Kapitel 9

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Wir betraten Fabis Zimmer und sie sah sich begeistert um. Offenbar bekamen die Mädchen hier tatsächlich nur selten diesen Teil ihres Geländes zu sehen. Hoffentlich würde Fabi nicht wütend sein, weil ich sie hereingebeten habe.

"Lissi?" fragte ich nachdem sie vor einigen Urkunden stehengeblieben war. Sie drehte sich um und schien für einige Sekunden etwas verwirrt mich zu sehen. Dann schienen ihre Erinnerungen zurückzukehren und sie blickte auf das Sofa hinter mir.

"Ach ja, bitte setz dich. Ich hole das Desinfektionsmittel und die Verbände." antwortete sie und ging auf den Schrank zu, aus dem Fabi gestern ebenfalls die benötigten Sachen geholt hatte.

Ich setzte mich auf das Sofa und spielte mit den überstehenden Enden der Ärmel.

"Ist das Fabis Hoodie?" hörte ich Lissi fragen und blickte zu ihr auf.

"Ja...wieso?" erwiderte ich, unsicher warum sie so direkt gefragt hatte.

"Er hat nur noch nie jemanden seine Hoodies gegeben. Man könnte denken, er mag dich." Ich spürte, wie ich rot anlief und mein Gesicht vorsichtshalber von ihr abwandte.

"Oder er ist einfach nur höflich?" fragte ich und blickte auf meine Hände. Meine Gedanken überschlugen sich beinahe. Ich dachte daran, wie er zum ersten Mal meine Hände berührt hatte. Sie waren voller Blut und schmerzten stark, doch er hatte sie einfach genommen, so sanft und vorsichtig. Genauso sanft hatte er sie verbunden und genauso sanft hat er sich angefühlt, als ich an ihn gekuschelt war.

Noch nie habe ich mich so komisch gefühlt in Gegenwart einer anderen Person.

"Wer weiß..." antwortete sie. 

"Hmm..."

"Aber kommen wir zu dem, was ich dir erklären wollte-" Sie stand auf, legte einige Sachen aufs Sofa und ging zu einem anderen Schrank.

"Wir sind ein Fußballverein."

"Ein Fußballverein? Bitte nimm es mir nicht persönlich aber ich hätte mit vielen gerechnet, außer dem."

"Keine Sorge, ich verstehs. Wir leben hier, im Wald, mit kaum irgendeiner Zivilisation in der Nähe und bestehen beinahe nur aus Mädchen. Das wirkt natürlich nicht wie ein normaler Verein mit normalem Treffpunkt. Aber wir sind auch nicht normal. Wir sind biestig."

"Biestig?" Ich fand, dass ihre Wortwahl etwas harsch war, auch wenn unsere erste Begegnung dem schon sehr nahe kam. Allerdings erschien es mir gemein, Menschen anhand ihres ersten Erscheinungsbildes zu kritisieren.

"Ja. Wir sind die Biestigen Biester! Und Fabi ist unser Trainer. Sehr bald schlagen wir unseren liebsten Gegner, Leon." Sie schien geradezu begeistert zu sein, jemandem all das zu erklären. Ich bemühte mich möglichst gut mitzukommen und zu verstehen, was allerdings nicht allzu einfach war.

"Wer ist Leon?" fragte ich und beobachtete, wie Lissi diverse Gegenstände aus dem Schrank schmiss, bis sie gefunden hatte, wonach sie gesucht hatte.

"Leon ist der Anführer der Wilden Kerle. Er war mal Fabis bester Freund. Aber das ist alles etwas zu kompliziert für den Anfang und ich fürchte, dass Fabi es nicht mögen würde, wenn ich dir davon erzähle. Glaubst du, du hast sonst soweit alles verstanden?" Ich nickte etwas unsicher und hob vorsichtig meine Hand.

"Was machst du da? Wir sind nicht in der Schule! Wenn du noch eine Frage hast, frag einfach." Lachte sie und schloss die Schranktür.

"Tut mir leid...naja ich wollte wissen, ob ich vielleicht auch mal mit spielen kann?" fragte ich vorsichtig und sie sah mich überrascht an.

"Du willst Fußballspielen?"

"Ja...?"

"Na klar! Ich werde Fabi später fragen ob du mitmachen kannst."

Lissi setzte sich zu mir aufs Sofa und begann, meine Hände zu entbinden. Als der Verband an beiden Seiten vollständig gelöst war, sahen wir beide auf meine Hände. An den, nicht mehr blutenden, Stellen hatte sich schorf gebildet und andere Teile waren blau und lila gefärbt. Sie griff nach dem Desinfektionsmittel und begann es auf ein Tuch zu schütten. Dann griff sie vorsichtig nach meiner Hand und hielt sie fest, während sie das Tuch über meine Haut wischte. Ich schrie leise auf als ihre Hand meine berührte. Es tat bei weitem mehr weh als gestern.

In diesem Moment betrat Fabi das Zimmer. Er blieb für eine Sekunde im Türrahmen stehen bevor er zu uns kam.

"Freut mich zu sehen, dass du wach bist, darling." sagte er und deutete auf meine Hände.

"Wie schlimm ist es?" fragte er Lissi, welche ihm einen besorgniserregenden Blick zu warf.

"Sie hat schon bei einer minimalen Berührung starke Schmerzen gehabt." Verräterin! Jetzt musste ich ihn nichtmal ansehen, um zu wissen, dass er mich besorgt ansah. Hätte sie ihm dieses kleine Detail nicht einfach verschweigen können?

"Wenn du möchtest übernehme ich die weitere Pflege?" bot er an und sie nickte. Sie stand auf und ging zur Tür, doch bevor sie den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal zu mir mir um und lächelte mir mitleidig zu. Fabi nahm währenddessen ihren Platz auf dem Sofa ein. Jetzt ließ sie mich auch noch mit ihm allein. Dabei war doch schon der Gedanke an ihn verwirrend genug.

Ich spürte wie Fabi meine Hand und das Tuch nahm. Augenblick wollte ich meine Hand wegziehen, doch er hielt sie fest.

"Du bist vorhersehbar. Und offenbar denkst du immernoch nicht daran, was das beste für dich ist." sagte er, ohne auch nur hoch zu gucken. Vorsichtig streifte er mit dem Tuch über meine Hand und ich wollte am liebsten schreien vor Schmerz. Doch ich tat es nicht. Stattdessen spürte ich, wie mir Tränen die Wange hinunter liefen.

"Nicht weinen, darling. Es ist gleich vorbei. Dann mache ich einen frischen Verband um und dann das ganze nur noch auf der anderen Seite." Mir war nicht ganz klar wie genau es möglich war, doch seine Worte beruhigten mich tatsächlich ein bisschen. Nicht viel, aufgrund des leicht auffallenden Schmerzes, aber wenigstens etwas.

"Ich habe noch ein Anliegen..." sagte ich und sah den Anführer der Biestigen Biester selbstbewusst an.

"Tatsächlich?" fragte er, während er den Verband um meine Hand wickelte.

"Ja. Ich möchte mit euch Fußballspielen." Sein Blick ging überrascht hoch und er hatte die Augenbrauen hochgezogen.

"Du möchtest mit uns Fußballspielen?" fragte er, offenbar unsicher ob er sich nicht verhört hatte.

"Ja!" Er schien einige Sekunden darüber nachzudenken bevor er mir seine Antwort gab.

"Nagut. Warum nicht?"

Fabi X Reader // Die Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt