Komm hol mich- Aufbruch

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Dieser Teil ist wieder aus Stellas Sicht geschrieben!

Aufbruch nach Irland

Auf in ein neues Abenteuer rede ich mir ein, im Taxi auf dem Weg zum Flughafen. Ich brauche eine Auszeit, Abstand, einen Tapetenwechsel, fahren meine Gedanken fort. Hier habe ich alles erreicht, also steige ich in den Flieger nach Irland.

Die letzten eineinhalb Monate hier waren schön und teilweise sehr befriedigend, ich schmunzle bei dem Gedanken an Ramon, aber ich halte es nicht mehr aus. Meine Vergangenheit nagt an mir, jetzt wo ich mich in meinem zu Hause wieder wohlfühle, kommen alle Erinnerungen an mein altes Leben wieder hoch, das Leben, dass ich mit meinem Mann hatte, das Glück, dass ich im Herzen trug. Deshalb reiße ich mich dauernd zusammen, versuche mich abzulenken. Und jetzt kommt noch hinzu, dass mein verstorbener Mann bald Geburtstag hat, allein der Gedanke daran, lässt mich heulend ins Bett kriechen. Aber das möchte ich nicht, ich möchte nicht mit anderen darüber reden, nicht ihr Mitleid oder gar ihre Erinnerungen erfahren. Ich möchte lieber weiterhin das Stehaufmännchen sein, das immer strahlt und positive ist und meinen Freunden helfen.

Rückblick:

Ich habe in den letzten vier Jahren viel erlebt, aus Verzweiflung über seinen plötzlichen Tod, bin ich in ein Kriegsgebiet geflogen. Warum? Tja ich würde sagen ich wollte Leuten helfen, denen es noch schlechter geht als mir, oder vielleicht wollte ich mich auch in ihrem Leid suhlen. Das habe ich ein Jahr durchgezogen und dabei nur Liebe erfahren, denn die meisten hatten Hoffnung und Liebe, die ihnen durch die dunklen Stunden half. Dann habe ich mich der anderen Seite angeschlossen, weil ich leid bringen wollte, ich war wütend, habe eine Kampfausbildung begonnen und sogar abgeschlossen, erst dann habe ich mich wieder stark gefühlt. Noch vor meinem ersten Einsatz, habe ich die Reißleine gezogen, ich bin auf und davon, denn die Frau im Spiegel war nicht ich.

Drei Tage später landete ich im Paradies in Thailand. Ich habe mich ein paar Tage mit Partys und Drinks abgelenkt und landete schließlich vor den Türen eines Klosters. Dort habe ich die nächsten eineinhalb Jahre verbracht, mich selbst Stück für Stück zusammengesetzt und an meinem Karma gearbeitet. Karma ist auch der Grund, warum meine Freunde an erster Stelle stehen. Sie sind die Familie, die ich noch habe und die einzigen deren Liebe ich brauche. Freunden helfen und für sie da zu sein, ist meine neue Berufung und ich glaube ich habe hier alles gegeben.

Gegenwart:

Susa und die Kinder machen die nächsten zwei Wochen Urlaub. Raffi hat eine neue Küchenhilfe und Tanju ist aus dem Urlaub zurück und arbeitet fleißig an neuen Choreografien. Ramon und ich hatten drei heiße Wochen miteinander. Seitdem ist er offener und freundlicher geworden, bei einer Hochzeit von Freunden ist er dann einer alten Flamme über den Weg gelaufen und war in letzter Zeit öfter mit ihr aus, Dates, nicht nur One-Night-Stands. Ich freue mich für ihn und wünsche ihm nur das Beste. Wir sind Freunde, die gelegentlich miteinander reden aber mehr auch nicht.

Meine Arbeit ist getan, sage ich mir, auf geht es nach Irland, ein alter Bekannter braucht dort etwas Unterstützung. Mit jedem Schritt in den Flieger fällt es mir schwerer zu gehen, aber bleiben ist keine Option, die Erinnerungen an mein altes Leben holen mich ein und überwältigen mich. Ich atme einmal tief durch, dann lasse ich mich auf meinen Sitzplatz fallen und prompt klingelt mein Handy.

Ramon ruft an, als hätte er gewusst das ich gerade an ihn gedacht habe: "Hi, genieß deinen Urlaub, und vergiss bloß nicht wieder zukommen, immerhin suchen wir alle einen Grund für eine Party. Ach ja und danke, dass wir" er räusperst sich, "na ja, dass unsere Abmachung". Ich rolle mit den Augen, das du nach Worten suchst ist selten, also helfe ich dir mal aus der Patsche. "Kein Problem, wir haben beide davon profitiert und es hat wirklich Spaß gemacht mit dir im Bett." Ich grinse und der Typ neben mir mustert mich eindringlich. Super der wird mich jetzt wohl den ganzen Flug über anbaggern, denke ich mir. "Danke für deinen Anruf, ich bin schon im Flieger und melde mich dann. Mach es gut Ramon!" Der letzte Satz ist eher ein Flüstern, weil es mir schwer fällt zu gehen. "Mach es besser Prinzessin" sagt er leise und legt auf. Den Flug über höre ich Musik und mache die Augen zu. Der Typ neben mir versucht mehrfach ein Gespräch anzuzetteln, aber ich blocke ihn ab.

Am Flughafen wartet schon mein Bekannter Fergus auf mich, er ist ein recht attraktiver älterer Mann mit grauen Haaren und einem kleinen Bäuchlein. Ich freue mich sehr ihn nach so einer langen Zeit wieder zusehen. Wir fahren einige Stunden, bis wir in seinem gemütlichen zweistöckigen Hause ankommen. Er berichtet mir von den letzten Jahren und wie schwer ihn der Tod seiner Mutter getroffen hat, und ich nicke und spüre meinen eigenen Schmerz aufkommen. Eine Frau hat er nie gefunden, dafür sei er zu verkorkst, meint er bei einem Bier am offenen Kamin in seinem Wohnzimmer und ich lache laut, weil ich ihn überhaupt nicht so sehe. Er ist ein Teil meiner Familie, eine Art Onkel für mich. Von da an helfe ich ihm bei den täglichen arbeiten im und ums Haus herum, er hat auch eine Handvoll Tiere, um die wir uns gemeinsam kümmern.

Meine erste Woche vergeht schnell und Fergus, bietet mir an, in das verlassene Cottage auf der anderen Straßenseite zu ziehen, damit habe ich mehr Privatsphäre, meint er mit einem Augenzwinkern. Das kleine Häuschen gehörte seiner Mutter und braucht viel Arbeit und Liebe. Er selbst bringt es nicht übers Herz etwas darin zu verändern und ich kann ihn da voll und ganz verstehen.

Aus dem Grund haben Susa und ich damals Wohnungen getauscht, sie ist in meine Maisonette gezogen, in der sie mit den Kindern mehr Platz hat und ich in ihre kleine Wohnung, mit der Dachterrasse, ich habe sogar viele ihrer Möbel übernommen, denn meine erinnerten mich zu sehr an ihn. Verdammt ich muss fast heulen, also nehme ich mir meinen Rucksack und Koffer und marschiere über die Straße.

Viel Arbeit tut mir jetzt gut, beschließe ich und lege los. Nach dem ich einen Tag lang drinnen geputzt und aufgeräumt habe, bin ich an Tag zwei im Vorgarten beschäftigt alles zurückzuschneiden. Fergus kommt vorbei, schaut sich um und bietet mir an das Cottage zu kaufen, nach dem ich so viel Arbeit hineininvestiert habe, und da das Angebot wirklich gut ist, kaufe ich das kleine Häuschen und so vergeht auch Woche zwei wie im Flug.

Fergus, ist um die 50, und seine eigenbrötlerische Art steht zwischen ihm und den Ladies im Dorf. Er und ich verstehen uns gut, deswegen gehen wir fast jeden Abend gemeinsam ins Pub, das ein Paar Kilometer entfernt ist. Ich stelle immer wieder fest das er ein Auge auf eine Dame in seinem Alter geworfen hat und auch sie scheint nicht abgeneigt. Allerdings trauen sich beide nicht, vielleicht kann ich da etwas machen, denke ich mir auf dem Weg nach Hause. Heute fahre ich uns Heim, denn Fergus hatte Stammtisch und dabei zu tief ins Glas geschaut. Mir gefällt es hier gut, ich habe einige neue Freunde im Pub gemacht und lenke mich so von meinem Gefühlsleben ab.

Komm hol mich - Heiße Nächte 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt