Kapitel 32

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[Perfer et obdura, dolor hic tibi proderit olim]

~Konsequenzen~

Die Türe wurde aufgestoßen und dort stand sie in all ihrer Pracht. Asperia Tripe.

Ihre Haare waren wild und chaotisch, fielen in ihren freien Locken über ihre schmalen Schultern und wirkten wie ein gewaltiger Schleier, der durch ihre schnellen, stürmischen Schritte wehte.

Ihre Augen schienen zu brennen. Wut war deutlich in ihnen zu sehen und die Mordlust war wie eine Aura, die sie umgab, obwohl sie keine Waffen bei sich trug.

Sie war definitiv nicht hier um ein Tasse Tee zu trinken.

„Charon. Wo ist er?" zischte sie feindselig und durchbohrte Charon mit ihrem Blick.

Dieser wirkte unberührt von ihrem mächtigen Auftritt und rührte weiter seinen Tee um, als wäre er nicht gerade in Lebensgefahr.
„Du musst dich besser artikulieren, wenn du mit mir sprichst, Asperia" tadelte er sie sanft und lächelte sie charmant an, als wäre es ratsam, sie mit ihrer Laune noch weiter zu provozieren.

„Wo. Ist. Er. Casmiel Aradeon Tripe. Dein verdammter Sohn. Klar genug?" fuhr sie ihn wütend an und ballte ihre Hände zu Fäusten, die das Blut aus ihren Fingern gerinnen ließ, sodass ihre Knöchel sich weiß färbten.

„Oh. Er ist tot." Beantwortete Charon ihre Frage gelassen und einen kurzen Moment sammelte sich Angst und Trauer in Aspens Blick. Dann wurde er wieder hart und sie schritt noch weiter vor, um sich direkt vor seinen Tisch zu stellen und über ihm zu thronen.

„Lügen" hauchte sie nur und zog ihre Augenbrauen zusammen. Sie konnte, sie wollte es nicht glauben. Casmiel war vielleicht ein Arsch gewesen, doch er war ihr Freund. Ihr Bruder. Er war Familie.

„Nun. Er ist wohl noch am Leben. Doch nicht mehr für lange. Ich befürchte, er wird schwach. Auch er hat Grenzen, auch wenn er sie weit herauszögern kann." Verbesserte Charon sich ruhig, als würde er nicht gerade über den Tod seines Sohnes sprechen, sondern jegentlich über das Wetter.

„Du kannst ihn doch nicht einfach sterben lassen! Er ist dein Meisterwerk! Dein Sohn!" schrie Aspen wütend, so sehr sie diese Worte auch anwiderten. Sie wollte Casmiel nicht als das Meisterwerk seines Vaters bezeichnen, doch sie musste. Sie brauchte Klarheit. Wahrheit. Wissen.

„Nicht mehr. Er hat mich zu oft enttäuscht. Zu oft habe ich seine Untreue und Rebellion erlaubt. Er ist nichts weiter als ein gescheitertes Experiment. Er hätte so viel mehr sein können, doch leider musste er mich immer wieder enttäuschen" sagte Charon schulterzuckend, sich nicht weiter damit beschäftigend.

„Aber" sagte er dann heiter und sah Aspen endlich an, „ich bin ein ehrlicher Mann und ich werde mein Versprechen nicht brechen. Er hat sich selbst ausgeliefert, du bekommst Theseus. So war der Deal, er hat ihn erfüllt. Wenigstens hat sein Tod einen Wert, ebenso wie der seiner Schwester."

Aspen konnte es nicht glauben. Charon erzählte das einfach so, als würde es hier nicht um seine Kinder gehen, sondern um Versuchsratten. Nein. Noch weniger. Als würde es um Müll gehen. Wertlosen Müll.

„Ich weiß, was du denkst, Asperia. Gib es auf. Casmiel ist so gut wie tot. Selbst wenn du ihn jetzt retten würdest, was du nicht schaffen wirst, würde er noch immer seinen Wunden erliegen. Es ist zu spät. Ich werde dir eine Einladung zu seiner Beerdigung zukommen lassen. Die ganze Familie wird da sein, mach dich also schön" meinte er noch beiläufig und Aspen konnte ihre Tränen nicht mehr vom Fallen abhalten.

Sie weinte nicht. Nicht oft. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal geweint hatte, doch die Realisation, dass Casmiel tot war, war einfach zu viel. Ihre letzten Worte an ihn waren Worte des Hasses gewesen. Sie hatte ihn beleidigt. Seine Entscheidung hinterfragt, obwohl er nur endlich Frieden wollte. Friede, den er in seinem Leben nie gehabt hatte. Er hatte vermutlich gewusst, was ihn erwarten würde und dennoch war er zu Charon gegangen und hatte sich selbst geopfert. Er hatte sich selbst geopfert, um alle anderen zu retten. Um endlich Frieden zu bringen.

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