Prolog

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Während ein großer Sturm durch Reedell, einer großen Blockhaus-Stadt, zieht, rauscht das Meer bis in mein Inneres und wird eins mit meinem Herzschlag. Die Wellen steigen wie ein Puls empor, der all die Jahre tief in mir geschlummert hat.

In der Finsternis meiner selbst gefangen, suche ich den Schutz auf der nächst gelegenen Höhe, die ich finden kann und verliere mich gänzlich in meinen Gedanken. Tag für Tag verweile ich die Nacht über an diesem Ort, ohne großartig an Schlaf zu denken. Immer, wenn ich die Augen schließe, kommen in mir die düsteren Gedanken meiner verzweifelten Situation wieder zum Vorschein. Es nimmt mich gänzlich ein.

In der ruhigen Nacht schaue ich auf meinem Betondach dem Meer zu. Es tobt, reißt, zieht mich in seinen Bann. Seufzend ziehen meine Gedanken erneute Kreise und ich tauche tief in meinen widerspenstigen Freigeist ab.

Wir leben in einer Welt, in der der Stress unsere tiefsten Bedürfnisse und Gefühle unterdrückt und folgen stupide unserer Bestimmung und dem Schicksal, das uns auferlegt wurde, doch was ist, wenn wir aus diesem Alltag ausbrechen und unsere Zukunft selbst schreiben.

Immer wieder denke ich darüber nach und komme zu dem Schluss, dass ich womöglich genau aus diesem Grund als verrückt eingestuft werde. Niemand außer mir vermag zu träumen, niemand will nach dem Unmöglichen greifen. Niemand will fliegen und sich aus dieser Ordnung befreien. Dadurch verlieren die Bewohner dieser Stadt ihre Einzigartigkeit und werden zu einem Kunstprodukt, das dem anderen gleicht.

Was ist schon gegen ein bisschen Chaos einzuwenden? Nicht so zu sein, wie es von der Bevölkerung und den Herrschern erwartet wird?

Jeder verlangt und verlangt, doch niemand versteht welche Empfindungen tief in mir schlummern, der wie ein Puls mit dem aufkommenden Sturm und dem Einbruch der Nacht zum Vorschein kommt und dennoch erreicht er mich nicht. Denn der Zwang mithalten zu müssen und meiner Bestimmung gerecht zu werden, hinterlässt tiefe Spuren, die meine Seele mit schwarzen Schlieren versetzt und mich wieder in den Zustand des tiefen Abgrundes der absoluten Leere bringt.

Der Drang aus dem robusten Höllenkäfig zu fliehen, lässt mich stark aufseufzen. Meine zitternden Hände krallen sich tief in meinen schwarzen Anzug. Immer wieder frage ich mich, ob es eine Möglichkeit gibt, meine morgige Prüfung zu übergehen. Bedauerlicherweise gibt es keine andere Möglichkeit am Leben zu bleiben.

Gedankenverloren schaue ich gen Himmel, der von funkelnden Sternen bedeckt ist. Der Mond scheint sichelförmig auf mich herab. Bei diesem Anblick sehne ich mich nach absoluter Freiheit. Oft begleitet mich das Gefühl von dem strahlenden Mond gerufen zu werden. Beinahe so, als ob ich die Hand ausstrecke und mir die Natur eine andere Bestimmung auferlegt.

In der Hoffnung, dass mein innerster Wunsch nach Freiheit eines Tages etwas in mir auslöst, dass mich in Bewegung versetzt, aus dieser Stadt zu fliehen, verweile ich Tag ein, Tag aus tatenlos an diesem Ort, in diesem Käfig, aus dem es kein Entkommen gibt.

Der Rest der Stadt strotzt über vor Begeisterung seiner Bestimmung nachzueifern und wie seelenlose Marionetten direkt in ihr Verderben zu stürzen. Nein, ich gehöre nicht hierher, denn ich bin nicht wie die anderen.

Der Blick aufs Meer und das Rauschen der Wellen ziehen mich erneut in seinen Bann. Die Sehnsucht ins Wasser zu gehen und schwimmen lernen zu wollen, wird von Sekunde zu Sekunde größer. Wenn ich nur schwimmen könnte, würde ich die Weiten des Ozeans bestreiten. Wenn ich fliegen könnte, würde ich emporsteigen und durch die Weiten des Himmels fliegen. Doch sie verbieten es, etwas zu erlernen, was einem angeblich schaden könnte. Sie wollen einen lediglich klein halten, um ihre Herrschaft zu wahren.

Sie haben Angst vor dem Ungewissen, vor dem Abenteuer, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen.

Sie sind nichts weiter als Feiglinge, die nichts außer Arbeit kennen und verlangen von anderen das gleiche. Doch jede Person ist individuell und dennoch wird jeder Einzelne am Ende des Tages zur Gemeinschaft, auf irgendwelche Studien beschränkt, die die Wahrheit verdrehen: Jede dritte Frau bekommt mit zwanzig ein Kind. Meine Hände ballen sich bei dem Gedanken zu Fäusten, während ich weiter üb die Geschmacklosigkeit der Studien philosophiere.

Eine fehlende MenschlichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt