Happy Birthday!

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„Guten Morgen, Mom und Dad!" rief ich die Treppen runter. Im Flur roch es bereits nach Waffeln, Kaffee und heißem Kakao. Endlich ging es mir wieder besser und all die schlimmen Ereignisse des letzten Jahres sind passé.

Ohne die Hilfe meiner Vertrauenslehrerin Ms. Kelly und ohne Dustin hätte ich das wohl niemals verarbeiten können. Auch wenn ich immer noch glaubte, dass Ms. Kelly denkt, ich würde sie verarschen.

Als ich ins Esszimmer komme reiße ich die Augen auf. Es ist der 21. März 1986. Heute ist mein 15. Geburtstag. Vor fast einem Jahr sind wir hergezogen und an meinem 14. Geburtstag saß ich noch mit Hailey zusammen an unserem Tisch in San Francisco und haben unseren Tag geplant.

Seitdem hat sich so viel verändert...

„Und?", fragte Dad. „Was macht unsere Prinzessin heute, an ihrem besonderen Tag?" Ich lachte. „Also erstmal frühstücken."

Ich setzte mich an den Tisch und fing an mir ein Stück von der Erdbeertorte zu nehmen, welche meine Mutter gestern Abend noch gebacken hatte. Vielleicht hatte ich sie ganz heimlich beobachtet...

Lächelnd gab mir meine Mutter einen kleinen Haufen Sahne auf den Teller.

„Willst du deine Geschenke später noch oder erst nach der Schule auspacken?", fragte sie. Ich schluckte schnell runter.
„Gleich, aber Mom, der Kuchen ist super. Ich liebe ihn."

„Danke, Schätzchen."

Als ich fertig war, schob ich satt meinen Teller zur Seite. Mein Blick schweifte über die beiden Geschenke die auf dem Tisch noch lagen. Weiter schweifte mein Blick durch den Raum bis er an der Uhr hängen blieb.

„Mist!", rief ich aus. „Mom, Dad! Ich kann die Geschenke doch erst später auspacken, sonst komme ich zu spät in die Schule."

„Aber, aber, wir fahren dich. Nun pack schon aus!"

Aufgeregt und erleichtert griff ich mir ein Paket und riss das Papier weg. Ein weiterer Karton befand sich darin, doch es war ein bunter Karton. Bei genauem Hinsehen sah ich dass er eine Polaroid- Kamera enthielt. Genau wie ich sie mir gewünscht hatte in bordeaux- rot!

„Danke!", rief ich glücklich. „Die ist super!"

Meine Eltern lächelten. „Genau wie du sie wolltest. Jetzt kannst du auf deinem Trip nach Lenora ganz viele Bilder für Dad und mich machen."

„Aber klar! Muss die später nur noch einstellen und dann könnt ihr euch vor Fotos kaum noch retten!" lachte ich.

Ungeduldig griff ich zum anderen Paket von dem ich ebenfalls das Papier abriss. Es war eine Kassette mit der Aufschrift. „Für Leo". Ich öffnete die Kassette und innen lag ein Band von „Power of Love" von Huey Lewis.

Ich drehte komplett durch. Es war mein absolutes Lieblingslied seit ein paar Wochen inzwischen und ich konnte einfach nicht genug davon bekommen.

Immer wenn es im Radio lief stellte ich es ganz laut und sang und tanzte bis das Lied zu Ende war. Manchmal hatte ich mir das Lied sogar von Max ausgeliehen, so dass ich es mir auf meinem eigenen Walkman anhören konnte, aber sie wollte es ja natürlich immer wieder zurück.

Endlich eine eigene Kassette haben zu können war so viel besser!

„Danke, Mom und Dad!" quiekte ich. „Ihr seid die Besten!"

Schnell sprintete ich, die Kassette immer noch in meiner Hand, zu den Beiden um den Tisch und drückte jedem ein Küsschen auf die Wange.

„So, Leo. Ich glaube, wir müssen dann aber so langsam mal los. Auch wenn heute dein Geburtstag ist, musst du leider in die Schule.

„Okay, ich bin sofort fertig. Ich räum nur eben schnell meine Sachen hoch."

Dummerweise stolperte ich auf der Treppe und mein Kopf fing an zu schmerzen. Ich hielt mir den Kopf und drückte meine Augen so fest es ging zu.

„Mist.", murmelte ich leise. Schon lange hatte ich keine Vision mehr gehabt, oder eine solche erzwungen. Ich wusste einfach nicht, ob es für mich vorhergesehen war. Aber obwohl... Immer wenn ich mir das Tattoo auf meinem Arm ansah lief mir so ein kalter Schauer über den Rücken und dann musste ich an Elfi denken, welche jetzt in Lenora ist, ohne ihre Kräfte. Aber Mike hat erzählt, dass sie in ihrem Brief geschrieben hat, dass es da toll ist und sie viele neue Freunde hat.

Ob es bei Will auch so ist?

Zu Thanksgiving letzten Jahres hatten Will und ich beschlossen uns zu trennen. Die Entfernung war einfach zu groß. Ich konnte nicht mehr normal leben. Außerdem sollte Will sich lieber eine Freundin suchen, die bei ihm wohnt und nicht dreihunderttausend Meilen entfernt. Von Hawkins bis nach Lenora ist es sehr weit.

Aber umso mehr freute ich mich morgen gemeinsam mit Mike dahin zu fliegen. Es war schwierig gewesen meine Eltern zu überreden, aber schließlich hatten wir gewonnen. Leider durfte Dustin nicht mit. Er wäre gerne, aber seiner Mutter war das zu riskant.

Heute Abend wäre also mein letzter Abend in Hawkins. Wir hatten geplant zum Meisterschaftsspiel der Hawkins Tigers zu gehen. Alle sagten, dass sie sich wohl dieses Jahr endlich mal wieder den Titel holen würden, aber eigentlich war mir das ganze Drama darum ziemlich egal. Viel mehr interessierte mich, ob Lucas es geschafft hatte Max zu überreden mitzukommen.

Man sieht sie nur noch alleine in der Schule mit Kopfhörern rumlaufen. Entweder von Klassenzimmer zu Klassenzimmer oder zu Ms. Kelly.

Im Gegensatz zu mir hatte sie sich immer noch nicht erholt von den Ereignissen. Nur manchmal schaffte ich es durch ihre Kopfhörer durchzudringen und dann redete sie mit mir. Aber sie ist dann immer ganz anders als man sich erhofft hatte...

Still, ohne Lebenswillen und trotz dessen, dass sie anwesend ist, fühlt es sich so an als wäre sie nicht da. Wie gern ich ihr helfen würde...

„Leo?!", rief meine Mutter energisch die Treppen hoch. „Warum sitzt du dort? Ich hab gesagt, wir wollen los!"

„Oh, sorry Mom! Ich war irgendwie in Gedanken..."

„Behalt dir deine Gedanken für Ms. Kelly, sie weiß wie sie damit umzugehen hat." Mom wollte sich wieder umdrehen als sie inne hielt. „Apropos, gehst du heute hin?", fragte sie.

Ich nickte. „Jeden Tag, sie will immer wissen, ob ich Alpträume hatte oder so."

„Na dann, komm jetzt bitte zum Auto, Leo."

Ich sprang auf und raste in mein Zimmer wo ich langsam und ordentlich meine Geschenke auf den Schreibtisch ablegte.

Kurz darauf sprintete ich wieder nach unten, durch die Haustüre, welche hinter mir krachend ins Schloss fiel und hüpfte ins Auto rein. Dad hatte bereits den Motor angemacht, weshalb wir gleich losfahren konnten.

„Happy Birthday, Leo", flüsterte ich mir so leise zu, so dass es meine Eltern nicht hören konnten und schaute aus dem Fenster wo die Häuser und Gärten an uns vorbeiflogen.

Ein anderes Leben (Teil 1) || Stranger Things Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt