Kapitel 6

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Ab diesem Zeitpunkt wurden meine Gedanken sehr verwaschen. Ich sah verschiedene Muster in unterschiedlichen Farben. Hören konnte ich nichts. Ich war wie taub. Bewegen war ebenfalls nicht möglich. Die bunten Muster formten sich langsam. Wie ein Fischschwarm, der sich nach und nach zusammenfand.
Was hat das alles hier zu bedeuten?
Der Schwarm, der mittlerweile zu einem Art goldenen Rauch geworden ist, formte sich langsam weiter. Ich konnte tatsächlich erkennen, dass der Rauch sich zu einem Gegenstand entwickelte. Die Silhouette eines Objekts, welches ich noch vor kurzer Zeit, besser gesagt am Anfang dieses Wochenendes, gesehen hatte...
Es war der Umriss von einer Drohne. Ian's Drohne. Noch bevor ich mich wundern konnte, was diese ganze Situation darstellen sollte und ob ich tot, lebendig oder nur in Trance war, kam der Drohnen-Rauch auf mich zugeflogen. Ich wollte die Augen schließen, konnte es aber nicht. Der Rauch kam auf mich zu, berührte mich und alles wurde schwarz.
Einen Moment war alles dunkel. Ich hörte ein Surren. Es wurde langsam immer lauter. Als es so laut wurde, dass ich mir, wenn ich könnte, die Ohren zuhalten würde, knallte es und ich konnte wieder sehen. Ich sah eine Grünanlage, welche von einem Zaun umringt war. Außerdem konnte ich die Villa Lave aus der Vogelperspektive erkennen.
Bin ich tot und im Himmel?
Plötzlich „flog" ich abwärts und alles wurde größer. Ich erblickte die rosafarbenen Dachplatten und den Schornstein, welcher wohl mit dem großen Kamin aus dem Raum, in dem wir Acht uns den Nachmittag aufhielten, verbunden war.
Bin ich die Drohne?
Ich lernte von der einen Sekunde auf die andere „mich" zu lenken und wollte sofort in Richtung der kleinen Hütte fliegen, da dort Paul und Theresa sein sollten. So war es zumindest in dem Video auf dem Bildschirm im Keller zu sehen. Während ich auf dem Weg dorthin war schockte mich ein schrecklicher Anblick. Es war Emily. Sie lag mit einer Axt im Rücken auf der Wiese. Neben ihr waren überall Glasscherben und eine riesige Blutlache. Es sah alles nach einem tödlichen Unfall aus. Als ich Emily's Körper näher kam, sah ich plötzlich eine Vision in einem schwarz-weiß Filter. Emily und Mike öffneten die Tür des Badezimmers der Villa, betraten jenes und schlossen selbige wieder.
„Was ein Anblick, Schatz!" sagte Emily staunend.
„Ian ist so ein scheiß Glückspilz!" antwortete Mike und rückte seine Kappe zurecht.
Überall waren Fliesen in weiß und dunkelblau. Ganz oben gab es etwa zehn kleine, schmale Fenster, die jedoch geschlossen waren.
„Wie soll man die Fenster denn bitte öffnen? Das sind bestimmt 5 Meter, da kommt doch keine Sau dran" fragte Emily und Mike zuckte mit den Schultern. Ich schaute mich um und sah eine riesige Badewanne, ringsherum waren insgesamt etwa 30 Wasserhähne.
„Das muss der Whirlpool sein" sagte Emily und deutete auf die große Wanne. Mike begab sich dorthin während Emy ihm folgte.
Ihr Freund drehte an einem der Wasserhähne um das Wasser einlaufen zu lassen. Doch mit einem lauten Knall schossen unzählige Liter Wasser aus allen Wasserhähnen.
„Scheiße, da muss irgendwas kaputt gegangen sein..." sagte Mike mit etwas lauterer Stimme, da das Wasser so laut sprudelte. Er versuchte das Wasser wieder abzudrehen, doch es ließ sich nicht stoppen. Panisch drehte er an allen möglichen Stellen an denen Wasser heraus spritzte, ohne Erfolg.
Nach kurzer Zeit war der Whirlpool voll und die Unmengen an Wasser flossen auf den Boden.
„Wir müssen Ian Bescheid sagen, sonst wird das nichts!" Mike musste schreien, damit Emily ihn verstehen konnte.
Sie patschte durch das Wasser, dass ihr nun zu den Schienbeinen stand. Als Emily die Tür öffnen wollte, war dies nicht möglich. Die Tür war verschlossen! Das teilte Emily in Panik Mike mit.
Das Wasser stieg und stieg, sodass die beiden nicht mal mehr auf dem Boden stehen konnten.
„Schatz, was sollen wir machen?? Wir kommen hier nicht raus!!" rief Emily.
„Die Fenster! Wir müssen warten bis wir oben sind, und dann zertrümmern wir ganz schnell ein Fenster. So kommen wir hier raus!" antwortete Mike.
Mike war zu Emily geschwommen und hielt sie fest.
Nach einigen Momenten war das Wasser die 5 Meter bis zu den Fenstern beinahe gestiegen und Mike versuchte mit dem Fuß das Fenster zu öffnen, um die beiden aus dem nun fast vollständig mit Wasser gefüllten Raum zu befreien, doch das Fensterglas wollte einfach nicht zerbrechen. Ich sah wie Mike immer verzweifelter gegen die Scheibe schlug. Langsam meldeten sich wahrscheinlich deren Lungen und das Verlangen Luft zu holen wurde mit Sicherheit immer stärker, doch beide wussten bestimmt, wenn sie jetzt einatmen, wird die Lunge voll mit Wasser sein und das wäre es.
Nach ein paar weiteren Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, bemerkte ich, wie die Scheibe endlich brach. Doch es war nicht Mike, es war eine andere Person, die ich durch das glasige Wasser nicht erkennen konnte. Ich konnte nur einen Gegenstand als Axt identifizieren.
Das Wasser spülte Emily durch das Fenster nach draußen, doch dann wurde alles schwarz.
Ich wurde zurückgeworfen und sah wieder Emily's Körper. Dies war anscheinend ihr Schicksal, was sich während der Spritzen-Folter abspielte.

Ich flog weiter, um endlich nachzuschauen, was mit Paul und Theresa passiert war.
Wo bist du Paul?
Ich hatte schon kurz vergessen, dass diese Grünanlage einfach unvorstellbar groß war. Zum Glück sah ich meinen Kumpel an dem großen Eingangstor.
Auch Theresa konnte ich sehen. Aus irgendeinem Grund leuchteten ihre Beine in einer orangefarbenen Aura. Mir war es ein Rätsel, wieso.
„Was machst du da?" rief Theresa Paul zu und joggte in seine Richtung.
„Das beschissene Tor ist abgeschlossen" er rüttelte an dem Metalltor.
„Hey, was Jana erzählt hat war echt daneben..." versuchte Theresa ihn zu beruhigen.
„Ich habe keine Ahnung was mit ihr ist, aber irgendwas stimmt in ihrem scheiß Erbsenhirn nicht" fuhr sie fort.
Paul musste schmunzeln. Er schaute Theresa an. Ich sah die Schweißperlen auf seiner dunklen Haut.
„Bleib bitte hier..." bat Theresa meinen besten Freund.
Er schaute kurz auf den Boden, atmete kurz durch und sagte: „Na gut. Wenn du mich schon so darum bittest muss ich ja hier bleiben"
„Voll schön hier, oder?"
„Gigantisch. Hast du Lust dich hier neben mich zu setzen? Ich würde dir noch gerne was erzählen..." Paul setzte sich auf den Rasen.
Was kommt denn jetzt?
Nachdem sie sich neben ihn gesetzt hatte wartete ich, dass er anfing zu sprechen, doch er schaute nur in den langsam dämmernen Abendhimmel.
Plötzlich entfernte ich mich von den beiden. Ich konnte nicht mehr kontrollieren, wohin ich flog. Mit einem riesigen Tempo rauschte ich schnurstracks auf die kleine Holzhütte zu, die ich hinter Karo erkennen konnte, als ich sie begrüßte.
Karo! Was ist mit ihr?
Ich kam der Hütte immer näher... Und prallte ohne Bremsung gegen das Holz und krachte zu Boden. Mein Sichtbild wurde verschwommen. Erkennen konnte ich jedoch noch eine Silhouette eines Menschen, die sich vor mir hinkniete, bevor ich wieder in das große Nichts geworfen wurde.
Dort hielt ich mich jedoch nicht lange auf...

Wake Up... Der introvertierte HeldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt