Kapitel 1

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Warme Sonnenstrahlen fielen durch das große Panoramafenster ins Hotelzimmer und ließen den wunderschönen Frühlingstag erahnen, der förmlich nur auf den jungen Mann zu warten schien, der noch im Bett lag. Kendall wurde durch das Licht, das ihm ins Gesicht schien, geweckt. Er rieb sich mit dem Handrücken die Augen, die dem Befehl „Aufwachen“ noch nicht so ganz folgen wollten. In das helle warme Licht blinzelnd schälte er sich aus dem Bett. Mit einem ausgiebigen Gähnen fuhr er sich durch die an allen Seiten abstehenden Haare und brachte sie dadurch noch mehr in Unordnung. Nur in Boxershorts bekleidet ging er ins Bad, schaufelte sich Hände kaltes Wasser ins Gesicht und weckte somit langsam seine Lebensgeister. Hatte er es gestern etwas übertrieben? Wahrscheinlich. Doch heute würde er nur im Flieger sitzen, wo er seinen Schlaf, den er in dieser Nacht versäumt hatte, nachholen konnte. Nach einem kurzen Blick in den Spiegel und einem hoffnungslosen Versuch, seine Haare etwas in Ordnung zu bekommen, schlurfte er zurück  um im Hotelzimmer nach seiner Hose zu suchen. Eigentlich hätte er gerne noch geduscht, doch ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass er eigentlich los musste. Und so unorganisiert, wie er eben war, hatte er noch nicht mal seinen Koffer, der stand nämlich noch nicht fertig gepackt bei ihm zuhause.
„Musst du schon los?“ Er sah auf. Die Blondine, mit der er bis eben noch im Bett gelegen hatte, sah ihn fragend an.
„Jap. Aber wir können noch zusammen frühstücken, wenn du willst…“ Schlug er ihr halbherzig vor und zog sich ein T-Shirt über den Kopf.
„Nein, nein. du musst doch sicher arbeiten, oder?“ Sie tapste auf ihren nackten Füßen zu ihm rüber. Eigentlich war sie insgesamt nackt, oder so gut wie. Sie trug nur noch ein knappes Höschen und einen passenden BH.
„Nein, eigentlich nicht. Wir fliegen heute ab, das hab ich dir gestern erzählt…“ Antwortete er und zog eine Augenbraue hoch.
„Echt? Achsoooo!“, quiekte sie. „Aber das ist doch auch stressig, oder?“
„Ja. Das macht mich immer total fertig, den ganzen Tag im Flieger zu sitzen…“ versuchte er zu scherzen, doch die junge Frau ihm gegenüber machte große Augen. „Oh, echt? Ihr singt bestimmt die ganze Zeit, oder?“ Kendall fiel fast die Kinnlade herunter, während er sie betrachtete. Sie meinte das tatsächlich ernst. „Ich glaube, ich könnte niemals ein Schauspieler und Sänger sein, das wäre mir zu viel Arbeit…“ Seufzte sie und legte eine Hand auf seine Brust. Kendall zuckte nur mit den Schultern, wandte sich dann ab um sich weiter anzuziehen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie gestern Abend auch schon so doof gewesen war.
„Also, willst du noch mit mir frühstücken gehen?“ fragte er sie erneut mit einem erstaunlich geduldigen Ton.
„Was denn?“
„Em… was du willst?“ Er konnte es nicht unterdrücken, sie skeptisch anzusehen.
„Und wo? Hier?“ Fragte sie ihn erwartungsvoll mit einem Blick, als rechne sie damit, dass er jeden Augenblick ein Tablett mit Eiern und Toast aus seiner Hosentasche ziehen würde.
„Ich dachte eigentlich, wir gehen zu…“ Er unterbrach sich, als er merkte, dass sie ihm gar nicht mehr zuhörte, sondern an einer Haarsträhne rumspielte.
„Also, willst du jetzt oder nicht?“
„Em… ne, ich frühstücke eigentlich nie!“ Gab sie von sich, als wäre das selbstverständlich. Kendall wandte sich erneut ab, damit sie nicht sehen konnte, wie er seine Augen verdrehte. Er musste zugeben, dass er froh war, dass sie nicht mit ihm frühstücken wollte und er sie somit jetzt schon loswurde. Er hatte anscheinend nicht genug Zeit darauf verwendet, sich ein anständiges One-night-stand auszuwählen. Sie sah zwar gut aus, was ihm eigentlich nur zweitranging wichtig war, und nett war sie auch gewesen, doch jetzt wurde ihm immer klarer, dass sie strohdoof war. Dennoch waren sie in der letzten Nacht im Bett gelandet. Warum hatte er nicht schon vorher bemerkt, wie dumm sie war? Nun ja, Fehler wie diesen beging er in letzter Zeit regelmäßig.
„Frühstückst du etwa?“ Fragte sie mit einer kindlich naiven Art und wickelte sich eine Strähne ihrer blondgefärbten Haare um die Finger. Er seufzte nur und tat so, als ob er ihre Frage nicht gehört hätte, während er sich die Socken anzog und in seine Vans schlüpfte. Doch sie schien das gar nicht zu stören.
„Rufst du mich mal an oder so?“ Er zögerte.
„Achso… ich hab auch eine Freundin, die hat auch keins mehr, weil sie das im Urlaub ins Wasser hat fallen lassen, ne, eigentlich war das ihre Freundin, und ja, em… auf jeden Fall hat sie auch keins mehr und…“ Interpretierte sie sein Schweigen und quasselte so weiter vor sich hin ohne einmal Luft zu holen, immer noch nur in ihrer Unterwäsche und machte keine Anstalten sich anzuziehen, auch nicht, als Kendall sich die Zimmerkarte, sein Handy und Portemonnaie vom Nachttisch nahm und eigentlich das Zimmer verlassen wollte. Dann fasste er sich ein Herz und fuhr in ihren Monolog: „Ich hab ihr immer gesagt,…“ „Ich würde jetzt gerne gehen. Musst du nicht auch nachhause?“ Sie sah ihn verblüfft an, dann kicherte sie nur: „Aber nicht nur in Unterwäsche, oder? Hihi!“ Und hüpfte zu den auf dem Boden verteilten Klamotten. Kendall wiederstand dem Drang sich gegen den Kopf zu schlagen. Als sie endlich komplett angezogen war und mit einem Kuss auf seine Wange das Zimmer verließ, das er dann hinter ihr schloss, verdammte er sich dafür, dass er nicht auf seine Freunde gehört hatte. Sie hatten ihn gewarnt, gemeint, dass sie hohl aussah und redete. Aber er wusste jetzt erst, wie recht sie damit gehabt hatten.
„Okay, bis bald dann.. „ Kicherte sie, hüpfte den Gang entlang und verschwand um eine Ecke. Kendall schüttelte nur ungläubig den Kopf. Wie tief war er eigentlich gesunken? Er war Popstar und konnte eine Menge Frauen haben!  Er schwor sich, dass das jetzt ein Ende haben würde. Draußen vor dem Hotel angelangt zündete er sich eine Zigarette ein, eine schlechte Angewohnheit, der er seit einem Jahr nachgab, obwohl er wusste, dass es schlecht für seine Stimme war, dann machte er sich auf den Weg zum nächsten Café um sich etwas zum Frühstück zu holen.
Da er nun alleine war, hatte er nicht vor, sich reinzusetzten. Stattdessen fuhr er anschließend nachhause, holte seinen Koffer, in den er noch schnell einige Klamotten packte, und dann zum Studio, wo sie sicher schon auf ihn warten würden und sie letzte Angelegenheiten klärten und dann von dort aus zum Flughafen aufbrachen.
Dort wunderte er sich nur Logan zu sehen und das auch noch auf seinem Motorrad, mit dem er im letzten Jahr einen Unfall gehabt und es seit dem gemieden hatte. Er zog nur fragend eine Augenbraue hoch, schlug dann seinem besten Freund zur Begrüßung ein und setzte sich dann auf das Geländer am Eingang zum Studio.
„Na ja, man muss wieder aufs Pferd steigen, oder?“ Lachte Logan, stellte seine Tasche, die er über der Schulter trug auf der ersten Stufe ab und setzte sich neben Kendall.
„Warum ist noch keiner da?“ Fragte der Größere etwas gedämpft, weil er mal wieder an seinen Fingernägeln kaute. Eine weitere schlechte Angewohnheit.
„Weil wir erst  zwanzig vor elf haben?“
„Ich dachte, wir sind um zehn Uhr verabredet…“ Logan lachte seinen besten Freund nur aus.
„Wir hatten elf Uhr gesagt, weil der Flieger erst um eins geht… du bist echt sowas von unorganisiert…“ Er schüttelte den Kopf.
„Naaaaa? Wie war’s gestern noch?“ Fragte er ihn dann mit einem breiten Grinsen, das zeigte, wie sehr er sich über Kendall lustig machte.
„Gut… ja, okay… ihr hattet recht. Das hab ich aber erst heute Morgen festgestellt…“ Gab der Größere nur widerwillig zu.
„Was hast du festgestellt? Dass sie dumm wie ein Stück Toastbrot ist?“ Carlos lachte. Er hatte wohl auf der Gebäuderückseite geparkt und kam gerade um die Hausecke. Sidney sprang um seine Beine, weil er ihren geliebten Gummiknochen in der Hand hielt und keine Anstalten machte, ihn ihr zu geben.
„Sidney, platz!“ Sofort gehorchte die kluge Schäferhündin und ließ sich auf dem Asphalt neben Kendalls Füßen nieder. Der bückte sich um sie zwischen den Ohren zu kraulen.
„Wir haben dir gesagt, dass sie furchtbar doof ist… Tja, aber tiefgründige Gespräche hast du ja sicher sowieso nicht mit ihr geführt oder?“ Kendall sah auf. Der letzte im Bunde, James,  kam auf sie zu, eine Hundebox mit Fox darin in der einen, den Griff eines großen Koffers in der anderen Hand und einem spöttischen Grinsen auf dem Gesicht. Sie begrüßten sich und Kendal vermied es, auf ihre Kommentare zu seinem One-Night-Stand einzugehen.
„Immerhin war die dieses Mal besser, als die die er das letzte Mal hatte. Wisst ihr noch? Die, die man immer anschreien musste, bis sie bemerkt hat, dass man mit ihr gesprochen hat?“
„Ja genau!“ Bestätigte Carlos Logan. „Die war irgendwie in ihrer eigenen Welt. Abgefreakt.“ Kendall kaute weiter an seinen Nägeln, die bereits so kurz waren, dass er nicht mehr viel zu tun hatte, sodass er sich aufs Nagelbett verlegen musste und versuchte sie zu ignorieren. Manchmal waren seine besten Freunde echte Arschlöcher.
„Wenigstens kann man von dir nicht sagen, dass du oberflächlich wärst…“ Zog ihn James weiter auf und klopfte ihm auf die Schulter.
„Aber deine Arbeit ist im Moment wirklich rekordverdächtig! Wie viele hattest du im letzten Monat? 6? 7?“
„Um genau zu sein…“ Logan zog mit einem frechen Grinsen ein Buch aus seiner Tasche und schlug es auf. Er durchblätterte es und schloss dann: „acht. Es waren acht. Und das nur im letzten Monat…“ Er schlug das Buch klatschend zu. Kendall sah auf und schnappte nach dem Buch. „Was ist das bitte?“
„Nichts…“ Logan lachte und hielt das Buch außer Reichweite Kendalls. „Macht ihr jetzt Inventur, wie viele Frauen ich hatte, oder wie?“ Kendall wurde sauer. Mussten sie sich in seine Angelegenheiten einmischen?
„Ja, so ähnlich. Wir haben aus Spaß mal festgehalten, wen du wann hattest.. mit Foto der Glücklichen..“ Erklärte Carlos sachlich und warf den Gummiknochen für Sydney und Fox, den James aus der Box gelassen hatte.
„Ihr Bastarde…“ Murrte Kendall und gab es auf, das Buch zu bekommen.
„Macht’s Spaß, ja?!“ Fragte er sarkastisch und zog sich eine Zigarette aus der Schachtel.
„Du weißt schon, dass wir Vorbildfunktion haben und hier Fans vorbei kommen könnten, oder?“ Krittelte ihn Carlos. Mit einem Seufzen drückte er sie wieder aus und schob sie in die Packung zurück. Leider hatte er Recht.
„So… also ein zweiter Filmdreh. Hab ihr das Skript schon gelesen? Das wird sicher ein krönender Abschluss für die vierte Staffel.“ Meinte Logan und kratzte sich im Nacken.
„Irgendwie schon schade, dass danach alles vorbei ist, oder? Also die Serie..“ Meinte James. Die anderen nickten nachdenklich. Kendall hatte auch schon darüber nachgedacht. Er wollte, sobald der Film abgedreht sein würde, entweder sich auf Heffron Drive konzentrieren oder zusehen, dass er eine Rolle in einer anderen Nickserie ergattern konnte. Zwar wurde er langsam zu alt für Rollen, die so angeboten wurden, doch am liebsten wollte er wieder etwas für Kinder machen. Ansonsten hatte er noch keine Pläne. James zum Beispiel hatte hingegen schon längst eine Rolle in einem anderen Spielfilm in Aussicht.
Bis elf Uhr waren dann alle, unter anderem auch Dustin, eingetroffen. Sie besprachen noch kurz einige organisatorische Dinge mit dem Manager und dann machten sie sich auf den Weg zum Flughafen. Logan, Dustin und er saßen in einem der schwarzen Vans.
„Also… nach Texas!“ Logan freute sich augenscheinlich nachhause zu kommen. Kendall freute sich ebenfalls. Das würde sicher cool werden. Der Filmdreh auf jeden Fall, da war er sich sicher.

Konkurrenz für Kendall (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt