Kapitel 56

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Eine Woche ist seit dem schrecklichen Vorfall im Café vergangen.

Inzwischen wurde auch Troy von der Polizei befragt, allerdings hält auch er sich, wie nicht anders zu erwarten, mit nützlichen Informationen zurück. Aus dem Grund sind die Ermittlungen kaum vorangeschritten.

Sofia und ich haben uns seit dem Tag nicht mehr gesehen. Zwar war ich ein paar Mal drüben, doch sie möchte niemanden sehen und verlässt ihr Zimmer nicht. Nur, wenn sie ins Badezimmer muss. Enrico hat mir erzählt, dass sie kaum ein Wort spricht. Sie isst wenig, schläft aufgrund ihrer Alpträume schlecht und ist auch sonst in keiner besonders guten Verfassung.

Vor allem psychisch.

Vorgestern habe ich Sofia eine Nachricht geschrieben, die sie gesehen hat. Eine Antwort kam aber noch nicht zurück. Es war aber auch nicht meine Intention, sie zu einer Antwort zu drängen. In der Nachricht frage ich sie, wie sie sich fühlt und dass ich für sie da bin, wenn sie etwas braucht.

Dennoch habe ich auch Angst. Angst, dass sich ihre Gefühle für mich verändern. Dass sie mich hasst, weil ich mit der Grund bin, wieso sie das erleben musste, was sie erlebt hat. Ich liebe sie, das tue ich wirklich. Aus dem Grund könnte ich es nicht ertragen, sie zu verlieren. Aber wenn ich ehrlich bin, sehe ich selbst ein, dass Sofia ohne mich besser dran wäre.

Die Erinnerungen daran, wie sie hinter dem Tresen auf dem Boden kauert und ins Leere starrt, verfolgen mich. Auch ich schlafe nicht gut, wache jede Nacht von Alpträumen auf, in denen Sofia stirbt. Der Gedanke, dass sie an jenem Tag hätte sterben können, macht mich fertig.

„Schönen Feierabend, Will", wünscht Mrs Jones mir, als alle Kunden gegangen sind und ich die letzten Tische abgeräumt und gewischt habe. Sie steht hinter dem Tresen und kümmert sich um die Einnahmen des heutigen Abends. „Sicher, dass ich Ihnen nicht helfen soll?", erkundige ich mich, um sicherzugehen, dass sie meine Hilfe wirklich nicht braucht. Ich hatte großes Glück, dass sie und ihr Ehemann so verständnisvoll reagiert haben, als ich ihnen einen Tag später am Telefon erklärt habe, was passiert ist.

„Geh nur, ich kriege das hin", erwidert sie und lächelt mir zu. Ich lächle zurück und hole meine Sachen aus dem Mitarbeiterraum. Bevor ich das Restaurant verlasse, meldet sich Mrs Jones ein letztes Mal zu Wort. „Und Will..", beginnt sie. Ich drehe mich zu ihr um und sehe die Frau mittleren Alters fragend an. „Wenn du dir trotz der Probezeit ein paar Tage frei nehmen möchtest, lässt sich das hinsichtlich der aktuellen Umstände einrichten", lässt sie mich wissen.

„Vielen Dank, Mrs Jones", sage ich dankbar und verabschiede mich daraufhin von ihr. Kaum habe ich das Restaurant verlassen, entdecke ich einen schwarzen Van, der am Straßenrand steht. Darin sitzt ein Mann, den ich aufgrund der Dunkelheit nur schemenhaft erkennen kann. Als er seine Lichter aufleuchten lässt, ist das für mich ein Zeichen, dass der Fahrer mich gesehen hat und auf sich aufmerksam machen möchte.

Da mich ein ungutes Gefühl übermannt, mache ich auf dem Absatz kehrt und möchte in die entgegengesetzte Richtung laufen. In diesem Moment spüre ich, wie mich ein harter Schlag am Hinterkopf trifft. Ich gehe zu Boden. Das letzte, was ich spüre, sind Hände, die mich unter den Armen und an den Beinen packen, ehe ich das Bewusstsein verliere.

***

Als ich das Bewusstsein wiedererlange, sitze ich auf der Ladefläche des Vans. Meine Hände sind auf meinem Rücken gefesselt und mein Mund mit Tape zugeklebt. Ein höllischer Schmerz zieht sich durch meinen Kopf, der mich scharf die Luft einziehen lässt.

Es dauert noch einige Minuten, die sich für mich wie eine halbe Ewigkeit anfühlen, bis der Van zum Stehen kommt. Ich höre, wie sich die Tür auf der Fahrerseite öffnet und wieder schließt. „Wir haben ihn", verkündet eine Stimme, die ich niemandem zuordnen kann, da ich sie nur gedämpft höre. Ich nehme schwere Schritte wahr und kurz darauf öffnen sich die Schiebetür an der Seite. Ich blicke in drei Gesichter und spüre, wie mein Herz aussetzt.

Run To YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt