Ein anderes Leben (Teil 1) || Stranger Things

Streit

„Guten Morgen, Leo!", rief Dustin mir zu, als ich aus dem Auto stieg. Im Schlepptau hatte er Mike und beide trugen ihre Hellfire-Club- Shirts. Genauso wie ich.

Als Will letztes Jahr weggezogen ist hatte sich unsere Gruppe fast komplett aufgelöst. Mike und Dustin lernten Eddie kennen und waren von da an täglich bei ihm D&D spielen. Max zog sich komplett zurück und Lucas fokussierte sich immer mehr auf das Basketball Team. Obwohl er immer nur auf der Bank saß hatte er Hoffnung behalten, doch nochmal irgendwann auf das Feld zu können.

Und als ich dann niemanden mehr hatte, der was mit mir unternehmen wollte, beschloss ich mich dem Hellfire- Club anzuschließen. Auch wenn ich vorher nicht wirklich akzeptiert worden bin, da ich noch nie gespielt hatte, habe ich extremen Spaß an dem Spiel und am Hellfire- Club gefunden.

„Happy Birthday!", sangen die Beiden gleichzeitig, als ich sie erreichte. Ich fing an zu lachen. „Danke."

„Bist du bereit für das Spiel heute?", fragte mich Lucas, der hinter den beiden auf einmal zum Vorschein kam.

„Du meinst das Basketballspiel, richtig?", fragte ich nervös. Ich hatte ihm versprochen hinzugehen. Es war das vorletzte Spiel der Saison. Wenn die Hawkins- Tigers gewinnen, dann gäbe es nur noch das Meisterschaftsspiel zu gewinnen.

„Ja, klar!", rief Dustin. „Und heute Abend rocken wir das D&D Spiel!"

„Aber Dustin, wenn wir heute das Basketballspiel gewinnen, dann kann ich am Abend nicht mit dabei sein.", gab Lucas zu.

„Könnt ihr die Kampagne nicht verschieben?", fragte er zögerlich.

„Lucas! Das ist schon seit so langer Zeit geplant. Wir können die nicht einfach verschieben." Mike sieht ziemlich genervt aus. Es ist nicht das erste mal das Lucas wegen Basketball nicht zum Hellfire- Club kommt. Und Eddie findet das bestimmt nicht gut.

„Es tut mir leid, Leute. Das Team braucht mich aber.", versuchte sich Lucas zu verteidigen. „Zum Bank warm halten?", Mike provozierte Lucas mit seinem Spruch. Er wusste, wie sehr Lucas eigentlich auf dem Feld stehen wollte.

„Man Leute, ihr müsst euch doch nicht immer streiten deswegen. Heute ist mein Geburtstag!", unterbrach ich, bevor Lucas auf Mikes Aussage eingehen konnte.

„Leo hat Recht. Wir können es sowieso nicht ändern. Wenn Lucas lieber zum Spiel gehen möchte dann soll er das machen. Wir können ihn schließlich auch nicht zwingen." Dustin stieß mir gegen den Arm und lächelte mir zu. Lautlos formte ich ein >Danke< mit meinen Lippen.

„Danke, Leute", sagte Lucas und warf Mike einen bösen Blick zu. Zwischen den beiden funkte es gewaltig. Und es ging irgendwie nicht in die richtige Richtung. Wie ich bereits sagte, unsere Gruppe brach auseinander, aber nichts was wir gemacht haben hat der Situation geholfen. El und Will fehlten. Vor allem Mike... und mir...

Will und ich haben wochenlang versucht unsere Beziehung mit telefonieren und Briefen aufrecht zu erhalten, aber es ist einfach unmöglich... Ich hatte ihn immer noch so gern, aber wer weiß, ob er auch noch dasselbe fühlte wie damals? Bevor alles anders wurde...

Dustin riss mich aus meinen Gedanken über Will: „Ey? Hörst du mir zu?"
Ich blinzelte ein paar Mal. „Sorry", sagte ich zu ihm. „Was hast du gesagt?"

„Krass, du warst ja voll weggetreten. Alles klar?" Ich nickte energisch. „Klar, also was ist?"

„Weißt du was wir jetzt für Unterricht haben?", fragte er, aber sah immer noch ziemlich verwirrt aus. Würde er es verstehen, wenn ich es ihm erzähle? Vermutlich nicht. So toll Dustin, Lucas und Mike auch sein mögen. Ich vermisste Max fröhliche Art, Will's Sticheleien und El's Ehrlichkeit. Die drei waren meine besten Freunde gewesen.

„Bio.", sagte ich abwesend.
„Super! Hoffentlich sezieren wir mal wieder was.", rief Dustin motiviert.

„Ew, Dustin. Du bist so ekelhaft. Ich hätte viel lieber Physik. Dann müsste ich nichts lebendiges behandeln.", entgegnete Lucas.

„Was? Wieso hab ich jetzt was anderes als ihr?", wunderte sich Mike und schaute auf den Plan.

„Vielleicht ein Fehler, oder so?" fragte ich.
Ich schaute auf seinen Plan. Tatsächlich stand dort nicht Biologie, sondern Kunst.

„Das geht nicht. Dann funktioniert die 4-er Gruppe nicht mehr. Außerdem kenne ich doch gar niemanden dort." Mike raufte sich durch seine schwarzen Haare.

„Du schaffst das schon.", sprach ich ihm zu. „Er ist kein Baby, Leo.", sagte Lucas und verdrehte die Augen. Dann schnappte er sich seinen Rucksack und machte sich auf zum Biologie-Zimmer.

Mike zuckte die Schulter und ging ebenfalls davon. Zurück blieben mal wieder nur Dustin und ich.

„Die beiden hören nie auf mit streiten.", stellte er fest. „Blitzmerker.", flüsterte ich fast lautlos, aber Dustin hörte es dennoch nicht. „Ich wünschte, die anderen drei wären hier."

Max war ja hier, dachte ich. Aber irgendwie nur körperlich. Ihre Gedanken schienen ganz weit weg zu sein.

Eben lief sie an uns vorbei. Sie sah uns nicht mal an. Jeden Kontakt zur Außenwelt versuchte Max mithilfe ihrer Kopfhörer zu vermeiden.

Traurig drehte ich mich um und sah ihr hinterher. Anscheinend lief sie mal wieder zur Schultherapeutin.

„Komm, Leo. Sonst kommen wir zu spät." Vorsichtig zog Dustin mich am Ärmel. Ich seufzte und lief ihm hinterher.

Im Klassenzimmer war es schon ziemlich voll. Lucas hatte sich ziemlich weit hinten hingesetzt und so weit ausgebreitet, dass sich niemand mehr auf den Platz neben sich hätte setzen können. Dustin und ich sahen uns an und setzen uns schließlich auf den Platz hinter ihm.

Die Stunde zog sich in ewige Minuten. Mr. Willow sprach nur über einen anstehenden Test, in dem es über das Sezieren gehen soll. Vorsichtig schaute ich zu Dustin rüber und merkte wie motiviert er darüber war. Bei jeder gestellten Frage des Professors hob er die Hand und beantwortete sie richtig.

Ich stützte meinen Kopf auf mein Handgelenk und überlegte wie es wohl El und Will ging. Hatten sie sich gut in der neuen Schule eingelebt? In einem ihrer letzten Briefe an mich hatte El mir erzählt, dass Will ständig an einem Bild malt. Sie glaubt, er hat Liebeskummer. Aber er will es ihr nicht zeigen. Vielleicht hat Will ja auch eine neue Freundin.

„Leonora?", fragte mich der Lehrer. „Wenn du schlafen willst, dann ist hier nicht der richtige Ort dafür." Schnell setzte ich mich gerade hin.

„Entschuldigen Sie. Ich war nur etwas abgelenkt."

Er zog eine Augenbraue hoch, aber ging nicht weiter drauf ein. Stattdessen ging er weiter im Stoff und nach kürzester Zeit hatte er mich auch schon wieder vergessen.