Der Anker in den Wogen des Lebens

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„Mutter, warum magst du mich nicht?", sprach das Kind in meiner Gestalt von acht Lebensjahren. Die Frau, die vor dem Kind stand seufzte und drehte sich um, bevor sie sich  von dem Kind zu entfernen begann. „Mutter, warte auf mich!", rief das Kind nun verzweifelt, bevor es sich humpelnd, wegen seinen mit Grün und Blau geschmückten Beinen, hinter ihr her schleppte. Des Kinds Fassade begann zu bröckeln, und es konnte seine Tränen nicht weiter zurückhalten. Mit klappernden Zähnen, einer zitternden Stimme und Tränen in den Augen sagte es:„ Es tut mir leid, Mutter. Ich kann nicht so stark sein wie du. Ich kann nicht so gross sein wie Du. Bitte warte auf mich! Hilf mir! Ich kann nicht mehr!" Mit den letzten Worten brach es in sich selbst zusammen, und gab erstickte Schluchzer von sich. Ein letztes Wort gab es von sich, bevor sich die Frau, ihre Hand erhebend, umdrehte. Es sagte:„Bitte." Bevor das Kind aufschauen konnte, klatschte es, und der rote Abdruck einer Hand war auf seiner Wange zu sehen, während die Frau mit den dunklen Schatten unter den Augen wieder ihre Hand erhob.

„Mitzuki! Wach auf!", vernahm ich leise eine Stimme. Jemand schüttelte mich, und strich mir über die Stirn. „Mitzuki!", melde sich die Stimme etwas aufdringlicher zu Wort. Ich schlug erschreckt meine Augen auf, und Nao schaute mir entgegen, begleitet vom blendenden Licht einer Taschenlampe. Ich fühlte kalten Schweiss meine Stirn herunter rinnen, und meine Wäsche klebte an mir. Auch musste ich niesen, und ich hatte offensichtlich Fieber, sowie eine Tropfende Nase. Ein Fiebertraum, wie ich schon lange keinen mehr gehabt hatte. Hatte ich im Schlaf gesprochen? „Mitzuki. Ich werde später meine Schwester anrufen. Sie ist Hausärztin. Hoffentlich kann sie nach Feierabend bei uns vorbeischauen.", meinte Nao, offensichtlich besorgt. „Ich werde Couch schlafen. Ich will dich nicht anstecken. Tut mir leid, dass ich dich belagere.", sprach ich meine wahren Empfindungen aus. „Nein! Bitte mach dir keine Vorwürfe. Du bist krank, und hast einen verletzten Knöchel, und du scheinst niemanden zu haben, der oder die auf dich aufpassen könnte. Ich habe immerhin meine Schwester, die ich im Notfall rufen könnte, also mach es dir gemütlich bei mir. Und eine kranke Person schläft im Bett, nicht auf der Couch."
Sie brachte mir eine warme Mixtur, die nach Honig, Zitrone und Ingwer schmeckte und ausserordentlich scharf war, sodass meine Nase zu tropfen begann, aber frei wurde. Mit Taschentüchern hatte sie mich auch ausgestattet. Einen nassen Lappen hatte sie auch angeschafft, und hatte darauf bestanden mir damit Gesicht, Rücken und die Brust damit abzuwischen, bevor sie mich mit einer Menthol haltigen Salbe, ode was auch immer das war, einrieb, und mir frische Kleidung gab. Zuletzt gab sie mir eine Ibuprofen (400mg) Tablette. Dann legte ich mich wieder hin, und schlief ein Paar Stunden.

Als ich aufwachte, war es bereits hell draussen. Ich schleppte mich aus dem Zimmer, und schaute mich nach Nao um. Sie sass an ihrem Tisch und erledigte Hausaufgaben, die man ihr in per E-mail geschickt hatte. Stimmt. Sie war ja auch „krank". Ich musste schmunzeln, und wünschte ihr einen guten Morgen. Auch wollte ich wissen, ob sie eine Maske habe, sodass ich sie nicht anstecken würde. Die Maske erhielt ich von einer Anweisung begleitet, ich solle mich auf der Stelle wieder ins Bett begeben, und sie werde mich schon versorgen. Zum Frühstück erhielt ich eine leichte Suppe mit Ei, das beim Kochen tröpfchenweise hineingegeben worden war, sodass es in Stücken vorzufinden war.

Wie lange war es nur her, dass ich so gepflegt worden war?
Obwohl ich mich ihr gegenüber schuldig fühlte, genoss ich es von ihr umsorgt und gepflegt zu werden. Sie schenkte mir ihre Aufmerksamkeit, Zuwendung und Fürsorge, ohne dass sie eine Gegenleistung von mir zu erwarten schien. Trotzdem liess ich sie mir versprechen, sich bei mir zu melden, wenn sie das nächste Mal krank würde, sodass ich den Gefallen zurückgeben könne.

Zum Mittagessen hatte sie eine warme Suppe mit Gemüse und Hühnchen zubereitet, und zum Abendessen Reis-Brei mit eingelegter Pflaume obendrauf.

Als es 20:30 wurde, kam ihre Schwester vorbei, die sich als Seiko vorstellte. Sie untersuchte meinen Knöchel, und meinte er sei offensichtlich verstaucht. Sie verschwand kurz um in der Apotheke, die etwa 200 m entfernt lag Verband, eine Salbe und Fieber senkende Mittel, wegen meines Fiebers, zu besorgen. Nachdem mein verfluchter Knöchel verarztet war, und ich mich bei Seiko für ihre Mühe bedankt hatte, raunte sie mir grinsend zu, ich solle die Fürsorge ihrer Schwester weise geniessen, denn mit einer tollen Frau werde man nicht jeden Tag beschenkt. Ich musste schmunzeln, weil diese Aussage jener von Nao, die sie gestern Abend gemacht hatte, so sehr glich, und nickte lächelnd, während Nao sich über diese Aussage lauthals beschwerte, und meinte, das Selbe gelte für Seiko und deren Freundin.

Als Seiko de Wohnung verlassen hatte setzte Nao sich fluchend auf die Couch neben mich, und beschwerte sich darüber, dass Seiko sich immer klug und weise aufführte, nur weil sie ein paar Jahre älter sei, und ganz auf ihren eigenen Beinen mitten in ihrem Leben stand.
Auf die Frage wie alt Seiko denn sei, antwortete Nao, sie werde in ein paar Monaten 30 Jahre alt, und sei somit fast 13 Jahr älter als sie. Seiko war mir sehr sympathisch vorgekommen, und ich war froh darüber, dass Nao sie hatte, auf die sie sich verlassen konnte. Trotzdem nahm es mich wunder, wie es gekommen war, dass auch sie alleine lebte, und nicht ihre Eltern die ersten Ansprechpersonen waren. Also fragte ich sie vorsichtig danach, wohl betonend, dass sie mir das nicht erzählen müsse, wenn sie es nicht wolle.

„Als Seiko 8 Jahre alt war, hatte sich unsere Mutter von ihrem damaligen Partner, Seikos Vater, getrennt. Bis Seiko 11 Jahre alt war, lebte Seiko mit unserer Mutter allein. Ein Jahr später, hatte Mutter einen neuen Freund gefunden, der mein Vater war. Sie brachte mich zur Welt, als Seiko 12 Jahre alt war. Ihr Freund, hatte begonnen sie zu schlagen, die Einrichtung zu zerstören, ihr unter Androhung von Gewaltausübung an ihr oder Seiko ihre Freiheit, gewisse Leute zu kontaktieren oder das Haus zu verlassen und weiteres genommen. Ich weiss es nur aus Seikos Erzählungen. Als ich ein Jahr alt war, war Mutters Freund eines Abends einfach nicht mehr aufgetaucht. Mutter hatte ihre Lebenskraft verloren, und hatte sich mit Hilfe von Drogen in eine andere Welt hinein befördert. Seiko hatte ganz allein meine Pflege, sowie die der lebendige Leiche in der Wohnung namens Mutter übernommen, und ging derweil zur Schule. Der Wohnungsbesitzer hatte sich zu Wort gemeldet, als die Bezahlung nicht mehr überwiesen wurde, und die Lehrkraft hatte gemerkt, dass Seiko mich in die Schule mitgenommen hatte, an dem Tag, als unsere Mutter auch einfach verschwunden war. Sie wurde ein paar Tage später leblos im Wald mit einer Nadel im Arm gefunden. Eine Überdosis hatte ihr Leben beendet. Das Resultat dieser Ereignisse war, dass wir in einem Heim landeten, und dort aufwuchsen. Seiko war immer mein grösstes Vorbild. Ich verdankte ihr mein Leben. Als sie selbst noch ein Kind war, hatte sie verhindert, dass ich wegen dem Versagen unserer Mutter verhungerte. Seiko hatte ihre Schule erfolgreich abgeschlossen und war als Studentin in eine günstige Wohnung nahe des Kinderheims gezogen. Sie musste neben der nervenaufreibenden Ausbildung noch Teilzeit arbeiten, um sich finanziell über Wasser zu halten. Auch besuchte sie mich regelmässig. Sie hat vor ein paar Jahren begonnen in der Praxis ihrer Partnerin, die ein paar Jahre älter als sie ist, als angestellte Hausärztin zu Arbeiten. Rein von den Dokumenten her, ist Seiko meine Erziehungsberechtigte. Von ihrem Geld lebe ich seit ich 17 Jahre alt bin allein in dieser Wohnung. Sie schaut mir immer noch regelmässig auf die Finger, um sicherzustellen, dass ich so handle, wie sie dafür als Erziehungsberechtigte die Verantwortung tragen kann und besucht mich zwei Mal die Woche mit ihrer Partnerin zum Abendessen. Wir kommen mir dann wie eine Familie vor. Ich bin ihr wirklich dankbar dafür. Auch bin ich froh, dass wir gemeinsam in einem Heim für Kinder gelandet sind, und sie nicht weiterhin versuchen musste, die ganze Last allein zu tragen. Das muss schwer auf ihren Schultern gelastet haben. Auch bin ich wirklich froh, dass sie ihre Partnerin gefunden hat. Ich muss mir nun weniger Sorgen um sie machen, weil nun noch jemand auf sie schaut.", Erzählte mir Nao die Gründe für ihre jetzige Situation.

Sie begann leise zu schluchzen, und ich nahm sie in den Arm. Mit der Rechten Hand, strich ich ihr durchs Haar, mit der Anderen hielt ich sie nahe bei mir. Ich hoffte, ich würde sie nicht mit meinem Fieber anstecken, aber ich wusste, dass es jetzt wichtiger war, sie seelisch zu unterstützen. Als sie sich gründlich auf meiner Schulter ausgeweint hatte, richtete sie sich mit einem müden Lächeln auf, und mir war klar, dass wir gerade eben genau so für einander da waren, wie Seikos Partnerin für Seiko da war. Nao hatte mich in ihre Obhut aufgenommen, um sicherzustellen dass ich nicht einfach in meiner Wohnung verkümmerte, und ich hielt sie in meinen Armen, damit sie nicht mit ihren Sorgen allein war. Sie bot mir Halt und ich ihr. Ich wollte es. Ich wollte ihr beweisen, dass ich ihr Anker in den Wogen des Lebens sein konnte, und der Wunsch liess eine Flamme in meiner Brust entfachen. Was mir aber Sorgen bereitete, war, dass wir uns erst so kurz kannten. Ich müsste viel Arbeit leisten, damit ich ihr Vertrauen gewinnen könnte, und musste mit ihr in Kontakt bleiben, um die Bindung zu Stärken. Ich sah es, das Ziel, das ich um jeden Preis erreichen wollte. Ich wollte Nao sicher und in meiner Nähe wissen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 24, 2022 ⏰

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