Zitronengras und Vanille

2 0 0
                                    

Speere des Lichts stachen mir in die Augen. Ich blinzelte einige Male, bis sich meine Sicht klärte.
Als mein Gehirn wieder in die Gänge kam, erschrak ich. Das Bett in dem ich lag, war nicht das Meine. Die geblümte Bettwäsche roch leicht nach Zitronengras und Vanille. Mit einem Sprung war ich auf den Beinen, schnappte mir meinen Rucksack, der auf dem Boden lag, und wollte schon aus dem Zimmer hasten, doch ein brennender Schmerz huschte mein Bein herauf. Ich keuchte auf, und hielt mich am Türrahmen fest. „Halt! Hier geblieben!" hörte ich eine Stimme sagen, und schon stand sie vor mir. Die Erinnerungen von Gestern holten mich ein, und ich begriff. Scheisse. Ich hatte es vergeigt. Meine Bewegung gefror, und ich blieb stehen. Als ich an mir herunterschaute, sah ich, dass ich eine lockere Pyjama hose und eine weite Bluse trug. Mein make up hatte sie wohl auch entfernt, denn ich roch nach einem fremden Shampoo. Mein Perücke war weg. Ich fühlte mich nackt, als mein Blick wieder ihre Augen traf.

Als ich mich beruhigt hatte, und sie mir erklärte, dass ich nicht mehr ansprechbar war, nachdem ich mir den Knöchel verstaucht hatte, ergab alles Sinn. Sie hatte mich zu sich nach Hause geschleppt und verarztet, sowie gewaschen und mit sauberer Kleidung angezogen. Wie hatte es nur so kommen können? Ich hatte in ihrem Bett geschlafen und war von ihr entkleidet worden. Beim Gedanken daran schoss mir die Röte ins Gesicht.
„Wie heisst du?", hörte ich sie sagen. „Mitsuki", beantworte ich ihre Frage ohne zu zögern.  Als ich begriff, dass ich gerade die Wahrheit gesagt hatte, wollte ich die Worte zurück in meinen Schlund befördern. „Kann ich deine Eltern anrufen, sodass sie dich abholen?", fragte sie zögerlich. Ich seufzte leise, und antwortete wahrheitsgemäss :„Ich lebe allein. Niemand kann mich holen." Gegen Ende des Satzes wurde meine Stimme immer schwächer. „Oh... Ruh dich doch noch eine Weile hier aus. Wir haben es nicht eilig, wenn es darum geht dich wieder nach Hause zu bringen, nicht?", sagte sie. Ich nickte und bedankte mich mehrmals ausdrücklich.

Wie freundlich und hilfsbereit konnte ein Mensch nur sein?
Weshalb hatten mich bisher nur alle verspottet, bemitleidet, oder für meine Tapferkeit gelobt, aber niemand hatte mir wirklich helfen wollen?
Wollte sich niemand wirklich die Finger schmutzig machen, und alles war erledigt, sobald man seine „Teilnahme" öffentlich erkenntlich gemacht hatte?
Warum hatte sich niemand wirklich für mich interessiert, und ich war immer nur nützlich dabei, wenn es darum ging, anderen zu beweisen, dass man ein guter Mensch sei, und man mir demonstrativ durch die Haare wuschelte oder auf die Schulter klopfte. Man zeigte nur gutherzige Gesten, um das eigene image aufzubessern.
Die Selben Menschen fragten mich, wie es um meine Gesundheit stehe, und reagierten auf „Ich liege die meiste Zeit mit Fieber im Bett und huste" mit einem spartanischen „Gute Besserung", und huschten dann in ihre Wohnung zurück. Noch nie hatte mir jemand eine Warme Mahlzeit gebracht, oder sich gar um mich kümmern wollen, geschweige denn mir angeboten bei ihnen zu Hause auszukurieren!
Ich begriff, sie war eine Ausnahme sondergleichen.

Ich griff nach meinem Telefon und meldete mich in der Schule krank. Sie tat es mir gleich, bevor sie mich fragte, was ich zum Frühstück wolle. Ich entgegnete, dass ich das Selbe wolle wie sie. Sie lächelte verschmitzt und zog sich in die Küche zurück. Als sie mit zu Tisch rief und dort eine Schüssel mit Natto auf Reis und eine Schüssel Miso Suppe stand, war ich zutiefst gerührt. Sie hatte wohl nicht erwartet, dass ich ihren Geschmack bezüglich des Frühstücks teilte. Ich kannte das Gefühl, das man verspürt, wenn jemand einem eine Mahlzeit zubereitete, ohne dass man dafür bezahlte, schon gar nicht mehr. Die Freude summte in meinem Brustkorb und ich spürte meine Wangen glühen. Von neuem bedankte ich mich ausgiebig, und wir genossen unser Frühstück gemeinsam. Es tat gut, meine Gedanken mit jemand gleichaltrigem auszutauschen und einmal wieder Gesellschaft bei einer Mahl zu haben. Als ich ihr beim Abwasch half, fiel mir auf, dass ich etwa so viel gelacht hatte, wie in den letzten drei Monaten nicht. Mir wurde klar, dass ich diese Wohnung nicht einfach wieder verlassen wollte. Ich wollte in ihrer Nähe bleiben können. Jetzt bot sich eine zeitlich beschränkte Möglichkeit ihre Zuwendung zu geniessen. Ich musste die kurze Zeit in vollen Zügen geniessen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch sie mich aus ihrer Wohnung schob, um ihre Privatsphäre wiederzuerlangen, doch mein Gehirn verweigerte mir den Gedanken an dieses Szenario.

Der Tag verging wie im Flug, die Atmosphäre war von Geborgenheit, die von ihr ausging, sowie ihrem Geruch nach Zitronengras und einer Vanille Note erfüllt. Ein warmes Prickeln angenehmes Gefühl hatte sich in meinem Bauch ausgebreitet. Als wir beide hungrig wurden, war es 21:30, und wir beschlossen einen gebratenen Reis zu kochen, wofür ich das Gemüse, am Tisch sitzend, wusch, schälte und zu kleinen Würfeln schnitt, während sie den Reis wusch, und in den Reiskocher beförderte. Als der Reis gar war, machte ich mich daran den Reis und das Gemüse mit Ei und Schinkenwürfeln zu braten, während sie uns noch etwas Bier im 24- Stunden- Laden besorgte.

Je mehr Zeit ich mit ihre verbracht hatte und je mehr Alkohol ich intus hatte, desto lockerer wurde mein Mundwerk. „Nao, was machst du am liebsten in deiner Freizeit?", war eine weitere Frage, wie es schon viele zuvor gegeben hatte. „Ich-" setzte sie zu einer Antwort an, und brach doch mitten im Satz ab. „Woher kennst du meinen Namen? Ich habe ganz vergessen mich vorzustellen, und doch gingen wir so vertraut miteinander um.", bemerkte sie, und lachte ein wenig, bevor sie mich verwirrt und verunsichert ansah. Ich musste mir schnell eine Ausrede überlegen!! Schnell!! Es drängte!!
Ich hatte ihren Instagram account gekannt und hatte sie wiedererkannt... Es liesse mich wie eine Stalkerin aussehen. Kam nicht in Frage. Obwohl ich doch eben dies war.
Ich lachte mit ihr mit, und überlegte mir mit Lichtgeschwindigkeit wie man dies erklären konnte.
Und da hatte ich es! „Der Name kam mir einfach richtig vor! Das passiert oft bei mir. Ich kam so zur Welt. Schon oft habe ich Peters, Florians, Annas oder Marias ohne logische Belege richtig angesprochen, und diese waren ganz verdutzt darüber. Aber Nao war ein spezieller Name. Es muss ein gutes Omen sein!", erklärte ich mein zu weitgehend ausgeprägtes Wissen mit einer kleinen Schwindelei, und wir lachten gemeinsam über meine Prophezeiung.
Dies war noch knapp gut gelaufen. Ich musste in Zukunft vorsichtig sein!

Als wir unser Geschirr in die Spüle geräumt hatten, setzte sie sich auf einen Sessel, und ich zitierte ein paar Panels aus „Fairy tail", die zu einem Sound auf den sozialen Medien geworden war, wohl wissend, dass ich ein gefährliches Spielchen trieb. „Is that seat taken?", fragte ich provokativ. „That's my lap!", entgegnete sie gespielt unwissend worum es ging. Ich musste mir ein Lachen verkneifen als ich unser Rollenspiel zum kritischen Teil brachte, aber ich blieb standhaft mit:„I know what I said." und setze mich anschliessend auf ihren Schoss. Wieder lachten wir beide, aber ich blieb sitzen, so unverschämt wie es auch sein mochte, es sich einfach auf jemandes Schoss gemütlich zu machen. Sie imitierte eine andere Stimme, und zitierte aus einem Anime den Satz:„Take care of her, life doesn't bless you with a good wife twice." Und schlang ihre Arme um mich. So wiegten wir uns leicht hin und her. Ein Feuerwerk mit glitzernden Explosionen hatte die Wärme in meinem Bauch ersetzt, und der Funke, der die färbenden Salze entzündet hatte, stammt von ihrem Körper, der so nahe bei mir war, dass ich ihre Körperwärme bis auf meiner Haut spürte. In ihren angenehm warmen Händen hielt sie meine, die zu Fäusten zusammengerollt waren, und liebkoste zärtlich meine Knöchel mit einem einzigen ihrer Finger. Meine Sinne konzentrierten sich auf das hin und her wiegen in Kombination mit dem Wohltuen ihrer Hände, bis mein Geist davon so eingelullt war, dass er in den Schlaf abglitt.

Hide and seekWo Geschichten leben. Entdecke jetzt