𝒀𝒆𝒂𝒓𝒔 𝒐𝒇 𝑳𝒐𝒗𝒆: III

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23.03.1849
1 Jahr vor der Ballnacht

Die Wellen kommen in einem tiefen Blau daher und werden golden, wenn sie den Sand am Ufer aufwirbeln. Jeder Farbton wird durch das strahlende Weiß der Wellenkämme noch schöner und lenkt den Blick vom wolkenlosen Himmel ab.

Die Wellen kommen, vergänglich und doch immer da, steigend, fallend. Der Farbton des Wassers ändert sich ständig und ist doch vertraut.

Wie könnte Hera sie nicht lieben, wenn sie nach innen tanzen und auf den Kieselsteinen prallen? Wie könnte sie es versäumen, die salzige kalte Luft oder die Liebe der Brise zu schätzen?

Was man liebt, das versäumt man nicht.

Seit zwei Tagen befindet sich Hera wieder in Bordeauxville. Die Aufregung, mit der sie am Meer wartet, gilt diesmal allerdings nicht ihrer Tante, sondern Joshua.

Seit nun einem Jahr kennt Hera Joshua. Sie begann, Scarlett öfters im Jahr zu besuchen, und verbrachte den Tag mit ihr und den Abend heimlich mit ihm, wenn sie sich tagsüber nicht sahen.

Mal trafen sie sich in der Bibliothek und animierten die verschiedensten Gesichtsausdrücken von Charakteren, die in Geschichten beschrieben werden, nach. Sie flochteten ein Ratespiel mit ein; wer erriet, welche Emotion es darstellen sollte, gewann.

Mal spazierten sie nachts heimlich im Rosengarten und genoßen die kalte Luft, gepaart mit der süßen Brise der Rosen, die sie daran erinnerte, keine Marionetten zu sein. Das sie ihre eigene Person sind. Und das sie leben sollen, nicht existieren.
Deswegen liebt Hera die kalte Luft, ebenso wie er.

Und mal kam er nachts heimlich in ihr Zimmer und sie spielten mit Karten - genau genommen, bauten sie Kartenhäuser, und auch da gewann der, der zuerst fertig war -, doch was auch immer sie machten, sie offenbahrten sich einander und lachten miteinander.

Er ist, gemeinsam mit Zoe, Scarletts persönlicher Assistent, wie sie es nennt, und aus dem Land, gegen dem Krieg geführt wird. Doch Hera schwor, niemanden etwas zu sagen. Joshua würde sie nicht verlieren wollen und zu Zoes und seinem Glück hört sich ihr Akzent tatsächlich eher nach Küstenstadt an.

Zu unserem Jubiläum habe ich eine Überraschung für dich, die dich erwartet, schrieb er in einen seiner Briefe, der in Scarletts Namen zu Hera kam.

Wenn Hera nicht in Bordeauxville war, war er bei ihr. Mit Briefen.
Er schrieb ihr, was er erlebt hatte, selbst wenn es nicht viel war und es sich nur um eine Qualle ging, die er verängstigt versuchte zurück ins Meer zu befördern, und erkundigte sich nach ihrem Wohlergehen.
Er ermutigte sie, wenn sie sich leer fühlte, und sie heiterte ihn auf, wenn er Heimweh hatte.

In den letzten orangefarbenen Strahlen, die Hera am Horizont beobachtet, ehe die Dämmerung eintretet und die Sterne herruft, glüht ihr Gesicht. So verloren sie auch in den Klängen der Wellen ist, so stumm ihre Gedanken auch sind, obwohl sie gerade noch an Joshuas Briefe dachte, und ihre Glieder taub, spürt sie, wie ihre Lippen ein Lächeln tragen.

Das ist nicht das einzige, was sie spürt. Sie spürt Wärme, und das ist nicht die der Sonnenstrahlen, es ist die Wärme einer Anwesenheit.
Sie weiß nicht, wie lange er schon neben ihr steht, doch sie ist froh, und liebt es, trotz der von Kälte herbeigeführte Taubheit seine Anwesenheit zu spüren.
Und das seine Stille ihr erlaubt, sich in diesen Moment zu verlieren.

Als Joshua Hera das erste Mal sah, hatte ihre Erscheinung etwas sanftes. Eine Art Schüchternheit, gepaart mit einer gewissen Freude, die ihn anzieht wie der Mond das Meer. Es war der Blick einer ehrlichen, doch verletzten Seele, und mit ihr zog sich auch seine Seele einen Schnitt zu.
Er hat im Leben schon einige traurige Wahrheiten kennenlernen müssen, doch verletzender sind die traurige Wahrheiten der Liebe. Und genau letztere musste er Wieder durch sie erfahren; Wie auch viele Menschen zusammen sind, ohne sich zu lieben, lieben sich viele, ohne zusammen sein zu dürfen.

𝐒𝐡𝐚𝐝𝐞𝐬 𝐨𝐟 𝐋𝐨𝐯𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt