Kapitel 7

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Der Drehtag nach dem Abend im Streakhaus schien für Kendall ewig zu dauern. Es kam ihm zwei oder dreimal so lange vor, wie sonst. Das lag wahrscheinlich daran, dass Logan sich bereits jetzt mächtig ins Zeug legte um Daliah für sich zu gewinnen. Tatsächlich konnte er sich nicht daran erinnern, dass er jemals zuvor so aufreißerisch gewesen war, wie jetzt. Da verging ihm sogar die Lust Quatsch mit den anderen Jungs zu machen und Vines davon zu twittern.

Während er in der Maske gesessen hatte, hatte er ihm mit dumpfer Wut im Bauch aus der Ferne zusehen müssen, wie er mit nackter Brust vor den Mädels Liegestütze und Situps machte. Logans Taktik war also klar: Er würde versuchen sie so verrückt zu machen, dass sie ihn einfach wollte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass das bei ihr zog, schließlich war sie eher eines dieser Mädchen, die auf den richtigen Moment wartete, bis sie mit jemandem in Bett ging. Ihn hatte sie während ihrer kurzen Beziehung auch niemals rangelassen. Andererseits hatte er auch keine bessere Taktik, was vielleicht daran lag, dass er überhaupt keine hatte. Damals, war es wie von selbst passiert, er hatte nicht viel tun müssen, nur er selbst sein. Doch würde das dieses Mal genügen? Wer wusste schon, wie sehr sie sich seit sie zusammen gewesen waren verändert hatte?

Glück im Unglück, er fand im Gegensatz zu Logan keine Zeit um mit Daliah zu sprechen und so hatte er Zeit sich noch etwas zu überlegen. Andererseits machte es ihn wahnsinnig Daliah mit ihm zu sehen. Um das ganze lässig zu sehen, war Logan eine viel zu große Konkurrenz. Aber schließlich, so dachte er sich und musste unwillkürlich grinsen, war er Derjenige, der jedes Spiel gewann. Egal ob Kartfahren, Reise nach Jerusalem spielen oder beim Basketball, er war unschlagbar. Auch wenn es hier um mehr ging, als nur die Ehre, ein dummes Kinderspiel zu gewinnen: auch hier würde er siegen. Er musste es einfach.

Als dieser lange Tag sich dann doch endlich dem Ende neigte, freute sich der Blonde auf ein kühles Bier mit seinem besten Freund Dustin. Er war es nicht gewohnt, so wenig am Tag zu lachen und Quatsch zu machen. Er war deshalb überhaupt nicht ausgelastet und etwas aufgedreht.

Er war gerade dabei sein I-Phone und sein Portemonnaie wieder in seinen Hosentaschen zu verstauen, die er während des Drehs meistens ablegte, als er sich umdrehte und Liv plötzlich vor ihm stand. Ihre Rehbraunen Haare und Augen glänzten im Licht der untergehenden Sonne. Sie sah ihn mit einem wissenden Lächeln an.

„Du hast Null Ahnung, wie du sie zurück gewinnen sollst, stimmt's?" Er sah sie verblüfft an. Woher wusste sie davon, dass er sie zurück haben wollte?

„Ach komm, Kendall, das sieht doch wohl jeder. Jeder außer Liah!" Sie lachte glockenhell auf. Hm. Das hatten die Jungs auch schon gesagt. Scheinbar war er für alle ein offenes Buch. Na toll. Ein Versuch es abzustreiten, konnte trotzdem nicht schaden, so überlegte er.

„Nein!" Sagte er und versuchte dabei überzeugend zu klingen. „Du hast gedacht ich will was von ihr?" Er lachte auf.

„Kendall, lass den Quatsch. Wir haben Wichtigeres zu bereden." Okay, Versuch gescheitert. Aufmerksam sah er sie an und zog dabei skeptisch eine Augenbraue hoch.

„Und das wäre?"

„Der Plan, wie du Daliah zurück bekommst!" Kendall sah sie zweifelnd an.

„Ein richtiges Konzept habe ich auch noch nicht, aber schon mal ne Idee." Und mit diesem Worten drückte sie ihm etwas in die leere Hand. Es war ein Sony Walkman MP3Player in einem leuchtenden Türkis.

„Sehr nett von dir, aber ich habe schon einen IPod." Lachte er.

„Nein, Blödmann, das ist Liahs!" Seufzte sie, als müsste sie sich schon länger mit ihm rumschlagen als nur die bisherigen 5 Minuten.

„Warum klaust du ihren MP3 Player?"

„Weil du wissen solltest, worauf sie so steht. Ich weiß, dass sie Musik liebt. Und Liebe geht bekanntlich über Musik."

„Ich dachte, es heißt „durch den Margen?" lachte er, mehr über Livs beleidigte Mine als über ihren Versprecher.

„Ich weiß, was sie gerne hört. Sie hat mir mal gesagt, dass sich mehr auf Rock steht, als auf die Musik, die wir machen. Und dass ihre Lieblingsband Busted ist, die es schon nicht mehr gab, als sie angefangen hat, deren Musik zu hören." Erklärte ihr Kendall wissend nachdem er aufgehört hatte zu lachen.

