Kapitel 1

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️🎶To build a home🎶
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The Cinematic Orchestra

Word count: 915
Hannahs POV:

Ich rannte durch den Wald. Die Angst begann meinen Körper zu lähmen und ich wusste, lange könnte ich nicht mehr fortlaufen. Alles in mir, jedes winzige Bisschen meiner Existenz, sehnte sich nach Wärme. Eine einfache Umarmung, welche mir die Möglichkeit geben würde, mich für eine Sekunde zu entspannen. Doch ich wusste, mir blieb nur rennen. Fortlaufen bis es kein Entkommen mehr gab.

Ich rannte vor ihm weg. Meinem einzigen verbleibendem Familienmitglied. Einem reichen, beinahe durchgängig betrunkenem Mann, welcher früher einmal mein Vater war. Der frühzeitige Tod meiner Mutter hat ihn zerstört. Genauso sehr wie mich. Er ließ sein Leid an mir aus, schlug mich, schrie mich an oder ignorierte mich vollkommen. Je nach Lust und Laune wandelte ich zwischen Geist und Opfer. Ich hingegen hielt meinen Kummer in mir. Er nahm mir mit jedem Streit mit meinem Vater etwas mehr von der noch übrigen Hoffnung auf Liebe. Alles was ich wollte war mein altes Leben. Mir war es egal wie reich wir waren, oder wie perfekt. Ich wollte nur meine glückliche, kleine Familie zurück.

Tränen liefen meine Wangen hinunter. Jeder Schritt in die Tiefe des Waldes ließ mein Herz schwerer werden. Ich wollte stehenbleiben. Mich umdrehen. Zu meinem Vater rennen. Ihn anflehen mich anzuhören. Ihm folgendes sagen:

"Bitte liebe mich wieder wie früher. Bitte sei nicht mehr traurig."

Doch ich wusste, dass meine Worte ihn nicht erreichten. Seit fast zwei Jahren hing mein Leben kurz vor dem Ende. Etliche Male hatte ich die Innenwände des Krankenhauses gesehen. Etliche Male hatte ich all die Blicke auf mir gespürt, als sie mich durch die Notaufnahme fuhren. Der Mann, der mir das angetan hatte, kam nicht ins Gefängnis. Ich hatte ihn nie beschuldigt. Stattdessen ließ ich sie alle glauben, ich sei Suizid gefährdet. Eines dieser Kinder, die offenbar die Härte der Welt nicht ertragen konnten und welche irgendein Trauma aus ihrer Vergangenheit hatten. Interessieren tat es letzlich niemanden. Doch ich war nichts außer eines der Kinder, welche zu früh lernten, wie man lügt und still schweigt. 

Ein Blick über meine Schulter sagte mir, dass er mir noch immer folgte. Diesmal war ich zu weit gegangen. Ich hatte meinen Vater auf eine Art verärgert, für welche er mich bezahlen lassen würde. Anders als sonst. Es würde schmerzhafter werden. Ganz ehrlich, ich hatte Angst, dass ich dieses Mal nicht wieder aufstehen könnte.

Es war verständlich und meine Schuld. Wie konnte ich ihm die Schuld an dem Tod meiner Mutter geben? Sie war krank. Er hätte es nicht verhindern können. Doch ich war so verzweifelt. So voller Angst, welche sich in Wut verwandelt hatte. Alles was ich wollte war mich zu verteidigen.

Nun blieb mir nur mein Schicksal. Er würde mich töten, oder schlimmer, weiter so leben lassen.

In der Ferne konnte ich das Aufblitzen der Sonnenstrahlen sehen. Sie fielen auf etwas, dass sie reflektieren ließ. Ein Tor. Als ich näher kam, erkannte ich es genau. Es war eine großes Holztor mit einigen Metallteilen, welche so geheimnisvoll glänzten. In der Mitte des großen Tores war ein riesiges Monster, oder vielleicht eher ein Biest, abgebildet. Es war seltsam ein Tor mit angrenzenden Türmen und Steinmauern zu sehen. Nicht nur generell, sondern vorallem hier, mitten im Wald, war es durchaus alles andere als normal. Doch ich hatte keine Angst. Nicht vor geheimnisvollen Grundstücken mitten im Wald. Das was mit drohte war in meinen Augen schlimmer, als alles was hinter diesem Tor liegen konnte.

Ich blieb vor dem Tor stehen und begann gegen das Tor zu schlagen. Es war meine einzige Chance.

"Hallo? Öffnen Sie das Tor! Bitte!"

Nichts.

"Ich flehe Sie an. Bitte öffnen Sie das Tor!"

Noch immer folgte keine Reaktion.

"VERDAMMT NOCHMAL, ÖFFNEN SIE DAS GOTTVERDAMMTE TOR!" schrie ich und hämmerte kraftlos gegen das Tor. Meine Hände bluteten. Offenbar hatte ich zu stark geschlagen. Doch gefangen in der Angst spürte ich den Schmerz kaum. Aus meinen Augen drangen noch immer Tränen und hinter mir konnte ich bereits das Geräusch eines Motors ausmachen. Bald würde er mich eingeholt haben. Mitten im Wald konnte er das nicht. Doch hier, auf dem Weg, welcher zum Tor führte, konnte er wieder aufholen.

Plötzlich öffnete sich das Tor. Sobald es weit genug offen war, dass ich durchpasste, kroch ich darunter durch in das innere. Mein erster Blick fiel auf den Innenhof. Ich sah einen Käfig, welcher in eine Wand eingearbeitet war und an der Voderseite durch einen Holzrahmen und Draht gesichert war, viele Pflanzen an den Wänden und Seiten, aber keinerlei Menschen. Doch ich spürte ihre Anwesenheit. Ihre Blicke auf mir. Irgendwer hatte mich ja schließlich auch hinein gelassen. Dann erinnerte ich mich wieder. Schlagartig drehte ich mich um, suchte nach einem Hebel und, als ich diesen fand, ließ das Tor wieder hinunterfallen. Ob es mir zustand das zu tun wusste ich nicht aber mein Vater durfte mich auf keinen Fall finden.

Als ich mich erneut umdrehte, atmete ich erschrocken ein. Eine Gruppe von Mädchen näherte sich mir. Ihre Blicke wirkten geradewegs hasserfüllt und  mich betrat das unangenehme Gefühl,  dass diese Seite des Tores auch nicht sonderlich angenehm werden würde.

Eine Stimme drang aus der Mädchenmenge.

"Was willst du?" fragte eines der Mädchen, welches aus der Gruppe trat. Sie war mittelmäßig groß und hatte lange, blonde Haare. Es überraschte mich, wie hübsch sie war. Den Gerüchten zufolge waren Menschen, die im Wald lebten, gruselige Hexen oder alte, schrullige Damen. Nicht aber Mädchen wie sie. Dennoch waren diese Gedanken nur von nebensächlichem Interesse für mich.

"Bitte- bitte- hilf mir!" flehte ich verzweifelt und blickte auf das verschlossene Tor. Ich konnte ihn immernoch näher fahren hören.

Das Mädchen lachte auf und trat mit hastigen Zügen auf mich zu. Unsicher stolperte ich zurück bis mein Rücken die Torwand berührte.

"Sag nicht, du hast Angst? Ich soll dir doch helfen..." lachte sie und innerhalb weniger Sekunden zog sie mich vom Tor weg, in Richtung des Käfigs, welchen ich bereits gesehen hatte. Mit einem leisem Aufprall fiel ich auf dem Steinboden des Käfigs. Hinter mir schloss sich die Tür und ich sah wie sich allmählich die interessierten Blicke aller wieder abwandten.

"Fabi wird entscheiden, was wir mit dir machen."

Fabi? Wer war das und was bitte ging hier vor? Und die wichtigste Frage: Würde dieser Fabi rechtzeitig da sein, bevor mein Vater hier war?

Fabi X Reader // Die Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt