4. Na dann mal los

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Vincent war mittlerweile so fokussiert auf seine Arbeit, dass er nur am Rande mitbekam, wie Capi sich zu ihm setzte und einen Blick in seine Notizen warf.

Ich sitz immer noch hier und schreib dir diese Zeil'n

„Sag Mal wie viele Lieder willst du eigentlich noch über ihn schreiben?"
„Das ist gut...", murmelte Vincent und notierte sich 'Wie viele Lieder muss ich noch schreiben?'.
„Weißt du wo dieser Ferris wohnt?"
„Klar."
„Dann pack deine Sachen, wir fahren jetzt nach Hamburg!"
„Warum?"
„Dag ist da!"
„Bei FerrisMC?"
„Warte mal... ist das nicht der andere von den Punks digga? Der mein' Porsche zerkratzt hat?!"
„Ist doch egal jetzt!"
Vincent sprang begeistert auf, rannte nach drinnen und begann einige Dinge in seinen Rucksack zu werfen. Capi hingegen trottete nur hinterher und murmelte: „Also eigentlich ist mir das nicht egal."
„Was soll ich ihm überhaupt sagen?"
„Das es dir leid tut und du ihn um eine zweite Chance bittest oder so? Warum fragst du ausgerechnet mich das? Du weißt, ich bin schlecht in sowas!"
„Was wenn er nein sagt?"
„Dann ist das so. Aber dann weißt du es zumindest."
„Warum findest du eigentlich immer die richtigen Worte?"
„Das ist mein Beruf, Bratan!"
„Warum schreibst du dann nicht sowas sondern "Yalla weg, weg. Capital ist back. Wer will mich als Feind haben, Schüsse aus dem Leihwagen. Ich bin zugekokst mit Nutten im Hotel und lass mir einen blasen. Du musst mit ner Nutte einschlafen. Der Bratan hier ist-""
„Ich habs verstanden! Mach nicht diese! Warum nimmst du nur die schlechten Beispiele man? Was ist mit Einsam an der Spitze? Papas Passat? Die Wahrheit ist kein Hit?"
„Ist gut.", Vincent lachte leise, „Wenn du willst kannst du richtig poetisch sein. Du willst nur nicht."
„Poetisch? Wenn du meinst..."
„So ich hab alles, wir können los!"
„Hast du nicht noch das da vergessen?"
Capi zeigte in irgendeine unordentliche Ecke, zog sobald Vincent weg sah seine externe Festplatte ab und steckte sie sich in die Tasche.
„Ne was denn?"
„Ach das sah aus wie dein Handy, sorry Bra."
„Achso. Können wir dann?"
„Ja man. Ich brauch ja nichts mitnehmen..."
„Das ist sehr gut."
Den ironischen Unterton seines Kumpels geflissentlich überhörend, ging Vincent wieder zu Capis Porsche und stieg ein. Capi nahm sich sein Handy, seinen Geldbeutel und ein Redbull aus dem Kühlschrank, ging hinterher und zog die Tür hinter sich zu.
„Na dann mal los...", murmelte er und stieg ein.

Vincent wurde im laufe der Fahrt immer aufgeregter und quatschte Capi regelrecht das Ohr ab. Der Rapper nickte nur ab und an, gab einen Kommentar zu dem gesagten ab oder versuchte Vincent zu beruhigen.

„Hier Links in die Straße. Direkt da vorne ist es."
„Der Puff?!"
„Die Wohnung darüber, du Vollidiot!"
„Wohnen da nicht immer die Nutten, Bra?"
„Jap."
„Hä?"
„Kennst du ihn...?"
„NICHT DEIN ERNST?!!"
Vincent zuckte grinsend mit den Schultern.
„Vincent verarsch mich nicht!"
„Tu ich nicht."
„Dag wohnt bei nem Stricher?!"
„Jap."
Capi wirkte zunehmend fassungslos als er vor den Bordell einparkte.
„Aber... aber..."
„Bevor dir noch die Augen aus dem Kopf fallen, dicka... das war ein Witz. Der wohnt da nur weils billig ist. Du solltest aber dringend an deinen Vorurteilen arbeiten..."
„Du bist so ein Bastard!"
Lachend wich Vincent einem leichten Schlag auf seine Schulter aus.
„Als ob du das wirklich geglaubt hast?"
„Dicka, ich kenn den Typen ja nicht!"
Als sich Capi endlich von seinem Schock erholt hatte, stieg er auch langsam ins Lachen mit ein.

Als sie, immer noch wie zwei bekloppte lachend, aus dem matt silbernen Porsche aussteigen, kassierten sie einen sehr interessierten Blick von einer Sexworkerin, die zum Rauchen vor der Tür stand. Capi holte auch direkt eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche.
„Ey Mädchen? Hast du Feuer?", sprach er die Dame an, die ihn nach wie vor begeistert auscheckte.
„Klar, hier bitte. Seid ihr Kunden?"
Sie reichte ihm ein Feuerzeug und streichelte ihm nachdem er danach gegriffen hatte leicht über den Arm.
„Ne man. Wir wollen hoch in die Wohnung!"
Capi zündete sich seine Kippe an und gab das Feuerzeug zurück. Das mehr als auffällige flirten schien ihn dabei völlig kalt zu lassen.
„Ah zu Sascha!"
„Ne man, zu Ferris."
„Ferris ist Sascha, kannst du dich jetzt beeilen? Ich will zu Dag."

„Ist schon da.", ertönte es aus einer anderen Richtung. Vincent zuckte zusammen. Diese tiefe, raue Stimme war ihm so vertraut, dass er erschauderte. Capi schien sich mindestens genauso erschreckt zu haben, denn auch ihm kam die Stimme ziemlich bekannt vor.

Zwischen zwei parkenden Autos trat nun Dag hervor, der augenscheinlich bis eben dort gesessen hatte.
„Einfach gespawnt...", kommentierte die Prostituierte leise.
„Was willst du hier, Vincent?"
Dag klang so kühl wie Vincent es noch nie erlebt hatte. Unterbewusst machte der Produzent einen Schritt näher zu Capi und von Dag weg. Er spürte wie sich seine Brust schmerzhaft zusammenzog und seine Augen wässrig wurden.

Du bist alles, was ich brauch
Und jetzt gibst du mich auf
Du hast mein Herz geraubt
Ohne dich geh ich drauf

Wie viele LiederWo Geschichten leben. Entdecke jetzt