°𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍 11•

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Meine Faust ballte sich, schnell entspannte ich sie, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem lächelte ich Ian an und streckte ihm meine Hand entgegen.

"Willst du nicht mit ins Meer?" fragte ich, obwohl er mir zuvor die gleiche Frage gestellt hatte. Bedacht nahm er meine Hand, und ich spürte, dass er mich nicht durchschaute.

Pablo sagte einmal, ich sei ein verschlossenes Buch, doch die Gefahr, darin gelesen zu werden, bestand. Ian ließ meine Hand los, ich fühlte nur den Hauch darunter, bevor ich in seinen Armen lag.

Ich erlaubte es, mich von der Szenerie mitreißen zu lassen, widerstand nicht, meine Fassade blieb stark, als ich an meinen Vater dachte.

Gemeinsam steuerten wir auf das Meer zu, bis es uns kühl umfing. Wir entfernten uns voneinander im Wasser und blickten schweigend in die Augen.

"Du bist keine Ware oder Nutte. Das könnte ich in deinen Augen erkennen, bellezza." Ian kam mir näher und strich mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Auch wenn seine Augen faszinierend waren, konnte ich ihm nicht verzeihen, was er mir angetan hatte.

Seine Hände ruhten auf meiner Taille, wir musterten uns. Doch meine wahre Absicht war Rache, sehnsüchtig wartete ich darauf. Als die anderen auf uns zustürmten, entzog ich mich Ians Griff.

Auch wenn ich es nicht zeigte, begann ich, die Schachfiguren auf dem Brett zu platzieren und meine Züge zu planen.

Die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen, wir beschlossen, den Strandtag zu beenden. Der Tag war nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance für neue Verbindungen.

Auf dem Rückweg spürte ich Alex' skeptischen Blick, der förmlich in meinen Rücken brannte. Seine Miene zeigte Verwirrung und leichte Besorgnis. In meinem Zimmer suchte er nach Erklärungen.

"Lucia, was war das mit Ian?" fragte er ernsthaft. Sein Gesicht drückte Unverständnis über die Freundschaft aus, die sich am Strand zu entwickeln schien.

Ich seufzte, versuchte meine Gedanken zu ordnen. "Alex, es ist kompliziert. Heute war einfach ein friedlicher Strandtag. Nichts, worüber du dir Sorgen machen musst", beschwichtigte ich die Situation.

Alex runzelte die Stirn, es war klar, dass er nicht so leicht überzeugt war. "Lucia, ich mache mir Sorgen um dich. Ian hat keinen positiven Eindruck hinterlassen. Warum suchst du seine Gesellschaft?"

Seine besorgten Worte spürte ich, konnte jedoch nicht die ganze Wahrheit preisgeben. "Nennen wir es einfach einen schönen Tag. Keine Sorgen, okay?" Versuchte ich, ihn zu beruhigen, obwohl ich wusste, dass er meine Antwort nicht vollständig akzeptieren würde.

Sein skeptischer Blick blieb, schließlich nickte er widerwillig. "Sei vorsichtig, Lucia. Ich will nicht, dass du wieder verletzt wirst."

Unter der erfrischenden Dusche floss das Wasser über meine Haut und wusch den salzigen Strand ab. Die feuchte Umgebung schuf eine Intimität zwischen meinen Gedanken und mir, die ich nicht ignorieren konnte.

Während der Wassertropfen auf meine Haut prasselten, erinnerte ich mich an die Narben, stumme Zeugen meiner Vergangenheit. Die feinen Linien erzählten Geschichten von Überwindung und Widerstand gegen die Dunkelheit, die einst meinen Weg säumte.

In meinem Kopf formten sich Bilder vergangener Tage, vor allem Momente. Seine Worte waren giftige Pfeile, die tiefe Wunden hinterließen, die lange nicht verheilen wollten.

Die Narben erinnerten mich daran, wie stark ich geworden war, um aus dem Schatten herauszutreten. Trotzdem spürte ich, wie die schmerzhaften Erinnerungen im warmen Wasser der Dusche auflebten.

Lucia VeleraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt