~Kapitel 4~

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Lydia

Die Sonne verschwindet schon wieder hinter dem kleinen See, der wie in unserem Lager damals, an unser jetziges Camp mündet. Die kleinen Wellen glitzern im Sonnenlicht und wirken auf eine besondere Art und Weise beruhigend. So als wären diese Wellen, die Ruhe vor dem Sturm.

Ich weiß nicht wo Jake geblieben ist. Er ist, seit dem wir aus dem Hauptzelt herausgekommen sind, gleich begeistert durch die verschiedenen Zelte gelaufen. Ich bin aber raus aus dem Gewusel und habe mich hier an den See gestellt.

Nun stehe ich im flachen Wasser und schließe die Augen. Die warme Sonne scheint in mein Gesicht.

„Na, auch aus dem Chaos geflüchtet?“, sagt eine Stimme neben mir. Ich zucke vor Schreck zusammen und springe ein paar Schritte zurück. „Oh, sorry! Ich wollte dich nicht erschrecken!“, sagt eine Frau.
Sie ist ungefähr so groß wie ich und trägt ihre dunkelblonden Haare zu einem hohen Pferdschwanz zusammen. Ihre Körperhaltung ist lässig und sie kommt sehr selbstbewusst rüber.
Ich starre sie wohl immer noch verwirrt an, da sie mir ein „alles okay bei dir?“ entgegen wirft.
Immer noch etwas perplex nicke ich und löse mich aus meiner Starre. „Ich bin Melody, aber du kannst mich Mel nennen!“, sagt die Frau und treckt mir eine behandschuhte Hand entgegen. Zögerlich nehme ich ihre Hand und schüttele sie: „Lydia!“. „Bist du nicht die, die diese Zombiespiele überlebt hat?“, fragt sie und löst unseren Handschlag.
Ich nicke und stecke meine Hände in die Hosentaschen. Mir missfällt es, für das Ermorden von Freunden und deren Zurücklassung gelobt und gefeiert zu werden.
„Wo ist dein Teamkollege?“, fragt sie und sieht in Richtung des Camps, „Er ist schon irgendwie süß!“.

Hat sie gerade süß gesagt? Jake ist doch nicht süß! Also doch klar ist er das, er ist ja mein Freund. Aber das ist ja das Entscheidende: er ist MEIN Freund!

„Du meinst Jake?“, frage ich gespielt gelassen, „der tobt sich in dem Gewusel irgendwo aus!“. Sie nickt verständnisvoll und kommt näher zu mir. „Sag mal, lief da eigentlich was zwischen euch?“, deutet sie neugierig an. Ich schaue sie eindringlich an: „Ja, in der Tat und tut es immer noch!“. Diese Worte kamen deutlich aggressiver und lauter aus meinem Mund als gewollt. Ich wollte Melody nicht verschrecken, gerade jetzt wo ich eine „Freundin“ gebrauchen könnte.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht verärgern. Aber es ist gut zu wissen, wie ihr zu einander steht und haltet!“, sagt sie entschuldigend und lässt mich beschämt zu Boden schauen.

„Lydia!“, höre ich eine lang ersehnte Stimme rufen. Erleichtert drehe ich mich zu der Stimme und sehe Jake auf mich zukommen. Er legt seinen Arm um meine Schultern und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Hey, na? Geht’s dir besser?“, fragt er gerade mal so laut, dass nur ich es hören kann. Ich schmunzle und nicke kaum merklich, bis Melody sich räuspert. „Hey!“, meint sie und deutet ein Winken an. „Hi, ich bin Jake!“, begrüßt er Mel und streckt ihr seine Hand hin. Sie nimmt diese an: „Melody, aber nenn mich ruhig Mel!“. Jake lächelt sie leicht an, lässt seinen Arm von meinen Schultern zu meiner Taille wandern und zieht mich enger an ihn.
Die Sonne ist mittlerweile verschwunden und ihre goldgelben Fäden am Himmel verblassen langsam. „Wollen wir uns zurückziehen? Wir haben ein kleines Zelt zur eigenen Verfügung bekommen!“, wispert er. „Ich habe mich gerade noch mit Mel unterhalten…“, meine ich und mit einem Mal wollte ich noch nicht ins Zelt zurück. „Alles gut, wir können uns morgen auch wieder sprechen. Ich bin gespannt ob wir morgen zusammen eingeteilt werden!“, meint sie lächelnd.

„Bist du freiwillig hier, Mel?“, fragt Jake neben mir nun doch interessiert. Ein seltsames Gefühl breitet sich in mir aus und lässt mich etwas erbost auftreten. Dieses Gefühl hatte ich bisher noch nie gefühlt.

„Ja, ich habe mich zusammen mit einem Kumpel gemeldet. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und sind seit dem die besten Freunde. Nun sind wir zusammen hier!“, antwortet sie gechillt.

Sehe ich nicht recht oder lächelt sie Jake an. Was fällt ihr ein?- Moment mal…wieso denke ich so? Sie kann doch anlächeln wen sie will.
„Und wo ist dein Kumpel denn jetzt?“, fragt Jake voller Vorfreude auf neue Freunde. Neben diesem komischen neuen Gefühl, welches ich noch nicht benennen kann, spüre ich nun Schuld. Es fühlt sich falsch an, neue Freunde in dieser Wildnis zu finden, wenn die besten Freunde, hier draußen gestorben sind.
„Er lungert hier irgendwo rum und gabelt irgendwelche Mädchen auf, glaub ich!“, lacht sie und kickt ein bisschen Wasser aus dem See von sich weg. „Okay?!“, lacht Jake verunsichert. Irre ich mich oder ist sein Griff um mich enger geworden? „Das war ein kleiner Scherz!“, meint sie etwas verlegen, „er ist nicht so. Livian ist respektvoll und sehr nett!“.

Jakes Griff lockert sich wieder etwas, was mich etwas aufatmen lässt. Es reicht schon wenn ich panisch durch die Gegend renne. Wenn Jake jetzt auch noch beschützerischer wird als sonst, werde ich noch panischer.

„Livian?“, frage ich nun, um mich auch irgendwie in diese Konversation mit einzubringen. „Oh, ja entschuldige! Sein Name ist Livian! Er ist hat sich für die Exekution von den Zombies gemeldet und möchte Expeditionen übernehmen um die Gegenden zombiesicher zu machen!“, erklärt Mel.
Livian will die Zombies töten? Hat er gar kein Gewissen?
Mit einem Mal schlägt das komische Gefühl in leichte Wut um. Mir gefällt dieser Livian nicht und möchte ihm ungern über den Weg laufen. Der ist bestimmt so ein Macho-Typ, der mit Muskeln angibt um beeindruckend zu sein.
„Ah, interessant! Na dann, hoffentlich bis morgen Mel!“, verabschiedet uns Jake und winkt Mel zum Abschied, während er mich mit sich aus dem See ins Camp zieht. „Kanntest du Mel schon?“, fragt Jake mich auf dem Weg zu unserem Zelt. „Nein, sie hat mich angesprochen!“, antworte ich und lehne meinen Kopf an seine Schulter. „Vielleicht könnt ihr euch ja anfreunden. Dann wird dieser Aufenthalt etwas erträglicher für dich!“, meint Jake, als wir nun vor unserem Zelt ankommen. „Dieser Aufenthalt ist nicht schlimm für mich, Jake!“, widerspreche ich und schlüpfe, in die aus Stoff und Stöckern gebaute, Hütte. Jake folgt mir und zieht sich seine Jacke aus. „Lydia, ich sehe, dass du nur ungern hier bist!“, merkt er. Ich seufze und setze mich auf die aufgeblasene Matratze, die  mit einer einfachen Baumwolldecke und ein paar Kissen bestückt ist. Auch ich ziehe meine Jacke aus und löse meinen Pferdeschwanz auf, indem ich das Zopfgummi aus meinen Haaren ziehe. Jake setzt sich neben mich auf die Matratze und legt sein Kinn auf meine rechte Schulter. „Können wir morgen darüber reden?“, frage ich ihn ohne ihn anzuschauen und ziehe meine Schuhe aus. Dann lege ich mich hin und warte darauf, dass Jake sich neben mich legt. Dieser tut dies jedoch nicht, sondern schaut mich nur besorgt an. „Du kannst immer mit mir reden, okay?“, versichert er mir und ich zwinge mich zu einem Lächeln. Jake erwidert mein Lächeln und legt sich endlich neben mich und ich kann mich an ihn kuscheln. Ich schließe meine Augen und versuche einzuschlafen, während Jake seinen linken Arm um mich legt. Hoffentlich wird der nächste Tag besser und erträglicher…

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