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Tobi zieht seine neue Freundin, die er erst seit drei Wochen kennt, in seine Arme. »Soll ich dir auch eins machen? Was meinst du?«, witzelt er und drückt belustigt die Schultern der kleinen Blondine.

»Ja, am besten jetzt gleich«, grinst sie und stellt sich auf die Zehnspitzen, um ihn zu küssen. »Wie lange dauert's bei euch denn noch?«, fragt sie an Julia gerichtet und betrachtet ihren mittlerweile deutlich gewölbten Bauch mit strahlenden Augen.

»Halbzeit«, schmunzelt sie und wirft mir einen kurzen Blick zu, der so viel bedeuten soll, wie ich kann es wirklich nicht mehr abwarten, ich will sie endlich in dem Armen halten.

»Und was wird's? Wisst ihr das schon?«, will Tobi jetzt wissen.

Ich könnte platzen vor Stolz, weil ich mir jetzt schon zu einhundert Prozent sicher bin, dass unsere Tochter mindestens genauso schön werden wird wie ihre Mutter.

»Ja«, gebe ich zu. Julia wirft mir einen warnenden Blick zu. »Aber das ist unser kleines Geheimnis«, füge ich schnell hinzu und lege mir einen Finger an die Lippen, bevor ich noch einen Schluck von meinem alkoholfreien Bier nehme. Julia beginnt zu lächeln und lässt ihre Hand über unser kleines Wunder wandern. Das macht sie in letzter Zeit beinahe ununterbrochen und müsste ich nicht arbeiten, würde meine Hand mit Sicherheit auch durchgehend an der gleichen Stelle verweilen. Jeden Moment könnte der erste kleine Tritt kommen.

»Man könnte denken, du wärst der, der das Kind austrägt«, wirft Tobi mir zu und schaut mich dämlich grinsend an.

Mein Lächeln erstirbt und meine Finger krallen sich ein wenig zu fest um den Flaschenhals. Seine Freundin bemerkt es nicht. Julia blickt auf. Ihre Mundwinkel sinken augenblicklich und ihre Hand bleibt still liegen.

»Tut mir leid«, murmelt Tobi schnell. »Sorry.«

»Was hast du jetzt schon wieder fieses gesagt?«, faucht seine Freundin, die sich nun von Julias Bauch abgewendet hat, und wirbelt zu ihm herum. Kurz straft sie ihm mit einem missmutigen Ausdruck und einer flinken Beleidigung auf den Lippen. Dann bricht sie in ein sanftes Lachen aus und ihr Blick wird wieder rosarot.

Sie kennt Daniel nicht. Vielleicht hat sie den kleinen Artikel über den Unfall in der Tageszeitung gelesen. Vielleicht hat sie die Traueranzeige gesehen. Ich bezweifle, dass Tobi ihr davon erzählt hat. Über solche Dinge redet er nicht.

Ich schon. All unsere Freunde wissen, dass ich seitdem kein Alkohol mehr trinke. Selbst, wenn ich wollte – Ich vertrage ihn nicht mehr. Schon seit ein paar Wochen habe ich mich nachts nicht wie aus dem Nichts übergeben müssen. Aber ich halte keine einzige Flasche herkömmliches Bier aus, ohne direkt danach über der Toilette zu hängen.

»Nicht so wichtig«, gibt Tobi tonlos von sich. Kurz treffen sich unsere Blicke, dann bombardiert er Julia mit weiteren Fragen zum Baby.

Bald trifft auch der Rest unserer alten Truppe ein. Die wenigsten von ihnen habe ich seit der Beerdigung mehr als einmal gesehen. Wir treffen uns nicht mehr alle zwei Wochen hier im Wohnzimmer bei Tobi. Zumindest bin ich bei keinem dieser Treffen gewesen. Sicherlich hat jemand das ein oder andere Mal versucht, mich anzurufen.

Klingelnde Telefone machen mir panische Angst. Außer, wenn Julia allein mit dem Auto unterwegs ist. Dann lasse ich alles stehen und liegen, setzte mich auf meine Bettkante oder in den Pausenraum auf der Arbeit und warte auf ihren Anruf. Am liebsten würde ich ihr ganz verbieten, selbst zu fahren. Aber das ist nicht meine Entscheidung. Ohnehin fährt vermutlich auch sie besser als ich. Nur läge es wenigstens innerhalb meiner Kontrolle, würde ich hinter dem Steuer sitzen.

Gegen zwanzig Uhr sind alle da. Nur von Kasia ist keine Spur.

Die Stimmung ist seltsam. Julia strahlt mehr als das Geburtstagskind und ist der Mittelpunkt aller Gespräche. Sie sieht glücklich aus und das lässt mich lächeln. Das alkoholfreie Bier in meiner Hand schmeckt gar nicht so übel.

GlimmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt