SAMSTAG

179 3 0
                                    

Es war Samstag. Normalerweise war Samstag ein Tag, an dem ich zu irgendeiner Party gehen würde. Meistens kannte oder mochte ich die Leute da nicht einmal. Jasper zerrte mich immer zu diesen Partys, damit wir in der sozialen Ordnung der Schule aufsteigen konnten. Aber eigentlich ging es ihm nur darum, endlich mit Lotta aus der Zehnten ins Bett zu steigen. 

In einem Jahr wäre dieser ganze Irrsinn vorbei. Dann hatte ich mein Abitur in der Tasche und müsste anfangen, nach einem Job zu suchen. Gleichzeitig reizte und ängstigte mich diese Freiheit. Im Gegensatz zu Lars, hatte ich noch keine Vorstellung davon, wie mein Leben eines Tages aussehen sollte.

Ich kam die Treppe hinunter und stellte überrascht fest, das ich der erste auf den Beinen war. Von Tante Mila, die in der Küche stand und mir ein Ei anbot, fehlte heute morgen jede Spur. Also beschloss ich selbst für Spiegeleier zu sorgen. Tante Mila würde sich bestimmt freuen, wenn jemand anderes diese Aufgabe einmal übernahm.

Ich öffnete den Kühlschrank und holte drei Eier hinaus, die ich am Rand der heißen Pfanne aufschlug. Etwas Schale geriet in die Pfanne, doch ich konnte sie mit einer Gabel ohne Probleme hinausfischen. Wenn nur jedes Problem so einfach lösbar wäre, würde ich jetzt nicht hier stehen und den näherrückenden Sonntag fürchten. Es gab noch so vieles, was ich mit Lars tun wollte, so viel dass ich mit ihm erleben wollte. Aber die Wochentage verstrichen erbarmungslos. 

Eine sehr müde Tante Mila kam die Treppe hinunter. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, trug noch immer ihren Schlafanzug und sah aus, als hätte sie in der Nacht kein Auge zugetan. Schon an ihrer bloßen Ausstrahlung war spürbar, dass ihre Laune im Keller war. 

 "Wo warst du gestern?" fragte sie, offensichtlich angepisst. "Ich hab dich gestern zig mal angerufen."

"Ich war mit Leuten aus dem Dorf weg." log ich. Ich würde ihr bestimmt nicht erzählen, was ich gestern tatsächlich getan hatte. "Was war denn los?"

Sie fuhr sich durch die Haare und stöhnte genervt. "Das verdammte Auto ist liegen geblieben. Mussten per Anhalter zurückfahren. Außerdem hab ich mir Sorgen um dich gemacht, als du nicht ans Telefon gegangen bist. Ich könnt mir niemals verzeihen, wenn dir was passiert, weil ich nicht auf dich aufgepasst habe." Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und stützte ihren Kopf auf die Tischplatte. "Ich sollte meine Wut aber nicht an dir auslassen. Tut mit Leid."

Da war mehr hinter ihrer Wut, dass merkte ich. Hatte es vielleicht etwas mit dem zu tun, was zwischen ihr und Papa geschehen war?

Ich holte tief Luft. Vielleicht war es nun an der Zeit die Frage zu stellen, die mir schon seit meiner Ankunft auf den Lippen lag. 

"Was ist zwischen euch geschehen? Zwischen dir und meinem Vater?"

Mila hob ihren Kopf von der Tischplatte und sah mich verständnislos an. "Wie meinst du das? Was soll denn passiert sein?"

"Ihr meidet euch. Warum haben wir euch nie besucht?"

Ihr Blick verfinsterte sich. "Frag das besser deinen Vater. Glaubst du ich merkte nicht, dass er den Kontakt zu mir meidet? Für wie naiv hält er mich? Wie er immer ausreden sucht, wenn ich bei euch Zuhause anrufe. Er war schon immer kindisch! Er kann einfach nicht mit der Vergangenheit abschließen."

"Was war denn?" fragte ich beinahe flehend. Diese Sache schwebte über uns, wie eine Gewitterwolke, die jede Sekunde ihre Blitze entladen würde. Ich musste wissen, was es war. Ich wollte es verstehen. 

Tante Mila musterte mich eine lange Zeit. Dann seufzte sie tief. "Nun gut. Setz dich." Sie deutete auf den Stuhl neben sich. 

"Hat es etwas mir meiner Mutter zu tun?" Diese Vermutung hegte ich schon länger. Die Kälte zwischen Mila und meinem Vater war nachdem meine Mutter verschwand entstanden. 

Nic - Eine Novelle (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt