Kapitel 2

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Isabell war so aufgeregt gewesen, dass sie einfach die ganze Nacht wach geblieben war und Pläne geschmiedet hatte, dass sie am Morgen auch den entsprechenden aussah. Nachdem die beiden verschwunden sind, werden sie im Wald leben und wenn notwendig sogar jagen lernen. Keine Strafen. Keine Schule. Keine Großeltern. Das klang nach dem perfekten Leben. Melvin war ebenfalls sofort begeistert gewesen und hatte schon kurz vor fünf die wichtigsten Sachen in ihre Schulrucksäcke gepackt. Die Schlafsäcke kamen in die Sporttaschen.

Die beiden liefen immer zur Schule, weil sie relativ in der Nähe war und ihre Großeltern kein Geld für Fahrräder ausgeben wollten. Isabell und Melvin liefen, wie zufällig nah an einem parkenden Auto vorbei. Hoffentlich sah es niemand, wenn Melvin ein brennendes Feuerzeug und eine große Wasserflasche in das geöffnete Fenster warf. Sie hatten wirklich Glück gehabt, dass die Geschwister eins mit offenen Fenstern gefunden hatten, da sie diese ansonsten einschlagen müssten und das wäre aufgefallen. Scheinbar hatte niemand hingesehen, denn keiner beachtete das Auto. Bis dicker Rauch aus der Motorhaube quoll.

Dann rannten plötzlich alle Menschen in unterschiedliche Himmelsrichtungen davon. Nur Isabell und Melvin gingen ganz normal weiter. Innerlich beteten sie aber, dass sie schnell genug hinter den Bäumen am Waldrand waren, um der Explosion und auch den Blick entkommen zu können, es aber so aussehen zulassen, als ob sie in die Luft gesprengt worden waren. Melvin wurde etwas schneller, da hinter ihnen ein Zischen ertönte. Die beiden hatten den Waldrand beinahe erreicht, als plötzlich ein Knall fast ihr Trommelfell platzen ließ. Eine Druckwelle schleuderte die Kinder zu Boden und Asche füllte die Luft. Um sie herum hörten sie gedämpfte Schreie, da die Explosion irgendetwas mit ihren Ohren gemacht hatten.

 Panisch sah Isabell sich nach ihrem großen Bruder um, doch es herrschte zu viel Chaos, als das sie ihn hätte entdecken können. Statt weiter zu suchen, rappelte das Mädchen sich auf und rannte weiter Richtung Waldrand. Hoffentlich würde Melvin sie finden. Endlich erreichte sie eine Buche, hinter der sie sich verstecken konnte. Melvin war immernoch nicht zu sehen. Vielleicht hatte die besorgte Menge ihn in die entgegen gesetzte Richtung geschoben. Falls das der Fall sein sollte, musste Isabell ihm irgendwie Bescheid geben, dass sie es geschafft hatte. Nur wie? Es fiel ihr nichts richtiges ein, weshalb sie einfach mit einem Zweig eine einigermaßen erkennbare Ratte in die Erde kratzte. Peter Petigrew zum Dank, auch wenn er sowas von unsympathisch war. Aber egal. Isabell musste hier weg, bevor einer sie bemerkte. Also nahm sie ihre Tasche mit dem Schlafsack und den Rucksack und rannte in den Wald hinein.

 Zum Glück waren die Geschwister schon oft nach der Schule noch in den Wald gegangen, um ihren Großeltern möglichst nicht begegnen zu müssen. Eines Tages hatten sie dann mitten zwischen hohen Kiefern eine Art Weide gefunden, deren Zweige bis auf den Boden hingen. Genau dort lief das Mädchen nun hin. Die Blätter des Baumes waren sehr dicht und würden die Schlafsäcke und Kinder gut verstecken. Isabell beschloss, schon mal ihr Lager aufzuschlagen und breitete ihren Schlafsack nah am Baumstamm aus. Hoffentlich würde Melvin bald auftauchen. Das Mädchen verfluchte sich, weil sie ihn aus den Augen verloren hatte. Das war echt dämlich gewesen. Sie wartete bis zum Abend auf Melvin, doch der tauchte einfach nicht auf.

Den Tag über baute Isabell an ihrem Lager, sortierte Vorräte, sammelte Beeren und versuchte sich einen halbwegs guten Bogen zu bauen. Aus dünnen Ästen und Glasscherben ergänzte sie dann auch noch Pfeile. Morgen musste sie nur noch einen dickeren Ast als Köcher suchen und aushöhlen. Als es langsam dunkel wurde, grub Isabell ein Loch und zündete dort ein kleines Feuer an. Vielleicht fand Melvin sie ja dann besser. Mittlerweile machte sie sich echt Sorgen. Vielleicht war er zurück zu ihren Großeltern gegangen, weil er dachte, dass sie auch dort war. Oder was wäre, wenn er wirklich ums Leben gekommen war? Daran mochte Isabell nicht mal denken. Also legte sie sich in den Schlafsack und schlief kurz darauf ein.


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