Kapitel 28

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Will's POV

„Ist etwas zwischen euch vorgefallen?", möchte Enrico nun von mir wissen. Er wirkt ratlos. Sein Blick wandert immer wieder zwischen mir und Sofias geschlossener Tür hin und her.

„Nein", erwidere ich und zucke mit meinen Schultern. Dabei wage ich es allerdings nicht einmal ihm in die Augen zu sehen. Sofia zu verletzen ist die eine Sache. Doch nun auch noch meinen besten Freund zu belügen, macht es auch nicht besser.

„Komm schon, Alter", sagt Enrico ernst und kommt auf das Sofa zu. Er legt sein Handy auf dem Glastisch ab und sieht mich mit erhobenen Augenbrauen an. „Ich kenne dich. Und vor allem kenne ich meine kleine Schwester. In den letzten Wochen benimmt sie sich seltsam, sobald ich das Thema Will auf den Tisch bringe" Enrico ist nicht dumm und vor allem wird er sich nicht mit einer halben Antwort zufrieden geben. Doch was soll ich tun? Ich kann ihm schlecht sagen, dass ich seine kleine Schwester geküsst habe und am liebsten noch andere Dinge mit ihr getan hätte, wenn ich mich nicht unter Kontrolle gehabt hätte. „Also?", hakt Enrico erneut nach.

Ein Seufzen entweicht meinen Lippen und ich lasse mich ins Sofa zurückfallen. Meinen Kopf werfe ich in den Nacken. „Sie weiß es", teile ich meinem besten Freund schließlich mit. Sein Blick verändert sich schlagartig von ratlos zu besorgt. „Wie hat sie davon erfahren?", möchte er wissen. Enrico weiß nur von den Drogen. Wüsste er von den anderen Dingen, die ich für Darius noch tue und dass er seine kleine Schwester angegriffen hat, würde Enrico sicherlich ganz anders reagieren und mich ohne zu zögern rauswerfen.

„Sie hat mich erwischt, wie ich mit einem Umschlag zur Übergabe gegangen bin und hat danach nicht lockergelassen", erzähle ich ihm und reibe mir mit der Hand über das Gesicht.

„Wie hat sie darauf reagiert?", möchte er wissen.

Ich lasse die Schultern leicht nach vorne klappen. „Sie war natürlich nicht begeistert davon.. aber sie konnte ja nicht aufhören nachzufragen. Das habt ihr übrigens gemeinsam", antworte ich nun und schließe meine Augen.

Enrico lacht kurz auf, weshalb auch ich mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen kann.
„Und ich dachte schon zwischen euch läuft etwas", sagt er und klingt beinahe schon erleichtert, da er nun vom Gegenteil überzeugt zu sein scheint.

„Zwischen Sofia und mir?", frage ich und lache auf. „Nichts gegen deine Schwester, aber sie ist wirklich nicht mein Typ", ergänze ich und öffne meine Augen wieder, um meinen besten Freund anzusehen. In dem Moment fällt mein Blick auf Sofia, die in ihrer geöffneten Tür steht und mich mit einem verletzten Ausdruck in ihren braunen Augen ansieht. Ich habe nicht mitbekommen, dass sie aus ihrem Zimmer gekommen ist. Es steht ihr ins Gesicht geschrieben, dass sie es gehört hat.

Enrico folgt meinem Blick, ehe er ebenfalls an Sofia hängenbleibt. „Hast du noch etwas vor?", erkundigt er sich bei seiner Schwester, die nach ihrer Jacke greift. „Ich gehe noch aus", sagt Sofia.

Mein Blick fällt auf die Uhr. Es ist fast elf Uhr am Abend. Wo möchte sie zu so später Stunde bitte noch hingehen und vor allem mit wem? New York ist sowieso schon kein sicherer Ort für eine junge Frau wie sie. Aber die Tatsache, dass Darius ein Auge auf Sofia geworfen hat und dass es so spät am Abend ist, macht es schlimmer. „Wohin willst du denn so spät gehen?", platzt die Frage aus mir heraus, bevor ich es mir verkneifen kann. Es sollte mich nicht kümmern, doch das tut es.

„Das geht dich nichts an", sagt Sofia beiläufig, während sie in ihre Schuhe schlüpft.

„Mich würde es aber auch interessieren", sagt Enrico und mustert Sofia, die ihr lässiges Outfit gegen ein figurbetontes Kleid getauscht hat. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass sich nicht absolut umwerfend darin aussieht. Allerdings wird mein Staunen über ihr Aussehen von meiner Wut darüber, dass sie sich so leichtsinnig in das New Yorker Nachtleben stürzt, überschattet.

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