„Ganz ehrlich, das ist einfach total unheimlich", meckerte ich und ertrug es nur schwer, diese komische Augenbinde nicht gleich von meinem Gesicht zu reißen.
„Einfach einen Schritt vor den anderen, Süße." Max hatte leicht Reden.
Auch wenn er mich von hinten fest an meiner Taille hielt und mich sehr sorgsam führte, so ging ich doch nur in winzig kleinen Schritten vorwärts und ich fühlte mich, als wäre ich ein watschelnder Pinguin auf dem Glatteis. Grazil war sicherlich anders.
„Gleich geschafft", verkündete Max, dessen Gesicht nur wenige Millimeter von meinem Ohr entfernt war und dessen Atem in meinem Nacken mir eine Ganzkörper-Gänsehaut bescherte.
„Hör auf damit", beschwerte ich mich grinsend. „Ich muss mich konzentrieren."
„Ich mache doch gar nichts", säuselte er in tiefer Stimme, und doch wusste ich, dass er sich seiner Wirkung sehr wohl bewusst war. Max wusste einfach, welche Knöpfe er bei mir drücken musste, dass ich in seiner Anwesenheit nur so dahin schmolz, doch da wir in der Öffentlichkeit waren, musste ich mich zusammen reißen. Ich räusperte mich also und konzentrierte mich darauf, nirgendwo gegen zu laufen.
Ich versuchte mich stattdessen auf meine Umwelt zu konzentrieren. Ich hörte einen Hund in der Ferne bellen, Vögel zwitschern, Kinder kreischen und das nervtötende, seit zig Jahren gleich gebliebene, rhythmische Quieken einer Schaukel. Nostalgie pur in meinen Ohren und schlagartig wusste ich, wo wir waren.
Zählte ich eins und eins zusammen kam nur unser alter Spielplatz in Frage. Die Geräusche und die Gerüche, die mir entgegen schlugen und der Weg, den Max mich geführt hatte, passten wie die Faust aufs Auge. Da hatte es auch nichts gebracht, dass er mich unzählige Male im Kreis gedreht hatte, bevor wir losgegangen waren.
Um Max die Überraschung nicht kaputt zu machen, biss ich mir auf die Unterlippe und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
Wie erwartet führte er mich vorsichtig durch das Absperrgitter unseres Spielplatzes, welches wir als Kinder immer überklettert hatten, schob mich an den Bänken für die Eltern, der Rutsche und der immer gleich quiekenden Schaukel vorbei.
Als ich Sand unter meinen Schuhen spürte, wusste ich, dass wir auf dem Weg zu unserem alten Clubhaus waren und als er mir die Augenbinde von den Augen zog bestätigte sich meine Annahme.
„Überraschung", murmelte Max an meinem Ohr.
Ich starrte auf das alte Spielhaus, das sich, bis auf ein paar Witterungsschäden, kaum verändert hatte. „Hey... wow", spielte ich begeistert mit, fragte mich aber allen ernstes, was Max nun vor hatte. Im Sand spielen? An unserem Jahrestag? Ich wusste ja, dass er einen Knall hatte, aber das war selbst für ihn eine Spur zu verrückt.
„Komm." Max verschränkte seine Finger mit meinen und zog mich die letzten Meter zu unserem alten Spielhaus, ehe er an der Tür anklopfte. Ein keck wirkender Junge, kaum älter als acht oder neun, kam heraus. Max drückte ihm einen zehn-Euro-Schein in die Hand. „Danke fürs Aufpassen, Kleiner."
„Immer wieder gerne, Max", verkündete der Junge cool, lief zu seinem Fahrrad und radelte los.
Fragend starrte ich Max an, doch er verzog sein hübsches Gesicht nur zu einem schiefen Grinsen und zuckte mit den Schultern.
„Kopf einziehen", wies er mich als nächstes an und zog mich ins Innere des Hauses.
Zugegebenermaßen etwas ungelenk kletterte ich hinter meinem Freund her. Als Kinder war das alles irgendwie leichter.
„Was wird das hier, Schatz?", japste ich, als ich im Inneren ankam, doch Max antwortete nicht. Stattdessen machte er einen Schritt zur Seite und offenbarte mir den Blick auf seine eigentliche Überraschung.
Das gesamte Spielhaus war mit Lichterketten geschmückt, auf dem Boden lag eine Decke, darauf eine Vase mit roten Rosen, eine Flasche Wein und zwei Gläser.
Und eine kleine rechteckige Schachtel.
Sofort schlug ich meine Hände vor den Mund und riss die Augen auf.
Grinsend bückte sich Max, griff nach der kleinen Schachtel und ging vor mir auf die Knie. Er griff mit zitternden Fingern nach meiner Hand und schaute mich voller Liebe an.
Blitzartig schoßen mir Tränen in die Augen und meine Beine wurden weich wie zu lange auf dem Tisch stehende Butter.
„Skadi Miller, seit dem Tag, an dem du mich hier das erste Mal genervt hast, hast du dich in mein Herz geschlichen. Als du mich auf der Klassenfahrt an deinem vierzehnten Geburtstag heimlich im Schrank geküsst hast, hast du es mir endgültig gestohlen. Jeden Tag seitdem liebe ich dich mehr, heute mehr als gestern und weniger als morgen und unendlich mal mehr als damals. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben und ohne dich will ich nicht sein. Ich bitte dich aus tiefstem Herzen, meine Frau zu werden."
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Ein Date mit den Sternen | ✔︎
Short Story꧁ Eine Kurzgeschichte, die ans Herz geht ꧂ Wahre Liebe braucht keine große Bühne, kein großes Tamtam. Sie kommt leise daher, unaufgeregt ... normal. So normal wie eine zufällige Begegnung auf einem Spielplatz. "Ein Date mit den Sternen" ist eine...