DONNERSTAG

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Es war Donnerstag. Normalerweise war der Donnerstag ein Tag, an dem einfach nichts Gutes passieren wollte. An Donnerstagen bekam ich die schlechten Noten zurück, stritt ich mit meinem Vater oder musste mieses Wetter ertragen. Auch diesen Donnerstag würde es in Strömen Regnen. Ich würde mich also nicht wieder mit Lars am See treffen können.

Ich musste dämlich grinsen, als ich an seine Küsse dachte. Seine süßen Küsse auf meiner Wange, meinen Lippen und meinem Hals, ganz vorsichtig, damit er keine Spuren hinterließ. Dabei wollte ich nichts sehnlicher, als dass seine sanften Taten für die ganze Welt sichtbar waren. Ich wollte, dass er mich zu Seinem machte.

Ich blickte auf mein Handy, auf dem Lars Nummer stand. Sollte ich ihn anrufen, oder käme das seltsam rüber?

Ich runzelte meine Stirn. Da war neben der Nummernfolge noch etwas auf meinem Handy, eine Notiz.

Komm heute Nachmittag bei mir in der Bäckerei vorbei.

- Lars

Die Worte zauberten ein Lächeln auf meine Lippen, dass auch auf dem Weg nach unten nicht verschwand. Manchmal geschahen gute Dinge sogar donnerstags.

Wieder lieh ich mir frische Klamotten von Tom und warf die Alten in die Waschmaschine im Keller. Auf dem Weg begrüßte mich Mila, die gerade dabei war Frühstückseier zu kochen.

Jetzt musste ich nur noch warten, bis es Nachmittag wurde. Irgendwie schien die Zeit immer langsamer zu vergehen, wenn man sich wünschte, dass sie schnell lief. Als wäre sie eine gemeine Zicke, die mich aus reiner Bosheit quälte.

"Wartest du auf irgendetwas, oder warum schweift dein Blick immer wieder zur Uhr?" Tante Mila hatte scheinbar meine sehnsuchtsvollen Blicke zur Küchenuhr bemerkt. Sie zwinkerte mir zu. "Ist es ein Mädchen, dass deine Gedanken nicht verlassen will?"

Ich nickte, auch wenn es eine Lüge war. Aber ich musste ihr wirklich nicht auf die Nase binden, dass der Sohn ihres Bruders schwul ist. War ich überhaupt schwul? Ich hatte ja auch schon Mädchen geküsst und es hatte mir auch gefallen, aber das mit Lars war etwas anderes gewesen. Es hatte sich so ... echt angefühlt, irgendwie realer. Ich war mehr, naja eben Ich gewesen. Nicht wie etwas, dass ich für meine Freunde oder irgendein Mädchen tat, sondern nur für mich und ihn.

"Du bist ja ein richtiger Player. Das sagt man doch so bei euch, oder?" Sie grinste. "Wie heißt sie denn?" Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Glücklicherweise sprach sie sofort weiter. "Nein, das ist dein Privatleben. Du musst mir das nicht erzählen, auch wenn ich wirklich furchtbar neugierig bin. "

Dankbar lächelte ich sie an und ließ meinen Blick ein weiteres Mal zur tickenden Uhr schweifen.

11 Uhr 24.

Das würde ein langer Tag werden.

~

Ich nahm das Rad in das Dorf. Inzwischen kannte ich den Weg die Landstraße hinunter. Ich trat so schnell ich konnte in die Pedale und rauschte in Richtung der kleinen Bäckerei, in der Lars arbeitete.

Dicke Regenwolken zogen am Himmel auf und ich hoffte, dass mich der Regen nicht einholen würde. Als mich die ersten dicken Tropen an der Wange trafen, wusste ich, dass ich nicht mehr trocken im Dorf ankommen würde.

Fluchend trat ich noch schneller in die Pedale. Wie ein Verrückter raste ich die abschüssige Straße hinunter. Der Regen wurde stärker und ich konnte schon das erste Donnergrollen hören. Jeden Moment würden die Wolken brechen und das Land vollständig überschwemmen. Hoffentlich war ich bis dahin bei Lars. Hoffentlich hielten wir uns dann in den Armen und tauschten sanfte Küsse aus, wenn die Sintflut über uns hereinbrach.

Nic - Eine Novelle (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt