Kapitel 15

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[Das Lied einer einsamen Violine]

~Finale No.1 in E-Flat Major, Op. 15 No. 1~

||Ein Jahr und zweieinhalb Monate nach Casmiels Verschwinden||

„Es gibt niemanden mehr auf diesem Planeten, der in der Lage ist, mich zu lieben"

Gordon hörte auf, auf seinem Block herumzukritzeln und sah interessiert auf. Seine Augen waren über dem Rand seiner halbmondförmigen Brille und beobachteten Casmiel, als hätte er eben etwas wichtiges ausgesprochen.

„Elaboriere" meinte Gordon nur. Er hatte sich an Casmiels Art und Weise angepasst, Informationen zu erhalten. Kurz, bündig und effizient. Kein Zeitverlust durch unnütze Worte und irrelevante Fragen. Casmiel wollte heilen, Gordon wurde dafür bezahlt. Wie Casmiel sich fühlte, war nur wichtig, wenn es Gordon half ihn zu verstehen. Nicht weil er sich Sorgen oder dergleichen machte.

Er machte sich Sorgen. Schließlich würde er Casmiel als Freund sehen, wäre ihre Beziehung nicht professionell. Doch Gordon war kein Unmensch. Er machte sich Sorgen um all seine Patienten, egal wie gebrochen sie waren.

„Meine beste Freundin hasst mich, da ich sie verraten habe, mein Freund wird mich hassen, da ich ihn für egoistische Gründe allein gelassen habe und Sie wissen inzwischen von der Komplexität meiner Familie. Ich denke nicht, dass sie mich jemals wirklich geliebt haben, also fallen sie ebenso aus dieser Liste. Es mag sein, dass ich Verehrer und Freunde habe, doch auch sie würden aufhören mich zu lieben, sobald sie die Wahrheit hinter meiner Maske erkennen würden" zählte Casmiel klar und sachlich auf, als wäre es ein Bericht, keine Darbietung seiner derzeitigen Lage.

Gordon nickte nur bedächtig und schien nachzudenken.
„Was ist, mit Ihrem Vater?" fragte er plötzlich und Casmiel hob fragend eine Augenbraue.

„Mein Vater?"

„Ihr Vater. Sie sagten, und ich zitiere, ‚Mein Vater ist nicht in der Lage zu lieben, doch ich fühle mich nur wirklich geliebt von ihm'. Wollen Sie dies weiter ausführen?" las Gordon von seinen früheren Notizen vor, die er auf seinen Block geschrieben hatte und Casmiel war wieder still.

„Klassische Konditionierung. Ich war der Hund, er mein Futterspender und seine Worte dienten als Glocke. Es hat gereicht, wenn er mir sagte, dass ich ihn stolz machen könnte und ich tat es. Irgendwann musste er mir keine Vorgaben mehr geben, seine Worte reichten als Auslöser für meine Taten. Es waren meine eigenen Entscheidungen" meinte Casmiel schulterzuckend, seine Emotionen unterdrückend. Er vertraute Gordon auf einer tieferen Ebene, doch seine wahren Gefühle waren noch immer eine sehr fragile Sache, die er nicht mit jedem teilen konnte.

„Er hat Sie also darauf trainiert, seine Gedanken zu lesen. Sie haben getan, was er wollte, ohne einen Befehl zu erhalten" fasste Gordon zusammen, während er sich zugleich Notizen machte. Seine Augenbrauen waren überrascht gehoben und er schien überrascht, wenn nicht sogar erstaunt.

„Das ist genial" hauchte er unter seinem Atem und sah schnell auf. „Tut mir leid. Es ist natürlich schrecklich, was Ihr Vater Ihnen angetan hat. Doch es ist genial" meinte Gordon nur und kaute auf seinem Stift herum. Eine Angewohnheit, die zeigte, wenn er wirklich investiert war.

„Elaborieren Sie" drehte Casmiel die Konversation um während er Gordon etwas misstrauisch betrachtete und einen kühlen Gesichtsausdruck wahrte.

„Das erklärt Ihr Verhalten. Ihr Trauma. Alles an Ihnen, um ehrlich zu sein. Diese Methoden, Sie an der kurzen Leine zu halten, erklären wie Sie so werden konnte" er deutete mit seinem Stift auf Casmiels gesamte Gestalt, als bräuchte es tatsächlich eine Erklärung für dessen Gesamtheit.

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