3. Bau keine scheiße damit

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Ungefähr eine Stunde später saß Capi mit Vincents Notizbuch auf dem Schoß im Studio und telefonierte sich kreuz und quer durch seine Kontakte. Irgendwer musste doch von Dag gehört haben, oder? Nein. Niemand. Aber es sollte ihm egal sein, er telefonierte ja auf Vincents Telefonrechnung und reden tat er sowieso schon immer gerne.

„Hübner, Hallo?”
„Clueso, Brrratan!”
„Capi! Was geht? Warum rufst du mich an?”
„Hast du Dag gesehen dicka?”
„Dag? Ne, schon ewig nicht mehr.”
„Also ist der auch nicht in Sachsen, puhhh…”
„Thüringen, Capi. Thüringen.”
„Ist das nicht in Sachsen dicka?”
„Das sind zwei verschiedene Bundesländer…”
„Beides Nazis”
Der erfurter Sänger schnaubte genervt.
„Ich hab dich wirklich lieb, aber gerade hab ich wenig Zeit und bin gestresst. Wir reden wann anders okay?”
„Na gut. Danke trotzdem Bruder.”
„Ja, ist gut. Ciao!”
Noch bevor Capi sich verabschieden konnte, hatte der andere aufgelegt.

In dem Moment setzte sich aber Vincent sich hinter ihm auf.
„Sprich die Ossis niemals auf Nazis an, das kommt nicht gut…”
Capi drehte sich zu ihm und musterte ihn besorgt. Seit sie wieder da waren hatte Vincent die ganze Zeit durch geschlafen.
„Wie gehts, Bratan?”
„Geht schon. Und, schon was rausgefunden?”
„Also Sidos Sohn hat Durchfall, Kontra K streicht irgendne Hauswand, Helena Fischer mag mich glaub ich nicht, dieser Krokodil oder so hat jetzt nen Hund und außerdem sind irgendwie alle deine Freunde anstrengend.”
„Sie heißt immernoch Helene, wie oft noch? Außerdem sind viele davon auch deine Freunde. Nein, ich meinte was du zu Dag gefunden hast!”
„Achso. Also ich weiß wo er nicht ist.”
„Sehr hilfreich…”
„Chill, ich bin noch nicht durch. Jetzt kommt… ähh… was heißt das?”
Vincent warf einen Blick auf die Notiz mit Namen, Handynummer und E-Mail Adresse.
„Swiss.”
„Kenn ich nicht.”
„Doch, das ist der Punker, der dir bei unserem letzten Release in die teuren Schuhe gepisst hat.”
„Ahh, der Bastard!”
„Capi, ich vertrau dir mit den Nummern. Bau keine scheiße damit!”
„Ja, ist ja gut. Jetzt halts Maul, ich muss telefonieren!”
Vincent seufzte, schnappte sich sein anderes Notizbuch und ging raus. Dieses Telefonat wollte er sich beim besten Willen nicht antun. Stattdessen fing er an zu schreiben. Ohne groß darüber nachzudenken brachten seinen Finger die ersten Zeilen eines Liebeslied aufs Blatt. Wie so oft in den letzten Tagen.

Wie viele Lieder muss ich noch schreiben, um dich zu vergessen?

Zur gleichen Zeit gab Capi die Nummer ins Telefon ein. Während es wählte tippelte er unruhig mit den Fingern auf dem Tisch herum.
„Moin Vince!”
„Digga hier ist nicht Vincent. Du hast in meine Gucci Sneaker gepisst du 31er!”
„Ouuuu… Capital Bra…”
„Genau der! Was sollte das?!”
„Du bist ein scheiß Kapitalismus-Opfer, weißt du das eigentlich? Was willst du von mir?”
„Chill Bra, mal ganz ruhig. Hast du Dag gesehen?”
„Wieso willst du das wissen?”
„Ähh…”, Capi dachte nach. Wenn er jetzt Vincent erwähnen würde und der Typ etwas wusste, würde er ihm garantiert nichts sagen. „Dicka, der hat mein Mikrofon ausgeliehen und wollte mir das eigentlich schon lange wieder geben. Ich hab auch schon ewig nichts mehr von dem gehört, ich mach mir ein bisschen Sorgen, Bratan.”
„Alles gut, musst du nicht. Der ist hier in Hamburg und Umgebung. Manchmal pennt der hier, aber meistens treibt er sich irgendwo rum oder ist bei Ferris. Musst dir keine Sorgen machen, er ist okay.”
Verwirrt über den plötzlichen Stimmungswechsel seines Gesprächspartners starrte der Ukrainer erst einige Sekunden die Wand an, bis er 'Hamburg' und 'Ferris' notierte. Wenigstens etwas.
„Okay, das ist gut man. Kannst du mir die Nummer von diesem Ferris geben?”
„Du sagst aber nichts Vincent, klar?”
Capi setzte einen unwissend klingenden Tonfall auf.
„Vincent? Wieso Vincent?”
„Ach nichts. Schon gut. Also, die Nummer ist die 0159 025 58 735”
„Okay, hab ich. Danke Bra!”
„Kein Ding. Bin ich dir vielleicht schuldig…”
„Vergessen wir das. Ciao Swiss!”
„Machs gut.”

Capi legte auf, atmete einmal tief durch und wählte erneut.

„Hallo?”
„Hallo mein Name ist Vladislav, ist da… ähh… Ferris?”
„Ähh ja. Worum gehts?”
„Dicka, ich hab gehört Dag ist bei dir. Kann ich mit dem reden?”
„Kennt ihr euch?”
„Ja, wir sind gute Freunde, Bratan!”
„Der ist gerade nicht da. Aber er redet momentan eh kaum. Ich glaub nicht wirklich, dass er ans Telefon will…”
„Warum?”
„Ich hab versprochen nichts weiterzuerzählen. Eigentlich dürfte ich nicht mal sagen, dass er da ist.”
„Okay, was auch immer. Danke trotzdem dicka!”, Capi senkte leicht die Stimme, „Pass bitte gut auf ihn auf, ja?”
„Mach ich. Keine Sorge.”
„Dann leg ich jetzt auf. Danke man.”
„Kein Ding. Ciao!”
„Tschüß Bra!”

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