Kapitel 18

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Ilvi, alles okay bei dir? Ich mache mir ein bisschen Sorgen um dich. Es ist doch sonst nicht deine Art, eine Woche lange nicht auf meine Nachrichten reagieren. Ruf mich gerne an, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt. Ich würde mich wirklich freuen, von dir zu hören.

Mein Herz zog sich zusammen, als ich die Worte las. Ich hatte mir fest vorgenommen, es ihm zu sagen. Jedoch wollte ich es weder über Textnachrichten noch über Telefon machen. Er hatte es verdient, es von angesicht zu angesicht zu erfahren.

In einem Monat war mein Geburtstag, den ich Deutschland feiern wollte. Dann würde ich ihm die ganze Wahrheit sagen. Und er mir hoffentlich auch.

Tut mir leid, tippte ich. momentan ist echt viel auf Arbeit zu tun. Ich melde mich bei dir ausführlicher, sobald ich eine ruhige Minute habe!

Diese Nachricht sollte mir hoffentlich ein bisschen Zeit verschaffen. Im Prinzip saß ich viel zu viele Abende allein zuhause und hätte genug Zeit, ihm zu antworteten. Doch ich konnte es einfach nicht. Im Moment versuchte ich bestmöglich, alle Gedanken an Finn zu verdrängen.

Für heute sollte diese Plan ausnahmsweise auch mal gut aufgehen, denn ich hatte Besuch, der mich hoffentlich gut von meinen Problemen ablenken würde. Meine Mutter hatte es sich nicht nehmen lassen, mich in Kopenhagen zu besuchen. Schließlich war das die Stadt, in der sie aufgewachsen war.

"SCHATZ!", rief sie, als wir uns vor einem kleinen Café in Nørrebro trafen. "So schön dich zu sehen und selbst die Sonne scheint heute. Es ist für Februar richtig warm! 15 Grad! Kann man das glauben?"

Euphorisch umarmte sie mich.
"Ja, das Wetter ist wirklich schön", stimmte ich ihr zu und genoss die Zuneigung meiner Mama. "Was hältst du davon, wenn wir unsere Pläne ein bisschen ändern und wir uns einen Kaffee to go holen und spazieren gehen anstatt im Café zu sitzen?"

"Sehr gern!", stimmte sie zu und knuddelte mich, als wäre ich noch immer 5 Jahre alt. "Wie geht es dir?"

Es war Zeit meiner Mutter die Wahrheit zu sagen. Insbesondere weil ich jetzt schon wusste, dass sie sich über ein Enkelkind freuen würde.

"Gut. Lass uns doch erst einen Kaffee holen und dann erzähle ich dir alles."

Spontan entschied ich mich, dass es vielleicht besser war, wenn ich nur einen Kräutertee nahm.

Wir liefen am Wasser entlang, wo Schwäne hinüberglitten und sich die bunten Häuser auf der Wasseroberfläche spiegelten. Es war das perfekte Postkartenmotiv.

"Hast du dich im Job schon gut eingelebt?", erkundigte sich Mama und schlürfte genussvoll an ihrem Kaffee.

Meine Mutter war eine großgewachsene schlanke Frau, von der sich Coco Chanel noch eine Scheibe abschneiden konnte. Sie war immer bestens gekleidet und Knitterfalten oder lose Fäden suchte man an ihrer Kleidung vergebens. Sie glitt über den Boden wie eine Göttin und das scheinbar ganz natürlich und ohne sich dafür anstrengen zu müssen. Manchmal wünschte ich, dass ich ihre Eleganz hätte.

"Ja, das Team ist nett. Ich habe ja auch noch einen Kollegen aus Deutschland hier und wir machen gute Fortschritte. Aber es sind natürlich auch viele Überstunden im Moment."

Wofür ich im Prinzip dankbar war, denn es lenkte mich von meinen Problemen ab.

"Und privat? Hast du schon nette Leute kennengelernt oder vielleicht einen netten Mann?"

Mama wusste bereits, dass ich nicht mehr mit Basti zusammen war. Sie hatte erst letzte Woche noch ein paar Dinge von mir aus der Wohnung holen müssen und leider das "Weihnachtsgans Auguste Buch" vergessen. Allein das Buch bedeutete mir schon viel, doch der Inhalt noch mehr.

Me and my damn LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt