Kapitel 10

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Ein verfrühter Herbst war auf den zu kurzen Sommer gefolgt. Seit Daliah wieder aus LA zurückgekehrt war, regnete es eigentlich ununterbrochen in Strömen. Auch jetzt watete sie durch Matsche und  Berge feuchter Blätter, die an ihren Stiefeln kleben blieben, während sie unter ihren kleinen gelben Regenschirm versuchte nicht nass zu werden. Sie beschleunigte ihre Schritte, um aus diesem Dreckswetter heraus zu kommen. Endlich bei Liv, ihrer neuen Freundin, dem Mädchen aus der Unibibliothek, angekommen, hüpfte sie auf die Türschwelle unter das Dach, schüttelte ihren Schirm aus und klingelte. Die glockenhelle Stimme, die ihr jetzt schon so vertraut war, tönte aus der Gegensprechanlange: „Hallo?“

„Ich bin’s!“ antwortete Daliah und drückte sich an die noch geschlossene Tür, die unter einem dröhnenden Ton aufsprang. Sie rannte die Stufen bis zur obersten Wohnung hinauf, in deren Tür schon die hell Brünette stand und sie anlächelte.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du je wieder das Haus verlässt…“ Begrüßte Liv  Daliah und umarmte sie dann.

„Du hast gesagt, du zündest meine Wohnung an, wenn ich nicht zu dir komme….“ Liv lachte nur, bat sie mit einer Handbewegung einzutreten und schloss dann die Tür hinter ihr. In Wahrheit war Daliah nur hier, weil sie es zuhause in ihrer Wohnung nicht mehr ausgehalten hatte. Die letzten zwei Monate, eigentlich sofort nach ihrer Rückkehr, hatte sie bei ihrer Familie in ihrem Elternhaus gelebt, da sie das Studium in Kunst sowieso schmeißen wollte, weil sie die Prüfungen alle nicht bestanden hatte. Die Bewerbung für Journalismus und Mediendesign war schon raus, ihr geliebter kleiner Bruder hatte sie für sie abgeschickt, weshalb sie ihm sehr dankbar war, weil sie die Fristen sonst verschlafen hätte.

Vor zwei Tagen, war sie erst wiedergekommen und es machte ihr Angst allein in der Wohnung zu leben, ohne Mia, deren sämtliche Sachen bereits von ihren Eltern abgeholt worden waren. Es war, als wäre sie gestorben, obwohl sie in Wirklichkeit in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt behandelt wurde. Sie vermisste ihre beste Freundin, doch hatte sie das Gefühl, dass sie sie nie mehr wiedersehen würde und deshalb mit ihr abschließen musste. So, als wäre sie tatsächlich gestorben. Gestorben an ihren unerwiderten Gefühlen.

Gut, dass sie jetzt Liv und deren Mitbewohnerin Anna hatte, die ihr wirklich gute Freundinnen geworden waren. Sie hatten fast jeden Tag telefoniert, während Daliah bei ihren Eltern gewohnt hatte und sie so über die Verluste hinweggetröstet ohne zu wissen, dass sie es taten, denn Daliah erwähnte das Geschehene nie. Dafür waren die Wunden noch zu frisch und sie wollte in Ruhe mit sich damit abschließen, ohne, dass andere sie an eine der bestreffenden Personen erinnerte.

„Hallo Liah!“ Anna umarmte sie zaghaft, als sie aus der Küche kam und sie erblickte.

„Hey:“ Versuchte Die Brünette freudig zu erwidern.

„So. Was machen wir heute? Filme gucken und Chips futtern?“ Hing sie noch dran und sah die beiden hoffnungsvoll an.

„Nein!“ Antwortete Liv erschüttert, als wäre so etwas völlig undenkbar. „Wir gehen natürlich aus. Ein paar Cocktails, ein bisschen Tanzen…“ Daliahs Laune sank rapide. Sie wusste, worauf das hinauslaufen würde: Auf Verkupplungsaktionen.

„Ich hab überhapt nicht das richtige dafür an!“ Protestierte sie, doch es hatte keinen Zweck.

„Du kannst was von mir haben. Ich weiß da genau das richtige…“ Liv zog sie am Hangelenk den Flur entlang und in ihr Zimmer, in dem eine Wand violett gestrichen war, vor der das große Metallbett stand. Daliah ließ sich darauf fallen während Liv in dem großen Eichenkleiderschrank wühlte und sich soweit hineinbeugte, dass ihr kompletter Oberkörper darin verschwunden war. Wenige Minuten später zog sie ein braunes trägerloses Minikleid heraus, dessen seidiger Stoff im Licht bronzefarben schimmerte. Sie legte es kommentarlos neben ihr ab und kramte dann weiter auf dem Schrankboden, sicherlich nach passenden Schuhen.

Konkurrenz für Kendall (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt