VII

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Elothon stand am Fenster. Schnaufend blickte er auf die Unordnung, die in seinem Zimmer herrschte. Der Boden war bedeckt von Scherben und kleinen Wollfetzen, die wahrscheinlich einmal zu den Gardinen gehört hatten. Die Fliesen besaßen einige neue Kratzer, die er noch nicht in und auswendig kannte, über all das Getümmel hatte sich eine weiße Decke aus Federn gesenkt. Vielleicht waren die Fetzen auch ehemalige Teile des Kissenbezugs, fiel dem Lord auf.

Das Bett selbst war völlig durcheinander. Die Bettdecke flog irgendwo auf der Gardinenstange herum, das Kissen fand sich in seine Einzelteile zerlegt. Die Matratze lag schräg in ihrem Rahmen, ganz offensichtlich hatte jemand ausgiebig darunter gesucht. Es war ganz offensichtlich: Hier war jemand eingebrochen.

Betreten besah der Adelige das Chaos. Er hätte durchaus vorsichtiger sein können, das sah er jetzt ein. Und man hätte nachdenken können vorm Handeln! Vielleicht hätte er die Wäsche auch nicht einfach aus dem Schrank auf den Boden schmeißen müssen.

Dennoch bereute er seine Tat nicht, denn nun hielt er endlich in den Händen, was er überall gesucht hatte – dabei war es nur hinter die Bettkante gerutscht: Sein Kuschelhase. Glücklich drückte er das Tier, das beinahe so alt war wie er, an seine Brust. Nein, niemand würde je diesen Hasen stehlen, und falls doch, dann würde die vereinigte Macht seiner Untertanen über die Verbrecher hereinbrechen. Oder zumindest die Macht derer, die mit ihm befreundet waren. Auch schwierig, eher die Macht seiner Angestellten. Okay, das waren nur zwei oder drei kampffähige. Aber trotzdem, das Prinzip blieb.

Stöhnend bückte er sich, um den Hasen auf die Überreste des Kopfkissens zu legen, zumindest auf die, die sich noch im Bett befanden. Das waren leider gar nicht so viele, da musste wohl ein neues her. Dann zog er die Bettdecke von der Gardinenstange und deckte das verlorene Häschen zu.

Heini vor dem Schlüsselloch wagte kaum zu glauben, was dort geschah. War dies der gleiche Mann, der ihn eben noch so harsch abgewiesen hatte? Den er als herzlos verschrien hatte? Vielleicht musste man einfach näher in ihn hineinschauen. Auf die ungefährliche, freundschaftliche Art natürlich, nicht wirklich nach innen in seinen Körper. Wobei das auch interessant werden könnte, fiel dem Bauern auf, dessen schmutzige Leinen seltsame Kontraste zu den edlen Wandbehängen des Schlosses erzeugten.

Ja, er fühlte sich hier nicht besonders wohl, das musste Elothon auch wahrgenommen haben. Vielleicht hatte der es einfach als persönlichen Affront interpretiert – dabei war es gar nicht so gemeint gewesen. Es sollte eigentlich nur eine Frage sein, ob er sehr heraussteche. Aber die Antwort darauf war nun wohl gegeben.

Elothon begann währenddessen, sein Zimmer ein wenig aufzuräumen. Die Kleidung war nicht mehr auf der gesamten Fläche verteilt, sondern beschränkte sich auf einen kleinen Haufen, der traurig in einer Ecke des Zimmers vor sich hingammelte. Da konnte sich irgendwann der Zimmerjunge drum kümmern.

Nachdenklich über diese neue Seite, die er gerade am Lord kennengelernt hatte, wanderte Heini durch den Schlossgarten. Er war nun einige Wochen hier, und so langsam wuchs in ihm die Hoffnung, in diesem Gemäuer ein neues Leben beginnen zu können. Seine Frau hatte hier ebenfalls Unterschlupf gefunden, die Kinder tobten im Garten – es war wunderbar.

Über seiner Freude hörte er nicht, wie sich ihm leise die Schritte zweier Menschen näherten. Erst direkt hinter sich hörte er sie – und dann war es zu spät. Als er sich umwandte, erblickte er noch kurz eine blanke Messerklinge. Dann sah er nichts mehr. Die Jäger hatten entschieden. Die Hoffnung war wohl vergebens gewesen.

Mein Beitrag zum Ideenzauber 2022Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt