Kapitel 24

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Wir fuhren bereits einige Minuten,  Leon und Vanessa natürlich ganz vorne. An das Fahren auf dem Gepäckträger von Maxis Fahrrad musste ich mich trotzdem noch gewöhnen. Die Gegend war uneben und es war nicht sonderlich angenehm. Zum Glück bemühte sich Maxi, möglichst vorsichtig zu fahren und ich hielt mich an ihm fest, um nicht runter zu fallen.

Nach einigen weiteren Minuten hörte ich Leon und Vanessa vorne diskutieren. Leon hatte sie wohl geärgert, weil sie ihn jetzt wegen irgendwas anmeckerte.

Plötzlich rief Leon, dass sie ein Wettrennen machen würden und war auch schon in der selben Sekunde weg. Vanessa folgte wütend und die beiden rasten voraus. Ich musste ein Lachen verkneifen. Sie schienen alle wirklich viel Spaß zu haben.

"Seid ihr immer so gut drauf?" fragte ich Maxi nebenbei. Er grinste, guckte jedoch weiter auf den Weg.

"Meistens. Aber wir haben schon schwierige Zeiten hinter uns. Der Frieden, den wir aktuell haben, ist erst seit kurzem wieder da." antwortete er und ich dachte über seine Worte nach. Da war wieder mein Gefühl. Leon hatte wohl damit zu tun. Er musste dafür verantwortlich sein, dass es Streit gab. Aber ich würde nicht weiter nachfragen. Immerhin durfte ich mich nicht zu sehr aufdrängen.

Ich blickte zurück zu Vanessa und Leon. Die beiden waren bereits in der Ferne verschwunden während der Rest bei einem erträglichem Tempo blieb. Erstaunlich wie wenig sie sich sorgten. Sie schienen so unbekümmert und siegessicher. Daher musste Fabi seine Siegessicherheit haben. Doch einer von ihnen würde verlieren.

Als wir an einem großen Maisfeld ankamen, hielten wir an. Es war verdächtig ruhig. Nicht, dass es mich stören würde, doch etwas seltsam war es schon.

Vorsichtig fuhren sie durch das Maisfeld, noch immer leicht irritiert von der surrealen Situation. Ich hielt mich sicherheitshalber etwas fester an Maxi fest und blickte um mich. War das das Maisfeld, das Fabi anfangs einmal erwähnt hatte.

"Ha! Ich hab gewonnen! Was habe ich gesagt? Du bist eine lahme Schnecke!" rief Vanessa in der Ferne und augenblicklich richtete sich alle Aufmerksamkeit auf sie.

Als wir bei Vanessa ankamen, sah ich pure Verzweiflung in ihren Augen. Ich sah mich nur kurz um doch es war beinahe augenblicklich zu erkennen, was anders war.

"Vanessa was ist los? Wo ist Leon?" fragte ich und sprang besorgt vom Rad um zu ihr zu gehen.

"Ich- Ich weiß es nicht. Er ist weg. Verschwunden. Eben war er noch hinter mir." antwortete sie und ich spürte die Unsicherheit in ihrer Stimme.

"Lasst und ausschwärmen und ihn suchen." rief Maxi, welcher plötzlich direkt hinter mir stand. Ich zuckte erschrocken zusammen und sah zu ihm.

"Tschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken. " sagte er und strich sanft über meine Wange. Ich lächelte. Er war nett. Dennoch spürte ich, wie ich ihn für diese Geste hasste. Wenn Fabi dad gesehen hätte.

"Alles gut." antwortete ich knapp und trat einen Schritt zurück. Dann folgte ich den anderen bei der Suche nach Leon. Vielleicht hatte er sich nur einen Scherz erlaubt?

Aber vielleicht war ihm auch ernsthaft etwas zugestoßen. Man wusste es nicht. Nur plagte mich das ungute Gefühl, dass ihm mehr als nur ETWAS zugestoßen war. Eher jemand.

Wir liefen für einige Minuten planlos durch das Maisfeld. Leon hier zu finden war sicherlich keine einfache Aufgabe.

"Kommt alle her!" ertönte eine Stimme. Ich hatte seinen Namen vergessen. Allerdings erschien mir der Name, angesichts der Dringlichkeit in seiner Stimme, nicht all zu wichtig.

Ich rannte so schnell ich konnte durchs Maisfeld und stieß beinahe mit Vanessa zusammen. Wir starrten uns einen Moment überrascht an bevor wir gemeinsam weiter rannten.

Als wir bei ihm ankamen, blieben wir verwirrt stehen. Es war ein Kreis. Mitten im Maisfeld. Ich trat in die Mitte des Kreises und drehte mich um. Ein sonderbarer Ort. In der Mitte stand etwas, das aussah, wie eine Art Vogelscheuche. Ich erkannte sofort, wessen es war.

Was hatte Fabi mit Leon gemacht?

"Ich wusste es!" schrie Vanessa. Ich blickte überrascht zu ihr. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie einen Zettel in der Hand hatte. Er musste an der äußert abschreckenden Puppe gehangen haben.

"Leon ist weg." sagte sie und ihre Stimme klang wütend, geradewegs hasserfüllt.

"Wie weg?" fragte ich und auch die anderen machten ratlose Gesichter.

"Er hat schiss bekommen. Wie beim letzten Mal." erwiderte sie kalt und stürmte zurück ins Maisfeld.

Für einen Moment sagte niemand etwas. Dann folgten wir ihr alle schweigend aus dem Maisfeld. 

"Vanessa..." Raban versuchte sie zu besänftigen doch sie warf ihm einen wütenden Blick zu.

"Lass mich."

Ich trat auf sie zu und setzte mich neben sie auf den Boden. Sie sah mich kurz unsicher an, ließ dann jedoch ein unglückliches Seufzen raus.

"Ich kann das nicht verstehen. Wie könnt ihr alle so sicher sein, dass er wirklich abgehauen ist?" fragte ich und augenblicklich bereute ich meine Frage. Ich wusste nicht, was Fabi geplant hatte. Dennoch war ich mir sicher, dass sie möglichst glauben sollten, dass er abgehauen ist.

"Er ist schonmal abgehauen. Damals. Beim Spiel gegen die Nationalmannschaft. Er war schon immer ein Feigling." ich wollte etwas erwidern. Nichts lieber als ihr sagen, dass er sicherlich nicht so freiwillig abgehauen war, wie sie dachte. Doch ich wusste, dass es besser war zu schweigen.

"Aber vielleicht hat Hannah recht." sagte eine Stimme plötzlich. Raban hielt ein komisch aussehendes Gerät in den Armen, welches anscheinend von einem Mann namens Hadschi Ben Hadschi oder so stammen sollte. Scheinbar war dieser ein Freund der wilden Kerle und ein, definitiv einfallsreicher, Erfinder.

"Das Ding soll dir zeigen wo das ist, das du am meisten begehrst. Hiermit finden wir Leon." ich erstarrte. Wieso besaßen die sowas? Wenn es funktionieren würde, wäre Fabi bestimmt nicht so begeistert. Offensichtlich wollte er nur Leon. Etwas, dass ich eigentlich auch wusste.

"Es funktioniert! Auf geht's. Wir finden Leon." rief Joschka und mir wurde bewusst, dass ich wieder viel zu lange über Fabi nachgedacht hatte. Vanessa hatte es bereits durchgeführt. Und viel schlimmer. Das sonderbare Ding hatte tatsächlich funktioniert.

Ich stieg wieder auf Maxis Fahrrad und hielt mich an ihm fest. Wir fuhren los, dem komischen Gerät folgend.

Nach einiger Zeit erkannte ich die Gegend wieder. Sehr bald waren sie am Steinbruch. Allerdings von einer anderen Seite als dem normalen Eingang.

Kurze Zeit später hielten wir an und schlichen uns in Richtung des Lagers. Im Gegensatz zu sonst, befand ich mich dieses Mal auf der Anhöhe. Wir krochen bis zur Kante und blickten hinunter in den Steinbruch.

Er hatte es tatsächlich getan. Leon saß gefesselt auf einem Stein. Fabi stand vor ihm und hielt ihm einen Zettel hin. Warum bloß musste ich ausgerechnet auf Fabis Seite sein? Jemanden zu kidnappen war nicht normal. Dennoch würde ich nicht zur Polizei gehen. Nicht einer Menschenseele würde ich davon erzählen. Nur, weil es nicht irgendwer war, sondern Fabi.

Fabi X Reader // Die Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt