5. Kapitel - Du riechst so gut

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Geistesabwesend beginne ich meine Habseligkeiten aus dem Auto auszuräumen, währen Richard etwas abseits steht, raucht und vermutlich gerade mit dem Abschleppdienst telefoniert.
Ja, Richard fucking Kruspe von Rammstein. Ich kann es einfach noch immer nicht fassen. Das glaubt mir zuhause kein Mensch, was sich hier innerhalb der letzten Stunden abgespielt hat. Ich glaube es ja nicht mal selbst!

Mein Auto hat einen Totalschaden. Dagegen ist die tiefe Delle und die abgefallene Stoßstange des BMWs ja nur ein Kratzer. Ein ziemlich teurer Kratzer! Tja, aber darüber muss ich mir ja angeblich gar keine Sorgen mehr machen.
Ich bin noch immer sprachlos. Richard hat mir doch tatsächlich angeboten, als ihre, wie er es nennt, Bandassistentin zu arbeiten. Das kann nur ein Scherz sein. Ehrlich Leute, wo ist hier die versteckte Kamera? Langsam könnt ihr rauskommen! Verarschen kann ich mich auch selber. Passiert ja nicht alle Tage, dass man ins Auto des Gitarristen der Lieblingsband kracht.

Als ich fertig bin mit dem Ausräumen, schleppe ich meine Sachen zu Richards Wagen. Dieser ist, trotz des Schadens am Heck, zum Glück noch fahrtüchtig.

"Warte, ich helfe dir.", sagt er und eilt herbei.

"Sagmal, was hast du denn da alles reingepackt?", fragt er mich verwundert, als er meinen schweren Koffer in den Kofferraum hievt.

"Naja, ich wäre ja eine Weile hier gewesen..."

"Das wirst du ja jetzt trotzdem sein.", meint er und zwinkert mir zu.

Gott, dieser Mann macht mich noch wahnsinnig. So werde ich sicher nicht mehr lange hier sein!

"Danke, übrigens. Es ist leider nicht immer selbstverständlich jemandem zu helfen, der einem das Auto schrottet."

"Ist ja nur Blech und Plastik. Außerdem hast du Geschmack, wie ich bereits festgestellt habe."
Er wackelt mit den Augenbrauen.

Oh ja, den habe ich wohl!

"Sei mal nicht so selbstüberzeugt."
Er lacht und ich flippe innerlich komplett aus.

Jap, so mache ich es garantiert nicht mehr lange.

"Na komm, setz dich doch schonmal ins Auto, ich regle das noch schnell mit deinem Schrotthaufen."

Erst jetzt bemerke ich, dass zwei Männer bereits begonnen haben meinen A1 auf einen Anhänger zu laden. Ich seufze wehmütig und gehe zur Beifahrertür um mich in Richards Auto zu setzen.

'Warum wundert mich das nicht?', ist der erste Gedanke, als mein Blick auf die knallroten Ledersitze fällt. Ich lächle und steige ein. Ein unglaublich guter Duft aus Aftershave, gemischt mit Rauch und... Minze, steigt mir in die Nase. Eigentlich hasse ich Rauch derartig, aber irgendwie finde ich es gerade... gut? Mit geschlossenen Augen atme ich tief ein und genieße Richards unheimlich guten Duft.

"Was machst du da? Ist alles in Ordnung?"

"Du riechst so gut.", murmle ich.

"Was?"

"Was?!"
Erschrocken öffne ich die Augen und reiße meinen Kopf in seine Richtung. Habe ich das gerade laut gesagt?

"I-ich... ich habe gesungen.", meine ich wenig überzeugend.

"Ist klar."
Er versucht sich ein Grinsen zu verkneifen und zündet sich eine Zigarette an bevor er den Motor anlässt.

Als wir nach einiger Zeit vor einem riesigen Haus, das etwas abgelegen liegt anhalten, wird mir schlagartig wieder bewusst, was hier gleich passieren wird. Ich werde auch die anderen fünf Mitglieder meiner Lieblingsband persönlich kennenlernen.

Das ist doch verrückt!

Bei dem Gedanken daran wird mir wieder schlecht und ich versuche vergeblich meinen Atem zu kontrollieren. Wenn mich einer schon total überfordert, wie soll ich dann alle sechs auf einem Haufen überstehen?
Es grenzt an ein Wunder, dass ich die Fahrt gerade so überlebt habe. Eingehüllt von diesem Geruch und dann auch noch Richards Nähe, die nur zu deutlich zu spüren war. Ich hatte das Gefühl, als würde ich in Flammen stehen.
Meine Gedanken werden unterbrochen, als sich die Autotür öffnet und Richard mir seine Hand hinhält.

"Wusste ja nicht, dass ich dir raushelfen muss, damit du endlich aussteigst.", meint er belustig.

Ich verdrehe die Augen und greife nach seiner warmen, vom Gitarrepielen etwas rauen, Hand. Bei seiner Berührung durchzuckt mich ein wohliger Schauer.

Himmel, reiß dich mal zusammen!

Richard holt mein Zeug noch aus dem Kofferraum und geht in Richtung Haustür. Ich atme nochmal tief durch und folge ihm mit wackeligen Knien.

Mein Herz in FlammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt