Tag der Ernte (September)

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[Madge]

 

Die Sonnenstrahlen, die zwischen den weißen Rahmen meines Fensters hindurch scheinen, wecken mich sanft.

Die Wärme prickelt auf meiner Haut und für eine Sekunde fühle ich mich unbeschwert und ein wenig beschwingt. Die letzen Tage des Sommers sind immer die Schönsten. Sie lassen das Grün der Bäume noch satter und die Wiesen noch weicher wirken, sodass man fast meinen könnte, die wärmsten Tage des Jahres könnten nie vergehen.

Das ist so grotesk.

Die Natur da draußen tut so, als sei alles unglaublich unbeschwert. Und genau dann, wenn mich sich für eine Millisekunde darauf einlässt, merkt man erst wie grotesk das ist.

Vor allem dann, wenn man realisiert, wasfür ein Tag heute ist.

Die Ernte.

Ich setzte mich langsam im meinem Bett auf und lasse den Kopf in meine Hände fallen. Auf einmal schwirren tausend Gedanken umher und lassen mir keine Ruhe.

Ich habe nicht die geringste Chance die Spiele zu gewinnen, falls ich gezogen werde.

Ich werde sterbe mit gerade einmal 16 Jahren und meine Mutter kriegt womöglich noch stärkere Kopfschmerzen, aus denen sie sich kaum erholen könnte.

Wenn sie einmal geraden nicht an akuten Schmerzen leidet sagt sie mir immer, wie sehr ich sie an meine Tante Maysilee erinnere. Ich habe sie nie kennen gelernt, weil sie in den 50. Jubiläumsspielen, in meinem jetzigen Alter, gestorben ist.

Maysilee wurde gezogen, obwohl ihr Namen auch, wie bei mir, nur fünfmal in der Lostrommel war.

Jedes mal wenn meine Mutter von ihr spricht merkt man, dass sie mit den Tränen kämpfen muss. Ihre Haut wirkt dann noch bleicher und ihre zarten Finger beginnen zu zittern. Sie ist eigentlich eine sehr hübsche Frau, aber der Verlust ihrer Schwester und die nicht enden wollende Angst, ihre Tochter auf die gleiche Art und Weise zu verlieren, haben ihre Gesichtszüge verhärtet und sie altern lassen.

Sie ist nie wirklich über Maysilees Tod hinweggekommen.

Ich bezweifle, dass sie nach meinem Verlust überhaupt noch einmal glücklich werden könnte. Ich bin alles was sie hat.

Doch das groteskeste an der Sache ist, dass ich mir nur halb so viele Sorgen machen sollte wie andere Leute aus meinem Distrikt. Zum Beispiel meine Freundin Katniss. In der Lostrommel sind dieses Jahr 20 Lose mit ihrem Namen darauf, und das, weil ihre Familie arm ist und sie, nach dem Tod ihres Vaters, zusätzliche Tesserasteine aufnehmen musste, um ihre Familie zu ernähren.

Ich musste nie auch nur einen Tesserastein in Kauf nehmen, denn ich bin die Tochter des Bürgermeisters und damit eine der wenigen Privilegierten in Distrikt 12.

Aber privilegiert heißt in diesem Fall nichts Positives. Das Einzige was es mir gebracht hat, ist die geringe Chance gezogen zu werden. Gering, aber nicht unmöglich.

Ansonsten heißt es nur, dass ich so gut wie keine Freunde habe, da ich den Meisten aus meiner Schule, vor allem denjenigen aus dem Saum, anscheinend suspekt oder gleichgültig bin und, dass der Junge, in den ich schon seit Jahren verliebt bin, mich keines Blickes würdigt, geschweige denn mit mir redet. Er hasst mich dafür, dass ich genug Essen und Geld habe, während er und seine Familie hungern müssen.

Of Storm and Strawberries  [Madge Undersee x Gale Hawthorne/ TVP FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt