Anfang

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Ein Anfang

„Anfangen im Kleinen, Ausharren in Schwierigkeiten, Streben zum Großen.“

-Alfred Krupp

Durchschnitt. Kennt ihr das, wenn ihr ein Wort so lange im Kopf zermartert, dass ihr selbst dessen Existenz anzweifelt? Klar, Durchschnitt war Durchschnitt, aber was konnte man gross über den Durchschnitt sagen? Wie war ein Mensch, der durchschnittlich war? Wenn man die herzallerliebste Melanie Dingsbums fragen würde, dann wäre ich das perfekte Vorführmodell eines Prototyps des Durchschnittes. Cool oder? Ich vertrat eine Gruppe. Das gute alte Mittel. Nicht zu viel und nicht zu wenig, eben genau Mittel. Persönlichkeit, Aussehen, Verhalten und Leben? Naja, eben ganz Mittel. Das war also ich. Leonie di Lauro. Ihr versteht also, dass ich nicht gerade der aufregendste Mensch auf unserem Planeten war, auch nicht der klügste oder schönste Mensch. Ich hatte keine herausstechenden Talente und hatte auch keine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Im Nichts war ich bemerkenswert, hatte kein grosses Selbstvertrauen, war neurotischer als J.D bei Scrubs, konnte keinem wirklich bei irgendetwas das Wasser reichen. Ich war kein hoffnungsloser Fall, keines Wegs. Ich war mir bewusst, dass es von meiner Sorte noch einige gab und wiederum andere, die es viel schlimmer traf. Aber ich…ich war eben Durchschnitt. Oder doch nicht…?

Ich schüttelte lächelnd den Kopf und sah aus dem Fenster raus, auf die vorbeizischende Landschaft. Ich war eine goldene Seele, hatte ein Schicksal, dass sich von einem durchschnittlichen Menschen ziemlich unterschied. Durchschnittlich war hier schon lange nichts mehr…

„Mom! Sag Jaden er soll ein wenig Platz machen, er erdrückt mich!“, motzte Stefanio mein kleiner Bruder und drückte gegen Jaden, der nur grunzte und weiter seinen Kopf zur Musik bewegte.

„Stefanio, Jaden ist nun mal grösser als du, deshalb braucht er auch mehr Platz, also hör auf zu nörgeln. Wir werden gleich bei einer Tankstelle anhalten, okay?“, versuchte es Mom schon zum ungefähr hundersten Mal.

„Bis dahin bin ich schon zu Tode zerquetscht“, murrte Stefanio leise vor sich hin und starrte wieder aus dem Fenster. Wir sassen gerade zu fünft im Auto, auf dem Weg in die Toskana zu Opa und Nonna. Jaden hatte beschlossen seine Sommerferien mit uns zu verbringen und Opa und Nonna ebenfalls zu besuchen. Er kannte sie schon lange und da er praktisch zur Familie gehörte, war das kein Problem.

Ich schloss die Augen und hörte der Musik zu, die aus dem Autoradio kam. Elton John mit Your Song. Paps und Mom liebten Elton John, was man an ihren Gesangsversuchen leicht zu bemerken schien... Nachdenklich spielte ich mit meinem Medaillon. Das Medaillon von Sol. Ich musste wieder lächeln, als ich an meine Seelenfreunde dachte. An diese Leute, die mich mit einer Welt verbanden, die verrückter nicht hätte sein können. Die aus mir mehr gemacht hatten, als diese durchschnittliche, schüchterne Leo, die mir das Gefühl gegeben hatten besonders zu sein. Es waren schon einige Wochen vergangen, seit ich mich von ihnen getrennt hatte, seit ich mit dieser Geschichte versuchte abzuschliessen. Ich erinnerte mich noch an die ersten Tage, an denen ich versucht hatte weiterzuleben. Ich wollte nicht nochmal einen Absturz erleiden, wie ich ihn das letzte Mal hatte erleiden müssen. Nein, ich wollte kämpfen, wollte meinem Schicksal entgegensehen, auch wenn ich nicht wusste, was mich alles erwarten würde. Ich wollte aufhören, der Angsthase zu sein. Ich wollte wie sie sein: Mutig und für das Kämpfen was mir wichtig war. Ich sah mich im Auto um. Meine Familie und Freunde waren mir wichtig. Sie waren mein normales Leben, das ich nicht verlieren wollte. Egal wie schwer die Zukunft für mich auch werden würde, ich würde nicht aufgeben, was ich hatte.

Goldene Seele 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt