor er nicht das Strahlen auf seinem Gesicht.

„Boah war das coool!", resümierte Jakob glücklich flüsternd.

Robin kicherte: „Ja, sprechende Geheimagentenautos, das ist wirklich mal was originelles!"

Die Geheimnisse der Kerkwald-GeschwisterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt