2. Kapitel

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August 2008

Spannende Kampfmusik tönt aus dem kleinen Nintendo Gameboy, als ich ziemlich aufgeregt einen prüfenden Blick durch das geöffnete Autofenster werfe.

Tristan sitzt noch immer auf der Rückbank, blickt hochkonzentriert meinem alten Gameboy an, und regt sich gerade über das blöde Enton und dessen Kopfschmerzen auf.

Ich gehe zurück zum Kofferraum und hebe die einzigen und letzten zwei Kisten hinein. Kopfschüttelnd lege ich meine Hand auf die Kofferraumklappe und seufze.

Ich kann und will das alles nicht glauben, dass Tristan zu mir kommt und sich mein Leben dadurch noch einmal komplett auf den Kopf stellt.

Ein Kind von fünf Jahren das nicht mal zwei volle Umzugskartons voller Spielzeug und Klamotten besitzt.

Ein Kind, das in einem lieblos eingerichteten Zimmer leben und lediglich nur auf einer Matratze schlafen musste, kaputtes Spielzeug eines Kleinkindes besitzt und Klamotten viel zu klein für ihn.

Die Idee meinen eigenen Sohn endlich aus dieser Hölle, mir kommt kurz die Kotze hoch, in Anführungszeichen Mutter, zu holen, hätte mir eigentlich schon viel früher in den Sinn kommen müssen.

Auch wenn ich nicht zu hundert Prozent sicher bin dem allen hier gewachsen zu sein, aber ich muss endlich Verantwortung übernehmen, richtige Verantwortung, anstatt monatlich die Alimente an Melissa zu zahlen, Karten und Briefe zu schreiben, und Tristan auf dem halben Weg zwischen Detroit und Chicago zu treffen.

Ja, ich bin so ziemlich egoistisch gewesen, Tristan nicht sofort zu mir geholt zu haben, da ich lieber mein Leben als Single genießen wollte.

Aber ich habe genügend Zeit gehabt mir meine Gedanken zu machen, habe oft mit meiner kleinen Schwester zusammengesessen und darüber geredet.

Die Auseinandersetzungen zwischen Melissa und mir und andere Aspekte haben mich letztlich komplett umgedreht.

Ich habe gesehen, dass es Tristan nicht wirklich gut bei Melissa geht und ein unschuldiges Kind soll doch ein sorgenfreies Leben leben.

Bei mir würde es Tristan, hoffentlich, besser haben.

Ich werde ihn nicht vernachlässigen. Ich werde ihn sich nicht selbst überlassen, um meine Befriedigung zu stillen. Ich werde Tristan jeden Wunsch erfüllen, angefangen bei einem passend eingerichteten Zimmer und passenden Klamotten.

Mein hart verdientes Geld, die Alimente, muss ich ebenfalls nicht mehr an Melissa auszahlen, die das Geld übrigens nur für sich und nicht für Tristan ausgegeben hat.

Die Gedanken, was Tristan alles bei seiner »Mutter« durchmachen musste, lässt mich erschaudern und abermals würde ich auf dem Boden kotzen, aber ich reiße mich zusammen, und versuche die drückenden Bauchschmerzen loszuwerden.

Nicht vor den Kleinen kotzen, oder ausrasten, um ihn diese Umstellung einfach wie möglich zugestalten.

Für einen fünfjährigen Jungen ist so ein Umzug, trotz aller Erklärungen, echt ein einschneidendes Erlebnis.

Tristan wurde übrigens auch nach seiner Meinung gefragt und wollte tatsächlich zu mir, ohne, dass ich irgendwas sagen musste.

Trotz der Entfernung zwischen Detroit und Chicago, habe ich auf den Kontakt zu meinem Sohn bestanden und wäre das Jugendamt nicht involviert, würde dieser Kontakt gar nicht erst bestehen. Und wir nicht hier sein.

Ich lasse den Kofferraumdeckel meines Wagens zufallen und gehe abermals zum geöffneten Fenster, um einen prüfenden Blick ins Innere zu werfen.

Am Gesicht von Tristan sehe ich, dass Enton wohl noch immer nicht auf die Anweisungen von Tristan reagiert. »Stellt sich Enton noch immer quer?«, frage ich belustigt.

[3] 𝙵𝙾𝚁𝙴𝚅𝙴𝚁 𝚈𝙾𝚄𝚁𝚂 [Sam]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt