Es regnete, Tropfen groß und schwer wie Engelstränen, als ich Narziss zum ersten Mal sah.
Zwischen seinen rosanen Lippen hing lose das Skelett einer Marlboro, die, halb-abgebrannt, in der Kühle des Tages erloschen war. Er roch nach Honig und Rauch und in sein Kaschmirhaar, das die Farben von Schwanenfedern trug, war der Regen gefallen, verweilte dort in Form von runden Perlen, um ihn noch glänzender zu machen.
Er lächelte mich an und trotz seiner Schönheit war dort schon damals etwas an ihm, das ich nicht ganz verstand, das ich für Trauer hielt, verborgen hinter der sanften Wölbung seiner Lippen und versteckt über den klein-zarten Lachfalten unter seinen Augen. Später sollte ich dieses Gesicht umfassen und mit jeder Faser meines Seins nach diesem Etwas hinter seinen Zügen suchen.
Doch jetzt stand ich nur da, unfähig, Narziss anzusprechen, denn meine Stimme war irgendwo zwischen meinen Knochen, Sehnen und meinem Herzen verloren gegangen.
Seit Jahren schon war kein Laut mehr aus meiner Kehle gedrungen.
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honig und rauch
Short Storyüber schönheit und verblendung, honig und rauch und schwanenfederhaar. über das bittere verbluten der sonne im horizont, narzissmus und einen mit knorrigen apfelbäumen bewachsenen berg, auf dem sich zwei seelen aneinander berauschen. eine geschichte...