Kapitel.3

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Als wir das Haus von Eddie schließlich betreten, werden wir schon vom Geruch verbrannter Pizza begrüßt. Ein Geruch, den ich mittlerweile so sehr liebe, weil ich ihn mit zu Hause verbinde. Ich verbinde ihn mit dem Ort, an dem ich mich wertgeschätzt fühle, an dem ich mich wohlfühle.
Ich lasse meine Tasche auf den Boden fallen und ziehe meine Schuhe aus, werfe sie in die nächste Ecke, genauso wie meine Freunde das vorher auch getan haben, bevor ich praktisch in die Küche stürme, in der Eddie gerade verzweifelt versucht, ein offensichtlich noch heißes Pizzablech aus dem Ofen zu ziehen. Das Chaos perfekt macht Venom, der gleichzeitig versucht, den Tisch zu decken, um Eddie zu helfen. Ich möchte es überhaupt nicht anders haben. Dieses Chaos ist mein zu Hause.

"Ahh, hey Olivia, hey Norman, setzt euch einfach hin, es gibt gleich Essen", sagt er während er durch Dylans Haare wuschelt und den Jungen stolz anlächelt "Alles in Ordnung, Champ?"
Dylan nickt nur und als er lächelt, kann ich die Lücke in seinen Schneidezähnen sehen. Ich erinnere mich noch daran, wie er den Milchzahn erst vor kurzem beim Skateboard fahren verloren hat.
"Natürlich! Heute beginnen die Sommerferien, wie könnte dieser Tag nicht super sein?"

Die Sommerferien, ja genau, ich hatte ganz vergessen, dass sie heute beginnen. Wie konnte ich das denn nur vergessen? Meine Adoptiv Eltern werden in den ersten zwei Wochen wieder nach Spanien fahren, so wie jedes Jahr, doch diesmal bin ich am überlegen, ob ich sie bitten soll, hierbleiben zu dürfen. Vielleicht kann Eddie mich aufnehmen, und während meinem Aufenthalt kann ich nicht nur Zeit mit meinen besten Freunden verbringen, sondern auch mehr über meinen Vater herausfinden. Irgendwo stehen bestimmt noch verstaubte Kartons mit Zeitungsartikeln oder ähnlichem. Ich verstehe, dass man mich beschützen will, aber je mehr Informationen von mir ferngehalten werden, desto neugieriger werde ich. Würden sie offen mit mir sprechen, müsste ich nicht so nach Informationen suchen. Aber das fällt ihnen ja nicht ein.

Ich setze mich schließlich ebenfalls hin, nehme Messer und Gabel, um in meine Pizza zu schneiden, die vor Käse und Salami überzulaufen scheint. So eine große Pizza gibt es eben nur bei Eddie, wahrscheinlich hat Venom es wieder zu gut gemeint, obwohl der Symbiont selbst mit einem Hühnchen beschäftigt ist. Stimmt, er braucht ja sein Phenethylamin, um zu überleben. Zwar weniger, da Eddie so verliebt in ihn ist, aber trotzdem immer noch genug für ein ganzes Hühnchen.
"Sollen wir dir deine Haare zurückbinden?", fragt Eddie als er mich husten hört, doch ich schüttele nur mit dem Kopf "Ist schon in Ordnung"
In einem Anfall von Wut und purer Verzweiflung habe ich mir einmal die Haare mit einer Küchenschere abgeschnitten. Seitdem sind Scheren für mich verboten, und die, die ich für die Schule bereitgestellt bekomme, sind nicht sonderlich scharf. Ich habe auch mal darüber nachgedacht, sie mir zu färben, aber selbst wenn ich das tun würde, würden die Leute mich anhand meines Gesichtes erkennen.
Außerdem würde ich es so aussehen lassen, als würde ich meine Herkunft ebenfalls verschweigen wollen, wenn ich mir die Haare färbe, und das stimmt nicht. Ich bin nicht stolz auf meine Herkunft, noch fühle ich mich sehr selbstbewusst mit ihr, aber ich möchte lieber anständig über sie recherchieren, anstatt einfach so zu tun, als gäbe es sie nicht.

"Eddie? Was weißt du über meinen Vater?" frage ich schließlich, und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass die Zeit stehen bleibt. Ich höre ganz deutlich das Atmen der Leute, die um mich herum sitzen. Ich sehe in Zeitlupe wie Eddie's Gabel auf seinen Teller fällt und höre den hellen Klang auf dem Porzellan. Ich sehe die weiten, geschockten Augen von Venom als er seinen Kopf zu mir dreht. Ich höre wie Norman sich räuspert, sehe wie Dylan betreten zur Seite sieht, höre das Ticken der Wohnzimmeruhr unangenehm deutlich.
"Kiddo ich..."
Er kratzt sich betreten am Nacken "Das ist kein Thema für den Esstisch, weißt du?", antwortet er und ich seufze. Mit so einer Antwort hatte ich fast schon gerechnet.

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