„Sie geht auch über Musik klar?! Also, hört sich so an, als würdest du genau wissen, was sie gerne hört!" lachte sie ihn spöttisch aus und ignorierte Kendalls Geste, den MP3-Player zurückzugeben. Dieser verzog enttäuscht das Gesicht, dass sein Wissen anscheinend als dürftig betrachtet wurde.

„Außerdem:" Fügte sie dann bedeutungsschwanger hinzu: „Kannst du ihr dann, wenn sie ihren vermisst, deinen geben." Sie lächelte jetzt wieder verschwörerisch.

„Und dann? Was soll sie damit?"

„Deine Musik hören. Ich bin mir sicher, sie hat noch nie ernsthaft einen Song von dir angehört. Wenn sie sich in dein stärkstes Talent verliebt, ist der Schritt nicht weit sich wieder in dich zu verlieben. Außerdem: Du hast doch sicher einen Song über sie geschrieben?"

„Woher weißt du das?" Fragte er sie verblüfft, während sie lässig ihre Fingernägel betrachtete.

„Tun das Musiker nicht immer? Über ihre große Liebe schreiben?" Ein Punkt für sie, da hatte sie Recht.

„Und du glaubst, so bekomme ich sie zurück?" Er konnte nichts dagegen tun, dass Hoffnung in ihm keimte.

„Oh nein! Das ist gerade mal der Anfang. Du hast keine Ahnung, was dir alles noch im Weg steht!" Lachte sie freudlos. Der Blondschopf wollte fragen, was sie damit meinte überlegte es sich dann jedoch anders. Er wollte nicht wissen, welche Probleme außer Logan noch auf ihn zukamen.

Er sah sich das leicht ramponierte kleine Gerät, das in den letzten Sonnenstrahlen spiegelte, an. Man konnte sehen, dass es schon öfter die Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatte.

Er hielt hier tatsächlich ein Stück von Daliahs Herzen in der Hand. Er wusste, dass sie immer Musik hörte, wenn sie sehr glücklich oder traurig war, das hatte sie ihm oft in den Mails geschrieben. Er fragte sich, in wie weit die Songs etwas über sie aussagen würden.

„So, das wäre ja dann klar. Spätestens morgen früh wird sie feststellen, dass er wirklich weg ist und sie ihn nicht nur verbummelt hat und dann kommst du heldenhaft ins Spiel, verstanden?" Sie sah ihn an, als würde sie erwarten, er würde noch mal um Erklärung bitten.

„Ich hab's kapiert. Aber was sagen wir ihr, wenn sie feststellen sollte, dass ich ihn habe?"

„Dann gibst du ihn ihr wieder und sagst, du hättest ihn gefunden und dann noch keine Zeit gehabt ihn ihr wieder zu geben, Dummkopf. So, viel Spaß damit, bis morgen." Mit einem Zwinkern verschwand sie in die einbrechende Dunkelheit.

Noch eine Sekunde stand Kendall unschlüssig herum, dann packte er sein Zeug und ging zu seinem gemieteten Auto. Als er vom Gelände durch das hintere Tor rollte, fummelte er den MP3-Player in den Adapter für das Soundsystem.

Etwas den Highway runter parkte er am Straßenrand und drückte auf „Alle Songs abspielen", wo bei er mehr durch Zufall das richtige auswählte, da er im deutschen Menü nicht viel verstand und er selber einen IPod besaß, der etwas anders funktionierte.

Der erste Song war tatsächlich von Busted, wie ihm das Display verriet. Er musste unwillkürlich grinsen. Also hatte er ja nicht ganz so falsch gelegen, wie Liv es ihn hatte glauben machen wollen. Darauf folgte Downtown Fiction, Cro, Avril Lavigne, Conor Maynard, Dashboard Confessional, Die Ärzte, eine deutsche Band, von deren Songs Kendall kein Wort verstand, ebenso wie von Jennifer Rostock und Revolverheld. Er googelte mit seinem Handy die Übersetzungen und musste feststellen, dass all diese Musik so sehr zu Daliah passte, dass es weh tat, diese Musik ohne sie zu hören. Sie hatte ihm noch nie so sehr gefehlt wie in diesem Moment. Zu allem Überfluss kam dann noch der Song „RIP" von 3Oh!3, der einfach genau das wiedergab, was er empfunden hatte, nachdem sie gegangen war. Und in diesem Moment wusste er, er würde sie niemals vergessen können und deshalb musste er sie zurückgewinnen.

Als sich die 16 GB große Playlist schließlich wiederholte, musste der Blonde feststellen, dass es bereits 1 Uhr morgens war. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie lange er hier gesessen und ihrer Musik gelauscht hatte, von der er die Hälfte nicht hatte leiden können. Die anderen mussten eigentlich an ihm vorbeigefahren sein, doch er hatte nichts davon gemerkt. Er zog das Gerät aus der Anlage und steckte es in seine Hosentasche, bevor er sich endlich auf den Weg zum Hotel machte. Tatsächlich hatte Liv Recht gehabt: Liebe ging wohl wirklich über Musik. Denn nun wollte er Daliah mehr als je zuvor.

Konkurrenz für Kendall (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt