„Schön, bist du, meine Freundin", sagte er, beugte sich vor und küsste sie behutsam. Sie wollte sich wehren, denn auf einen Kuss war sie nicht vorbereitet gewesen, obwohl es so im Drehbuch stand, aber erst später war der Kuss erwähnt. Zuvor hatte sie noch nie jemanden geküsst. Und jetzt das... Als sie vor drei Monaten von einem Casting zu einem biblischen Text gehört hatte, wusste sie, sie wolle dahin. Jeden Sonntag ging sie zur Kirche und ein Film über diese eine Geschichte in der Bibel wollte sie unbedingt mal inszenieren. Nach ein paar Diskussionen mit dem Regisseur bekam sie sogar die Hauptrolle, aber leider bekam er die männliche Hauptrolle.
„Was tust du da?", hauchte sie. Sie versuchte sich zu sammeln. Stand etwas von dem Kuss im Skript? Ihr Herz klopfte, wollte sich gar nicht mehr beruhigen, in ihrem Bach explodierte ein Feuerwerk nach dem anderen.
„Ich hatte eine neue Idee für das Skript", murmelte er an ihre Lippen. Sie fühlte sich wie in einem ihrer Liebesfilme. Wackelig auf den Beinen versuchte sie sich von ihm wegzudrehen, um zu erfahren, wer alles von dem Kuss Wind bekommen hatte.
„Cut!", bölkte die Produzentin. „Was sollte das, Lior?"
„Das...", fängt er an zu erklären, doch die Frau unterbricht ihn direkt. „-genial!! Ich liebe es! Der Kuss wird ins Skript aufgenommen. Dieser Kuss war der Wahnsinn. Man hat die Liebe, die Leidenschaft zwischen euch gefühlt, gespürt, als wärt ihr wirklich verliebt. Wahnsinn."
Mit einem triumphierenden Grinsen drehte er sich zu Elana um, die vom Kuss immer noch benebelt war. „Aber...", testete sie, ob sie ihre Stimme wiedererlangt hatte, doch ihr Einspruch ging in dem ganzen Tumult unter.
Wissend, dass er sie damit verunsichert hatte, zog er sie fort von den Plaudertaschen um sie herum. Verlegen kratzte er sich am Kopf. „Ey, Elana, es tut mir leid. Ich hätte dich darauf vorbereiten sollen..."
Mutig stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen und küsste diesmal ihn. Natürlich nur, um für die nächste Szene zu arbeiten. Er legte seine Arme um sie und es kribbelte noch mehr als eben gerade.————
Ein Jahr später; der Dreh war längst beendet trat Lior ins Café ein. Er hatte nach dem Dreh keinen Kontakt mehr zu der schüchternen Schauspielerin gehabt. Bis heute. Vor ein paar Tagen schließlich konnte er ihren vollständigen Namen herausfinden - dieser war Elana Maria Liebholz - und so suchte ihren Namen auf Instagram und allen anderen möglichen Sozialen Netzwerken. Letzten Endes wurde er dann auf Instagram fündig.
Er zögerte nur kurz, bis er sie nach eine Treffen fragte. Natürlich nur aus Interesse halber und um sich über Jobmöglichkeiten im Schauspielgeschäft zu besprechen. War doch klar, was dachtet ihr denn? Als ob der gutaussehende, heiß begehrte Schauspieler anderes im Kopf hatte...
„Schön, bist du, mein Freund", murmelte sie kleinlaut, als er auf sie zukam. Sie war bereits anwesend. Natürlich. Wie konnte er ihre Pünktlichkeit vergessen? Er küsste federleicht ihre Wange zur Begrüßung und sie setzten sich. Unsicher spielte sie an ihren Fingern. Machte er sie so nervös? Das war ihm überhaupt nicht bewusst gewesen. Vorsichtig, damit sie sich nicht erschreckte, legte er seine Hand auf ihre zitternden Hände. Mit der anderen Hand durchforstete er die Speisekarte. In einem derart stinknormalen Café war er schon lange Zeit nicht mehr essen gewesen. Seit seinem Auftritt in einem neuen Actionfilm und danach einer Verfilmung zu einem berühmten Schnulzenroman verdiente er richtig viel Kohle, um es auf gut Deutsch zu sagen.
„Du hast Mundgeruch", behauptete er, gerade als sie den Blick zum ersten Mal an diesem Tag auf ihn gerichtet hatte und nicht auf die anderen Kunden, die einen Kaffee an einem anderen Tisch tranken. In ihrer gemeinsamen Drehphase hatte er sie oft mit Sprüchen geneckt, in der Hoffnung, sie würde mutiger werden und vielleicht auch ein bisschen, weil er seine eigene Unsicherheit vertuschen wollte. Denn eigentlich hatte er sich in sie verliebt, aber Gefühle dieser Art hatte er zuvor nicht gekannt. Als sie sich von ihm wegdrehte um in ihrer Hand ihren Atem zu testen, tat er das gleiche, weil er wollte auch diesmal nur von seiner Angst ablenken.
Sie war kurz davor aufzustehen, denn so hatte sie sich das Treffen ganz bestimmt nicht vorgestellt. Sie hatte dämliche Hoffnungen gehabt, er würde sie küssen, weil er sie das letzte Jahr vermisst hatte, doch dem war nicht so. Stattdessen meinte er, sie habe Mundgeruch. Frechheit! Noch bevor sie wirklich aufstehen und Drama Queen like aus dem Café rennen konnte, drehte er ihr Gesicht zu sich, hauchte an ihre Lippen ein „Ich habe mich in dich verliebt." und küsste sie. Das Blitzlichtgewitter der Kameras schien sie nicht weiter zu stören. Sie waren endlich vereint. Und das hoffentlich ohne Mundgeruch.
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Märchen
Short StoryMärchen gab es schon sehr, sehr, sehr, ... lange. Anfangs wurden Märchen nur erzählt, um Kinder vom Wald fernzuhalten, danach schrieben die Gebrüder Grimm und viele anderen die Märchen auf, damit sie nie in Vergessenheit geraten. Zur heutigen Zeit g...