Acht Stunden später

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  Emotionen können viele Nachteile bringen, doch wenn man sie gänzlich verdrängt, kann es ebenso negative Folgen bringen. Was tun, wenn es dich innerlich zerfrisst, aber es nicht gern gesehen wird? Denn wichtig ist nur deine Funktionalität - sei ein Roboter und dir wird nichts geschehen. Doch niemand kann die Emotionen auf Dauer verdrängen. Ist der Schein von vorne rein zum Scheitern verurteilt?

Eine gefühlte Ewigkeit starre ich der zwielichtigen Person nach, die eine Weile am zerfallenen Wachposten im dreckigen Stadteingang, der womöglich seit mehreren Menschenleben nicht gereinigt wurde, hockt. Der Gestank von Fäulnis überdeckt die Gerüche des Zündstoffes, mit dem die Minen teilweise gesprengt werden, um an brauchbare Materialien zu gelangen.

Das dimmende Flackern der Laternen spenden den dunklen Gassen des Wachposten der Untergrundstadt Honkura kaum Licht, sodass ich trotz der Künste des Ninja das Gesicht der Person nicht erkennen kann.

Honkura ist ein Ort mit siebenundsiebzig Einwohner, die abgeschottet von der Zivilisation in Ruinen und Minen leben. Natürlich so tief unter der Erdschicht vergraben, dass kein Tageslicht hereinscheinen kann, um die einengenden kleinen Verliese und Gänge aufzulockern. Obwohl die Arbeit viele Tote mit sich bringt, arbeiten sie trotzdem unermüdlich für Reedell und bekommen dafür die Lebensmittel und Ausstattung, die sie benötigen, um in dieser Einöde überhaupt überleben zu können.

Als die Silhouette im aufkommenden Nebelschwall verschwindet, brumme ich leise auf und massiere mir die Schläfen. Es muss sich um einen Ninja aus meiner Stadt gehandelt haben, wenn er meine Anwesenheit bemerkt und sich mit Rauchbomben bedeckt hat. Mit einem lauten Knacken richte ich mich auf und ziehe achtlos die Lebensmittel, die mir Herr Mukushino in Auftrag gegeben hat, hinter mir her. Es ist die Pflicht eines Ninja seine Mission um jeden Preis erfolgreich zu beenden - selbst wenn ich mich in dieser Aufmachung wie ein Packesel fühle.

Bereits am Eingang vibriert der unebene, glitschige Boden unaufhörlich, während eine laute Explosion nach der anderen mit einem Schwall aus chemischen Abgasen zu mir aufsteigt.

Um hineinzugelangen, muss ich entweder mit Erlaubnis eine lange Leiter hinabsteigen oder den Geheimweg, den mir meine Ausbilderin aufgezeichnet hat, nehmen.

Dieser führt zunächst ein wenig von dem Haupteingang und dem Stadtkern weg. Der kurze Fußmarsch führt mich südlich an einen schlammigen Sumpf vorbei, der weitere chemische, giftige Abgase aufsteigen lässt. Es ätzt meinen Geruchssinn weg und lässt mich stark husten. Mein Hals fühlt sich wie loderndes Feuer an, dennoch beschreite ich meinen Gang weiter.

Mit meiner typischen Ninja-Ausstattung - eine dunkle Gesichtsmaske - bedecke ich zur Sicherheit Mund und Nase.

Der Boden gibt unter mir nach, weshalb ich öfters ins Straucheln gerate. Der Wind weht mir mein Haar stetig ins Gesicht, sodass ich durch meinen langen schwarzen Pony blicken muss.

Demotiviert begebe ich mich direkt zu einem tobenden, dreckigen Fluss, der stark nach Exkrementen riecht. Angewidert rümpfe ich meine Nase und ziehe die Gesichtsbedeckung fester um meine Nase, während ich weiter einen steilen, schmalem Abhang hinabsteige. Grummelnd halte ich für einen Augenblick an und blicke gen Himmel, der heute wolkenbedeckt auf mich hinabblickt. Das Proviant lege ich achtlos ab und strecke mich herzlich.

An einem düsteren Frühlingstag wie diesen erreicht mich das Verlangen mich den auferlegten Pflichten zu entledigen. Meine trägen Gedankengänge brechen abrupt ab, als ich um mich herum blicke und mich genervt im Schneidersitz am Rand des steinigen, weiten Abgrunds, an dem ich angelangt bin, hinsetze.

Auch wenn mein Weg endet, habe ich nicht mit einem großen Loch vor mir gerechnet. Aus einem unerklärlichen Grund entspannt mich die Sicht auf die weite Schlucht, weshalb ich erstmal tief einatme. Selbst die zunehmende Kälte geht an mir vorbei, wenn ich auf einem hohen Platz wie diesen nachdenken kann. Doch leider bleibt mir keine Zeit dafür. Solange ich an meine Pflichten als Ninja und an die Stadt Reedell gebunden bin, kann ich meiner Bestimmung nicht entfliehen.

Eine fehlende MenschlichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt