1. Wie hört man auf zu weinen?

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[TW SVV]
[Das hier ist natürlich alles rein fiktiv und wenn einer der genutzten Charaktere das hier jemals lesen sollte und ein Problem damit hat, dann melde dich einfach, ich nehms sofort runter!]

Ich hab schon tausendmal gegoogelt: "Wie hört man auf zu wein'n?"

Mit Tränen verschleierter Sicht gab er den Satz in die Suchleiste ein. Wie hört man auf zu weinen. Wenn er nicht wollte, dass seine Kundschaft und zugleich sein sehr guter Freund Capi ihn heulen sah, würde er schnell eine zufriedenstellende Lösung benötigen. Denn wirklich Lust sich zu erklären hatte er nicht.

Der Konsens der Suchergebnisse war einfach nur 'Ablenkung'. Danke für nichts. Dafür hatte der Produzent jetzt keine Zeit. Und viel gebracht hatte das in der Vergangenheit auch nicht wirklich. Ob die Rumpelkammer aufräumen oder das Auto saugen, das hatte er alles schon durch.

Ich hab alles schon probiert
Mich selbst therapiert
Dich zehnmal schon blockiert
Die Wohnung neu tapeziert

Doch ein Tipp stach dann doch heraus:
'Sich selbst leichte Schmerzen zuzufügen, lenkt das Gehirn ab. In diesem Fall würde es sich also auf den Schmerz konzentrieren und nicht auf den Drang, zu weinen.'

Ein leises schniefen entwich ihm, als Vincent das Klappmesser aus der Schublade nahm, das einer der Rapper einmal bei ihm vergessen hatte. Einen Moment lang betrachtete er es einfach nur. Selbstverletzendes Verhalten, Autoaggression. Etwas das er sich nie vorstellen konnte. Und dennoch würde er im Moment alles dafür tun, von seiner beschissenen Situation abgelenkt zu werden. Dass dieser verdammte Schmerz endlich aufhörte. Dass er endlich mal an etwas anderes denken konnte.

Was ich auch mache, es hilft nicht
Ich frag mich, bei wem bist du heut Nacht und das killt mich
Jeder Gedanke handelt nur von dir, ich ertrag's nicht

Er atmete einmal tief durch, drückte die Klinge tief in seine Haut und-
„BRRRRATAN"
Er zuckte heftig zusammen, rutschte dabei mit der Klinge ab und schnitt eindeutig zu tief. Fuck.
Abwechselnd sah er von dem Schnitt an seinem Unterarm zu seinem ukrainischen Freund, der gerade die Treppen hoch joggte. Aus der Wunde rannen Unmengen an Blut, die jetzt langsam den Boden rot färbten. Im Schock konnte er nicht verhindern wie ihm das Messer aus der Hand rutschte und seinen Fuß nur sehr knapp verfehlte.
„Was... was hast du gemacht?", fragte der jüngere schockiert, als er Vincents blutverschmierten Arm und die kleine, dunkelrote Pfütze auf dem Boden sah. Panisch zog dieser seinen Ärmel nach unten und zischte im nächsten Moment laut auf, weil es brannte und höllisch wehtat.

Liebe kann doch nicht so krass wehtun
Ob du wohl auch grad an mich denkst?

Capi war schon losgerannt um den Verbandskasten zu holen, also musste es sich möglichst schnell eine gute Ausrede einfallen lassen. Aber hey, zumindest hatte er aufgehört zu weinen, der Tipp hatte funktioniert.
„Ach du scheiße, Bruder. Das hört gar nicht mehr auf maaan! Was machst du?!"
Der Rapper kippte alle Utensilien des Erste-Hilfe-Kastens auf dem Boden aus und durchwühlte hektisch den Haufen. Er nahm einen Verband und eine Kompresse und wollte schon damit beginnen, seinen Produzenten zu verarzten, als dieser ihn aufhielt.
„Stop. Mach nen Druckverband."
Capi hob verwirrt den Blick.
„Was Bra?"
Immer noch etwas durch den Wind erklärte Vincent ihm, wie man einen vernünftigen Druckverband machte.

„Aua... zieh halt noch fester zu man...", jammerter Vincent leise, als Capi etwas später den Verband mit aller Kraft anzog.
„Du hast gesagt eng zuziehen, Bruder"
„Aber nicht so dass meine Hand blau wird!"
„Übertreib nicht man. Sag mir lieber was du gemacht hast. Hast du dir das mit Absicht zugefügt Vinne?"
Capi sah dem anderen zum ersten Mal heute ins Gesicht und bemerkte so jetzt erst seine rot geschwollenen Augen, die er in der Hektik nicht wahrgenommen hatte.
Bevor sein Kumpel antworten konnte, meinte er streng: „Ich bring dich ins Krankenhaus und dann reden wir. Keine Widerrede. Das muss genäht werden!"
„Wie bist du überhaupt reingekommen?! Du hast mich zu tode erschreckt."
„Bratan deine Tür steht offen. Wie eigentlich immer. Komm jetzt!"
Vincent erhob sich und musste sich kurz an Capi festhalten, da ihm von dem ganzen Blutverlust schwindelig wurde.
„Alles gut man?", fragte dieser und legte unterstützend die Hände an seine Hüfte.
Vince schloss kurz die Augen und Atmete tief durch.
„Geht schon, danke.", antworte er und dachte kurz nach, „...aber ich bin mir sehr sicher, dass ich heute nicht offen gelassen habe. Ich mach in letzter Zeit immer die Tür zu."
„Dann hast du's halt heute mal vergessen. Gewohnheit und so."
„Capi. Verarsch mich nicht."
Der ältere steckte sein Handy ein und ging vor zu dem Porsche seines Kumpels.
„Okay, ich hab deinen Ersatzschlüssel abgezogen Bruder. Zufrieden? Wehe du blutest die Sitze voll!"
Vincent ließ sich auf den Beifahrersitz sinken und seufzte leise.
„Du bist manchmal unmöglich..."
„Ich weiß Bra."
Der kleinere stieg ein und fuhr los. Die Fahrt verlief großteils schweigend und ereignisarm. Vincent starrte müde aus dem Fenster und Capi musste sich konzentrieren, um so schnell wie möglich fahren zu können, aber dabei nicht geblitzt zu werden oder einen Unfall zu bauen.

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